Dienstag, 30. März 2021

Die Fuerte Illetas auf Mallorca

Festungen gibt es ja grundsätzlich auch in Gegenden, wo man sie zu allerletzt erwarten würde, so auch auf der Deutschen liebster Ferieninsel Mallorca. Dort gibt es sogar mehrere Forts und Batterien; eine dieser Anlagen möchte ich in meinem heutigen Blogbeitrag beschreiben: Die Fuerte Illetas.

Wer meine Website www.tavannes.de schon länger verfolgt, denkt sich jetzt möglicherweise: Hat er darüber nicht schon mal geschrieben? Ja, hat er, und zwar zu der Zeit, als dieser Blog noch auf Facebook lief. Leider ist der Beitrag aber meiner Löschung des dortigen Accounts zum Opfer gefallen, deshalb die Wiederholung.

Das Fort ist mit dem Auto relativ einfach zu erreichen. Am Ende einer Sackgasse versperrt ein zweiflügliges Stahltor die Weiterfahrt; ein Schild warnt vor Gefahr:

Zu Fuß lässt sich das Hindernis leicht umgehen; folgt man dem Weg hinter dem Stahltor in das Wäldchen hinein, gelangt man bald zur Festung.

Zunächst ein paar Worte zu Geschichte und Aufbau. Fuerte Illetas sollte zusammen mit einem zweiten Fort am Cap Enderrocat (heute ein Hotel der gehobeneren Preisklasse) den Hafen von Palma schützen. Die Planung des Forts begann 1895, Baubeginn war 1897, und die offizielle Übergabe an das Militär erfolgte 1904. Das Werk war zu diesem Zeitpunkt bereits veraltet und verlor, nicht zuletzt durch den Bau modernerer Küstenbatterien auf der Insel, bis zum 2. Weltkrieg stark an Bedeutung. Ab 1940 diente es als Militärgefängnis und wurde in den 90er Jahren vom Militär aufgegeben. Seitdem ist es verlassen und verfällt.

Das Fort hat einen trapezförmigen Grundriss und ist von einem Graben umgeben, der durch 3 Doppelkaponnieren und eine zweistöckige Kehlgrabenstreiche geschützt ist:


Die Angaben über die Bewaffnung des Forts sind verworren: 
  • Eine königliche Order vom Mai 1896 sah folgende Bewaffnung vor:
    • zwei 21cm Geschütze CHE (Cañón de Hierro Entubado = Kanone mit eisernem Rohr), 
    • zwei 15cm Ordóñez-Geschütze CHE,
    • vier 30,5cm Díaz Ordóñez Haubitzen OHS (Obús de Hierro Sunchado = mit Eisenringen verstärkte Haubitze) Modell 1891 und
    • acht Schnellfeuergeschütze unbekannter Bauart
        Die 30,5cm Díaz Ordóñez Haubitze Modell 1891:


  • Für das Kriegsjahr 1916 wird folgende Bewaffnung genannt: 
    • Vier stählerne 15cm Munaiz Argüelles Schnellfeuerkanonen 150/45 Modell 1900 (über dieses Modell liegen mir leider keine weiteren Informationen vor; möglicherweise eine fehlerhafte Bezeichnung) und 
    • sechs 15cm Ordóñez-Geschütze CHE Modell 1885, die später durch sechs 24cm Haubitzen OHS ersetzt werden sollten

  • Ein Rüstungsbericht vom 28. März 1923 beschreibt die gleiche Bewaffnung wie 1916, d.h. die Umrüstung von 15cm Ordóñez-Geschützen auf 24cm Haubitzen hatte noch nicht stattgefunden.

  • 1931 wird folgende Bewaffnung genannt:
    • Vier 15cm Munaiz Argüelles Schnellfeuerkanonen 150/45 Modell 1903 (nicht 1900!) und
    • sechs 15cm Ordóñez-Geschütze CHE Modell 1885

  • Die gleiche Artillerieausstattung wird auch zu Beginn des Spanischen Bürgerkriegs 1936 genannt, wobei die sechs Ordóñez-Geschütze als "nutzlos" bezeichnet werden.

  • 1940 sollten die vier Munaiz Argüelles Schnellfeuerkanonen in die Batterie Foradada verlegt werden, aber einer Studie des Generalstabs aus dem Jahr 1941 zufolge verfügte das Fort in diesem Jahr immer noch über zehn 15cm-Geschütze im Status "D" (montierte und feuerfähige Geschütze, jedoch ohne Feuerrichtung oder Hebezeuge). 

  • Ab 1941 wurde zumindest ein Teil der Geschütze demontiert und zu anderen Einsatzorten verschifft. Eine Bestandsaufnahme von 1947 gibt für die Fuerte Illetas als Bewaffnung nur noch 3 15cm Ordóñez-Geschütze CHE an.

  • Wieder einige Jahrzehnte später, Mitte der 1980er Jahre, verfügte das Fort nur noch über vier unbrauchbar gemachte Munaiz Argüelles 150/45 Schnellfeuergeschütze (1903), was der Bestandsaufnahme von 1947 widerspricht.
Insgesamt scheint es, als ob das Fort nie mit größeren Kalibern als 15cm ausgestattet gewesen wäre. Heute befinden sich auf dem Frontwall 7 Geschützstände, auf dem westlichen Flankenwall 2 weitere und in der Ecke zwischen Front- und Flankenwall noch einmal einer. Auf den 4 östlichen Geschützständen sind noch die charakteristischen Pivots für Munaiz Argüelles 150/45 Schnellfeuergeschütze (1903) vorhanden, auf den restlichen 6 findet man nur noch die kreisförmig angeordneten Befestigungsbolzen für die Pivotplatten der 15cm Ordóñez-Geschütze Modell 1885.

Hier eine Darstellung eines 15cm Munaiz Argüelles 150/45 Schnellfeuergeschützes (1903):

Und das 15cm Ordóñez-Geschütz Modell 1885; unten links angeschnitten die charakteristische Pivotplatte:

Hier das Geschütz im Querschnitt; die Pivotplatte ist gut zu erkennen:

Der Geschützlauf:


Weiter mit der Werksbeschreibung:

Unterhalb des Artilleriewalls gibt es mindestens 2 weitere Ebenen: Die ebenerdige Hofebene und eine zweite Hofebene mit umfangreichen Räumlichkeiten unterhalb des Niveaus der ersten.

Bemerkenswert sind vor allem die Unterkunftsgebäude im „tiefergelegten“ Hof.

Die nachfolgenden Foto-Impressionen stammen von einem Besuch im Jahre 2012. Schon damals war das Fort ziemlich verfallen und vandalisiert, und die Vegetation hatte es deutlich wieder in Besitz genommen. Wie das Fort heute aussieht, wage ich mir gar nicht vorzustellen. Das eingangs erwähnte Gefahren-Warnschild hatte damals schon seine Berechtigung und heute vermutlich umso mehr.

Das erste, was sich einem offenbart, ist der östliche Graben mit doppelstöckiger Kaponniere (das obere Stockwerk zum Bestreichen der Eingangsbrücke, das untere zur Grabenflankierung):




Der Eingang:

Ansicht vom Fortinneren aus:

Im Inneren der Kaponniere:




Einige Impressionen der oberen Hofebene und ihrer Räume:






Die Bettungen für die 15cm Munaiz Argüelles 150/45 Schnellfeuergeschütze mit den charakteristischen Pivots:



Hinter dieser Klappe endet der Munitionsaufzug:


Gestell für 5 Granaten:





Der oben erwähnte Munitionsaufzug:


Im Militärmuseum San Carlos in Palma de Mallorca befindet sich ein restaurierter Munitionsaufzug, der zur Verdeutlichung der Funktionsweise mit Munition bestückt ist:


Weiter geht es mit einer Geschützbettung für die 15cm Ordóñez-Geschütze. Sie ist deutlich kleiner als die Bettungen der 15cm Munaiz Argüelles 150/45 Schnellfeuergeschütze; man erkennt zwei der Befestigungsbolzen für die Pivot-Platte:


Gang zur südlichen Doppelkaponniere:


Im Inneren der Doppelkaponniere. Vandalismus, Müll und Wandbeschmierungen hatten im gesamten Fort schon damals einen schlimmen Umfang:


Dieser Feuerleitstand auf dem südlichen Artilleriewall stammt aus der Zeit des 2. Weltkriegs:


Im Inneren ist er leider total vandalisiert:


Während des aktiven Betriebs muss der Blick aufs Meer atemberaubend gewesen sein:


Blick entlang der oberen Hofebene zum Eingangsgebäude:


Weitere Impressionen der oberen Hofebene:






Und nun die untere Hofebene; als erstes die in einer 180-Grad-Kurve verlaufende Rampe hinunter in den westlichen Hof :


Die Räume entlang dieses Hofs sind eher unspektakulär ...


... bis auf diesen hier. Worum es sich handelt, darüber habe ich noch keinen Anhaltspunkt gefunden; vermutlich irgendeine Art von Presse:


Im östlichen Hof befinden sich die Unterkunftsgebäude:



Fazit: Die Fuerte Illetas ist ein sehr gut erhaltenes und interessantes Werk, das auf jeden Fall einen Besuch wert ist. Es ist allerdings zu befürchten, dass der Vandalismus heutzutage noch stärkere Ausmaße angenommen hat und dass auch die Natur das Werk noch umfangreicher zurückerobert hat.

Montag, 29. März 2021

Offtopic - Brustschild für Eierhandgranate 17

Wenn man sich mit französischen Festungen befasst, die im ersten Weltkrieg in Kämpfe involviert waren, stößt man bei seinen Begehungen früher oder später auf so etwas:


Das erste Foto zeigt eine französische Grenade CF ("Citron Foug"), das zweite eine ebenfalls französische Grenade F1, beide mit abgeschertem Zünder, aber ansonsten intakt (es versteht sich von selbst, dass man derart gefährliche Funde unangetastet lässt!).

Nach dem Motto "Kenne Deinen Feind" habe ich mich daher schon früh mit den im ersten Weltkrieg eingesetzten Handgranaten befasst. Was ich damals nicht erwartet hatte, war die ungeheure Vielzahl an Modellen und Kuriositäten, auf die ich stieß, und selbst heute noch entdecke ich immer wieder Neues.

Auch die deutsche Eierhandgranate 17 war unlängst für eine Überraschung gut. Es gab sie prinzipiell in einer Version ohne Splitterring ("a.A." = alte Art) und - wie unten gezeigt - einer mit Splitterring ("n.A." = neue Art), beide mit den unterschiedlichsten Zündern:

Die mittlere Granate ist mit einem Brennzünder 15 versehen, einem Reibzünder. Man riss mit einer kräftigen Bewegung den Reißdraht heraus, wodurch der Verzögerungssatz gezündet wurde; die Granate musste natürlich sofort geworfen werden.

Zum Ziehen des Reißdrahts bekam der Soldat ursprünglich eine Lederschlaufe mit Karabinerhaken, es gab aber auch andere Vorrichtungen.

Bei einem online Auktionshaus stieß ich vor einiger Zeit auf dieses seltene Objekt:


Es handelt sich um einen Brustschild (Abreißplatte) zum Zünden von Granaten mit Brennzünder 15. Er wurde mit Ledergurten vor der Brust getragen; der diagonale Haken diente zum Ziehen des Reißdrahts.  

In einem Lehrfilm von 1918 mit dem Titel "Der Infanterie-Nahkampf" (online verfügbar über das Bundesarchiv) gibt es ab Minute 13:03 eine Sequenz, die die Handhabung zeigt.

Der oben gezeigte Brustschild ist mittlerweile in meinem Besitz:

(Die Handgranate ist natürlich komplett delaboriert.)

Nachtrag 08.08.21: Mehr zum Brustschild gibt es hier.