Heute geht es ein wenig zurück in der Zeit im Verhältnis zu meinem üblichen Betrachtungszeitraum. Thema ist eine Besonderheit des Festungsbaus im ausgehenden 18. Jahrhundert, die sogenannte Lunette d’Arçon. (Redaktioneller Hinweis: Die Deutsche Schreibweise ist natürlich „Lünette“, aber da es sich bei dem vorgestellten Lunettentyp aber um eine Französische Erfindung handelt, bleibe ich im Folgenden bei der Französischen Schreibweise).
Prinzipiell
ist eine Lunette ein vorgeschobenes Verteidigungswerk mit 2 Facen (= Front-
bzw. Feldseiten) und zwei Flanken, eine Beschreibung, die auch auf viele Forts
des 19. Jahrhunderts zutrifft. Eine Lunette d’Arçon weist als Besonderheit
einen runden, zweigeschossigen Turm auf, der als Reduit dient. Er ist über eine
Traverse mit der Kontereskarpengalerie und (meist unterirdisch) mit dem
Hauptwerk verbunden.
Erdacht
wurde diese Konstruktion vom französischen Generalinspekteur für
Befestigungen, Jean
Claude Éléonore Le Michaud d´Arçon (1733 – 1800), dessen Namen sie trägt. Eine erste Version hatte
er angeblich schon 1778 für Toulon erwogen, sie wurde aber nie gebaut. In
seiner Schrift „Militärische und politische Betrachtungen zum Festungswesen“ schlug
er 1795 vorgelagerte Werke zum Schutz von Gebieten vor, die von der
Hauptfestung aus nur schwer oder gar nicht zu verteidigen waren, und verwendete
erstmalig den Begriff „à la d’Arçon”. Die baulichen Details solcher Werke hatte er
bereits 3 Jahre früher beschrieben.
Bis
ins 19. Jahrhundert hinein wurden etliche Lunettes d‘Arçon errichtet, so in Saint-Omer,
Metz, Besançon, Belfort,
Mont-Dauphin, Perpignan, Mainz, Landau und Palmanova. Nur wenige davon
existieren heute noch: Die von Mont-Dauphin ist die bekannteste, aber auch in
Besançon, Perpignan und Palmanova sind noch einige erhalten.
Als Reaktion auf die Weiterentwicklung der Artillerie dienten vor allem die späteren Ausführungen der Lunette d‘Arçon weniger zur besseren Verteidigung des Vorfelds, sondern vor allem dazu, den Feind zu zwingen, seine Belagerung weiter von der Festung entfernt zu beginnen. Sie stellen somit eine Vorstufe zu den detachierten Forts des 19. Jahrhunderts dar.
Nachfolgend möchte ich auf einige Beispiele eingehen.
1) Mont Dauphin
Ab 1792 wurde eine bereits 1728 errichtete einfache Lunette der Festung zu einer Lunette d’Arçon ausgebaut, wie sie heute noch existiert. Die Kehle der Lunette ist durch eine mit Schießscharten versehene Stumpfwinklige Mauer geschlossen, wie der nachfolgende Plan zeigt:
Schön erkennbar auch der Traversenbau, der vom Turm in
Richtung Lunettenspitze führt.
2) Metz
Von der Lunette d’Arçon in Metz ist heute leider nichts mehr zu sehen; sie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts eingeebnet und mit dem Krankenhaus Bon-Secours überbaut. Dieses alte Foto zeigt den Turm und die Reste der Wälle vor dem Abriss.
Hier ein Plan des Werks:
3) Perpignan
Auch die Festung Perpignan hatte eine Lunette d’Arçon mit dem Namen „Lunette de Canet“. Die Lunette selbst ist heute vollständig verschwunden; einzig der beeindruckende Reduit-Turm ist noch erhalten. Hier gibt es ein Foto des Turms; besucht habe ich ihn bisher nicht, er ist aber auf jeden Fall auf meiner Bucket List.
4) Landau
In
Landau wurden die Reste der Lunette 41 wiederentdeckt und werden gegenwärtig
restauriert. Erhalten ist ein Teil des Mauerwerks der Lunette sowie das
Fundament des Turms; Traverse und Spitze der Lunette liegen unter der
benachbarten Bahntrasse.
Der
Festungsbauverein Landau (Les Amis deVauban) betreibt eine Seite über die Festung Landau und bietet auch Führungen durch
das unterirdische Gangsystem, das über den Turm der Lunette 41 erschlossen
wurde, an.
Bei
meinem Besuch 2020 fanden Covid-19-bedingt leider keine Führungen statt, so
musste ich mich mit einer knappen Begutachtung von außerhalb des Bauzauns aus begnügen:
5) Mainz
Die Angabe, die Festung Mainz habe ebenfalls eine Lunette d’Arçon gehabt, fand ich in einer französischen Quelle. Verifizieren konnte ich das bisher nicht. Ich bin lediglich auf die (heute verschwundene) Lunette auf der Petersaue, einer Rheininsel, gestoßen, die einen Turm aufwies; dabei dürfte es sich aber wahrscheinlich nicht um einen Tour d’Arçon gehandelt haben, sondern um einen Montalembertschen Artillerie-Turm.
6) Palmanova
Im Luftbild lassen sich mindestens 6 von ehemals 9 der der sternförmigen Hauptfestung vorgelagerte Lunetten mit Gebäuden (auf Italienisch „Lunette Francesi“) ausmachen, die allerdings von der sonst üblichen Form der Lunette d’Arçon abweichen: Die in der Kehle gelegenen Gebäude sind nicht rund, sondern rechteckig; nur die ins Lunetteninnere weisende Seite ist gerundet. Eine zentrale Traverse scheint auch bei allen 6 Lunetten zu fehlen. Bei meinem Besuch 2019 habe ich leider keine Fotos dieser Lunetten gemacht; auf Google Maps gibt es eine schöne Aufnahme des Reduitgebäudes der südöstlichen Lunette.
7) Besançon
2012 konnte ich im Rahmen einer Festungsexkursion nach
Besançon eine der dortigen Lunettes d’Arçon in Augenschein nehmen, die Lunette
de Trois Châtels (auf manchen Karten auch „Fort de Trois Châtels“ genannt).
Diese Lunette und ihr Schwesterwerk, die Lunette de Tousey,
befinden sich auf den Flanken des Mont Saint-Étienne, süd-südöstlich der
Zitadelle; Trois Châtels ist nach Norden ausgerichtet, Tousey nach Westen. Beide
Lunetten können entweder als eine Art dritte Verteidigungslinie auf dem linken
Doubs-Ufer angesehen werden oder als Bestandteil der zentralen Verteidigungslinie,
der Zitadelle vorgelagert.
Der Standort war bereits im 17. Jahrhundert von Vauban für
eine leichte Befestigung in Erwägung gezogen worden. Es dauerte allerdings bis
zum Ende des 18. Jahrhunderts, wahrscheinlich zwischen 1791 und 1794, bis die
beiden Lunetten durch General d'Arçon errichtet wurden. Dies geschah allerdings
in solcher Eile, dass aus Fehleinschätzungen des Geländes und der überstürzten
Vorgehensweise deutliche konstruktive Mängel resultierten.
Die beiden Festungswerke erhielten zunächst offiziell die
Namen “Lunette de Rostaing“ (Trois Châtels) und „Lunette d’Arçon“ (Tousey),
aber genau wie bei den anderen Forts rund um Besançon setzten sich bald die gebräuchlichen
Ortsnamen durch.
1814, also kurz nach der Einweihung, waren beide Lunetten
bereits so baufällig, dass sich während des napoleonischen Feldzugs gegen die
Alliierten die französischen Befehlshaber weigerten, sie zu besetzen. Während
der darauffolgenden Restauration wurden die Lunetten verstärkt.
Weder während des Krieges von 1870 noch des ersten
Weltkriegs waren die Lunetten in Kampfhandlungen verwickelt, dafür aber am 7.
September 1944 bei der Befreiung von Besançon durch die Amerikaner.
Nachdem beide Lunetten nach dem Krieg einige Zeit verlassen
waren, gerieten sie in Privatbesitz. Der neue Eigentümer gestaltete die Lunette
de Tousey in ein bemerkenswertes Wohnhaus um; Trois Châtels wurde zum Zeitpunkt
meines Besuchs noch restauriert und konnte nur von außen besichtigt werden.
Beide Festungswerke bestehen als typische Lunettes d‘Arçon aus
einem großen, dreieckigen Retranchement, auf der Kehlseite offen und mit
vorgelagertem tiefem Graben, einem turmförmigen Reduitgebäude, das unterirdisch
mit einem Grabenkoffer in der Gegenböschung verbunden ist, und einer Traverse
mit Gewölbeunterstand. Einen schönen Plan findet man hier.
Nachfolgend ein paar Aufnahmen der Exkursion von 2012. Als erstes der Reduit-Turm:
Zum Schluss noch ein Blick aus der Ferne auf die Lunette de Tousey:
Weitere Bilder gibt es auf der Seite von Andreas Liebold, der 2012 ebenfalls dabei war.
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