(Wiederhergestellter Post vom 27.06.2016 aus dem alten Tavannes-Blog)
Nach der Annexion Elsass-Lothringens 1871 begann man schnell, die Befestigung der Stadt Metz auszubauen. Zum einen wurden die von Frankreich begonnenen Anlagen fertiggestellt, zum anderen neue Forts errichtet.
Die Brisanzmunitionskrise machte jedoch ein neues Konzept notwendig; die Funktionseinheiten, die bis dahin in einer Anlage zentral vorgehalten worden waren, wurden nun dezentralisiert: Batterien, Kasernen und Elemente der Nahverteidigung lagen auf einer Fläche von mehreren hundert Hektar verstreut und waren durch unterirdische Galerien miteinander verbunden. Anlagen dieser Art nannte man „Festen“.
Das Prinzip unterirdisch miteinander verbundener Festungselemente wurde typisch für Festungsanlagen des 20. Jahrhunderts; man findet es beispielsweise in der Maginot-Linie, dem Westwall und dem Ostwall.
Die Feste Freiher von der Goltz stellt den modernsten Festungstyp um Metz dar; ihr Bau wurde 1907 begonnen. Sie war für 800 Mann Besatzung ausgelegt und bestand aus drei durch Galerien miteinander verbundenen eigenständigen Gruppen: Ars-Laquenexy, Mercy und Jury.
Ars-Laquenexy bestand aus folgenden Funktionseinheiten:
- ein Infanteriewerk
- die Panzerbatterie Ost mit 3 Geschütztürmen Modell 08 für kurzläufige 105mm Geschütze
- die Panzerbatterie West mit 3 Geschütztürmen Modell 08 für langläufige 105mm Geschütze
- drei gepanzerte Artilleriebeobachter Modell 05
- Eine (unvollendete) betonierte Kaserne
Mercy war das größte Infanteriewerk der Feste; es war ungefähr doppelt so groß wie das von Ars-Laquenexy und besaß außer einer doppelstöckigen Kaserne ein Lazarett, Lagerräume, Küche, Backofen und Zisternen.
Auch Jury ist ein Infanteriewerk mit doppelstöckiger Kaserne; zwei geplante Panzerbatterien, zwei Panzerbeobachter und eine betonierte Kaserne zwischen Mercy und Jury wurden nicht mehr gebaut.
Zu Beginn des ersten Weltkriegs war die Feste von der Goltz noch nicht fertiggestellt. Während des Krieges war sie nicht in Kampfhandlungen involviert, und der Kriegsverlauf hatte zur Folge, dass die Bauarbeiten 1916 endgültig eingestellt wurden.
Im zweiten Weltkrieg nutzen die Deutschen die Feste zur Munitionslagerung. Im September 1944 beschoss ein amerikanischer Jagdbomber einige LKWs im Werkshof von Mercy, die Torpedosprengköpfe geladen hatten; die resultierende Explosion erfasste auch das Werksinnere und brachte 1500 weitere Sprengköpfe zur Explosion, die dort im Untergeschoss gelagert waren. Mercy wurde dadurch völlig zerstört.
Im Rahmen der diesjährigen Frühjahrsexkursion nach Metz (Anmerkung: Die Exkursion fand 2016 statt) konnten wir einen Teil der Feste von der Goltz besuchen. Auch wenn die Ausmaße des Vandalismus im Inneren bedrückend sind, ist ein solcher Besuch ein grandioses Erlebnis. Alleine die Kraftstation ist einzigartig, vor allem wenn man sie mit ihrer restaurierten „Schwester“ in der Feste Kaiser Wilhelm in Mutzig vergleicht (siehe Fotos).
Dass wir nur einen Teil der Anlage begehen konnten, war zum einen dem Umstand geschuldet, dass wir sehr viel Zeit in der Kraftstation verbrachten, zum anderen der Tatsache, dass das Vorwärtskommen in den unterirdischen Galerien sehr beschwerlich ist: Um an das Kupfer der links und rechts der Gänge verlaufenden Kabel zu kommen, haben Rohstoffplünderer die Kabel herausgerissen, die Stahlummantelung entfernt und letztere einfach in den Gängen liegen gelassen, wo sie teilweise sehr voluminöse Haufen bilden, die aufgrund ihrer spiralfederähnlichen Konsistenz äußerst schwierig zu überwinden sind. Unter Idealbedingungen würde man einen Kilometer Galerie in ca. 15 Minuten zurücklegen; hier muss man durchaus mindestens die doppelte Zeit einplanen.
Die Feste von der Goltz (oder seit 1919 Groupe fortifié de la Marne) ist heute immer noch in Militärbesitz, was sie bisher leider nicht vor Vandalismus und Zerstörung geschützt hat.
Als eine der modernsten Festungsanlagen ihrer Zeit hätte sie es verdient, bewahrt, restauriert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden.
Plan der Feste:
B Stützpunkt Mercy
C Stützpunkt Jury
2 Kraftstation
3 Beobachtungsglocken
4 Artilleriebeobachter
Panzertür in einer der Galerien:
In der Galerie; man beachte die fehlenden Kabel links und rechts und die Ummantelungsreste auf dem Boden:
Artilleriebeobachter:
In einer der Panzerbatterien:
Schalttafel in der Kraftstation, zerstört und geplündert:
Hier im Vergleich dazu die Feste Kaiser Wilhelm:
Eine der Generatorenhallen:
Und wieder zum Vergleich die Feste Kaiser Wilhelm:
Steckdose mit Schraubkappe:
Waschbecken in der Kraftstation:
Auch hierfür habe ich ein Pendant aus der Feste Kaiser Wilhelm in meinem Foto-Fundus:
Was mich bei der Kraftstelle der Feste von der Goltz besonders begeistert hat, ist folgendes Detail:
Man findet diese königsblaue Kachelreihe überall, auch bei den Sockeln der Generatoren:
Öltank in der Kraftstation:
Infanteriestellung des Stützpunkts Ars-Laquenexy:
Abschließend sei noch auf den mehrseitigen Bericht über die Feste von der Goltz von Jean-Paul Delacruz auf seiner (französischen) Derelicta-Website hingewiesen. Die begleitenden Fotos sind sensationell und vermitteln einen erheblich besseren Eindruck der Anlage als es meine je könnten.