Sonntag, 7. Juli 2019

Die Forte di Beano


Im Juni konnte ich einen Aufenthalt im Friaul nutzen, um mir einige der Festungen rund um die Stadt Udine anzusehen.
Das Friaul war bis zum Ende des 1. Weltkriegs immer eine Grenzregion, die teilweise unter österreichisch-ungarischer Herrschaft stand.
Zum Schutz vor einer Invasion durch feindliche Kräfte wurden daher drei Festungssektoren eingerichtet: Unterer Tagliamento, Mittlerer Tagliamento und Oberer Tagliamento.
Im nachfolgenden Blogbeitrag möchte ich die Forte di Beano bei Codroipo vorstellen. Sie gehörte zum Sektor Unterer Tagliamento und wurde zwischen 1909 und 1910 erbaut. Von den anderen Festungen im Friaul unterscheidet sie sich vor allem durch ihre Bewaffnung: Sie verfügte über sechs 149mm Geschütze in Panzerkuppeln vom Typ S, außerdem vier 75mm Geschütze und vier Maschinengewehre.
Bereits 1915 wurde die Forte di Beano allerdings wieder entwaffnet, da die Geschütze im Feld benötigt wurden; dieses Schicksal teilt sie mit etlichen anderen Werken der Region. Entsprechend war sie im weiteren Verlauf des Krieges in keinerlei Kampfhandlungen involviert. Nach dem Krieg diente sie als Munitionslager und war bis 1990 in militärischem Gebrauch, was ihren hervorragenden Erhaltungszustand erklärt. Sie wurde dann an die Gemeinde Codroipo übergeben, die sich allerdings nicht um sie kümmerte, woraufhin sie mehr als zwei Jahrzehnte lang von der Vegetation überwuchert wurde. Viele Bilder, die man im Internet von Begehungen der Festung findet, stammen aus dieser Zeit. Hier eine Aufnahme von Google Maps, die das Fort in seinem damaligen Zustand zeigt:


2014 begannen Freiwillige der ANA (Associazione Nazionale Alpini), Sektion Udine, Gruppe Codroipo, damit, die Festung aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken. In über 6000 Arbeitsstunden wurde die Vegetation entfernt, die Zugangsbrücke erneuert, ein neuer Zaun um die Anlage gezogen und eine beträchtliche Menge Asbest entsorgt, das zur Abdeckung der leeren Geschützbrunnen verwendet worden war.
Im April 2019 war die Arbeit beendet, und bei meinem Besuch fand ich die Festung in einem bemerkenswert guten Zustand vor. Man kann den Einsatz der Alpini gar nicht hoch genug schätzen!
Im Gegensatz zu früheren Jahren, als die Festung noch im Dickicht lag, lässt sie sich heute natürlich nicht mehr frei besichtigen. Im Vorfeld meines Besuchs wandte ich mich daher an die Alpini, die mir nicht nur schnell und unbürokratisch eine Besichtigung ermöglichten, sondern mir einen äußerst kompetenten deutschsprachigen Führer zur Seite stellten und mich mit beträchtlichem Informationsmaterial versorgten. Vielen Dank an dieser Stelle für den tollen Support!
Nun zu den Bildern. Das erste zeigt einen Plan der Anlage. Es handelt sich um ein einstöckiges Gebäude mit 3 Eingängen und zwei weiteren an den Enden, das von einem (zum Zeitpunkt meines Besuchs trockenen) Wassergraben umgeben ist, unten im Plan braun eingezeichnet.


Legende:
1 = Nasser Graben mit Brücke
2 = Haupteingang
3 = Zentraler Korridor
4 = Aufgänge zu den Geschützbrunnen
5 = Pulverkammern
6 = „Riservette“ (Munitionslagerräume)
7 = Sanitärbereich
8 = Unterkünfte

Im Inneren erschließt ein Korridor, der über die gesamte Länge des Gebäudes verläuft, alle Einrichtungen. Charakteristisch sind die 3 Paare an Geschütztürmen mit V-förmig angeordneten Treppenaufgängen. An beiden Längsenden der Festung gibt es jeweils eine Treppe, über die man auf das Dach gelangt.
Ein nasser Graben ermöglicht natürlich keine Nahverteidigungselemente wie z.B. Grabenkoffer oder Kaponnieren, aber auch sonst finden sich beispielsweise keine baulichen Elemente zum flankierenden Schutz der Eingänge. Entsprechende Scharten an den beiden Gebäudevorsprüngen links und rechts fehlen. Leider ist es mir noch nicht gelungen, herauszufinden, wie die Nahverteidigung ursprünglich konzipiert war; sollte unter den Lesern dieses Blogs jemand über entsprechende Informationen verfügen, wäre ich dankbar, wenn er sie mit mir teilen würde.

Hier nun eine Gesamtansicht der Forte – eine erstaunlich lange Anlage!


Eine Teilansicht des Forts:


Die aus Eisenbahnschwellen wiederhergestellte Brücke über den ehemals nassen Graben:


Das nächste Foto zeigt den Korridor in seiner Gesamtlänge, aufgenommen von einem Fenster am Längsende:


Hier der Unterbau eines Geschützkuppel-Paares; die V-förmig angeordneten Treppenaufgänge sind heute leider alle vermauert. Die beiden Räume zwischen den Treppenaufgängen sind sogenannte „Riservette“, also Munitionslagerräume für die Geschütze.


Die Toiletten:


Aufgang aufs Dach. Bei den metallene Elementen handelt es sich um Blitzableiter aus der Zeit, als die Festung als Munitionslager diente.


Als nächstes zwei Geschützbrunnen; beim ersten ist das Holzgerüst zur Abdeckung, das ursprünglich mit Asbest verkleidet war, noch vorhanden, beim zweiten ist es entfernt.




Ein Blick auf die Barackengebäude. Das rechte, vor dem die beiden Autos parken, stammt noch aus der Erbauungszeit der Festung.


Zum Schluss noch etwas ganz Besonderes. Das Barackengebäude ganz rechts ist über und über bedeckt mit Graffitis der Soldaten, die hier gedient hatten; sie haben ihre Botschaften in die Ziegelsteine hineingekratzt. Hier ein Beispiel:


Die älteste Jahreszahl, die ich spontan finden konnte, war 1910. 

Zum Schluss noch eine Warnung an zukünftige Besucher: Im Hochsommer bei Temperaturen jenseits der 30° alte Festungen zu besuchen ist anstrengend genug. Was aber den Besuch der Forte di Beano zusätzlich ganz besonders unangenehm machte, waren die Myriaden von Stechmücken, die uns zusetzten. Obwohl uns unser Begleiter dankenswerterweise mit Mückenspray einnebelte, war ich nach dem Besuch über und über mit Stichen bedeckt. Idealerweise schaut man sich die Festung also eher in der kälteren Jahreshälfte an ...