Sonntag, 25. Juni 2023

Ergänzung zu den Loch Ewe Reiseberichten

Der primäre militärhistorische Fokus meines diesjährigen Sommerurlaubs lag zwar (wie zu erwarten) auf der weiteren Erforschung der Ru Con Battery, aber natürlich nutzte ich den Aufenthalt in Wester Ross auch dazu, andere Objekte mit militärischem Hintergrund zu fotografieren.

Das begann schon während der Anreise, die uns von Inverness aus über Achnasheen nach Gairloch führte.

Dass es im 2. Weltkrieg in Achnasheen einen Checkpoint gab, hatte ich bereits erwähnt; hier nun ein Foto davon:

Der Checkpoint befand sich im linken, holzverkleideten Gebäudeteil, der bezeichnenderweise heute "Old Checkpoint" heißt.

Nächste Station: Kinlochewe. Hier  gibt es an der A896 ein Gebäude mit markantem grün-gelben Anstrich:

Dieses Gebäude hat einen militärischen Hintergrund: Im 1. Weltkrieg diente es als Schießanlage. Nach dem Krieg überließ es das Militär der Gemeinde als Gemeindehalle; diese Funktion erfüllte es 6 Jahrzehnte lang, bis eine neue Gemeindehalle in der Nähe gebaut wurde. Ab 2018 beherbergte das Gebäude dann ein Lokal, den "Gorse Bush", wo man exzellent essen konnte. Leider ist der Gorse Bush mittlerweile wieder geschlossen, und das Gebäude steht leer.

Weiter nach Gairloch. Dass das Gairloch Museum ein ehemaliger atombombensicherer Bunker aus dem kalten Krieg ist, der als „Anti-Aircraft Operations Room (AAOR)“ diente, also zur Koordination der Luftabwehr im Verteidigungsabschnitt Loch Ewe, hatte ich bereits beschrieben. Hier nun eine Außenaufnahme, an der man den Bunkercharakter deutlich erkennt:

Das Logo des Am Bard Cafés im 1. Stock trägt der ehemaligen militärischen Funktion Rechnung:

Die ehemaligen militärischen Wasserversorgungseinrichtungen in Naast konnte ich diesmal auch besser fotografieren (2022 gelang mir nur ein Schnappschuss des Stauwehrs aus dem fahrenden Auto heraus).

Hier zwei Bilder der Pumpstation:


Leider hatte ich keine Möglichkeit, bis zu den Gebäuden vorzudringen, um einen Blick hinein zu werfen. Hier noch einmal das Stauwehr:

Naast ist auf jeden Fall einen weiteren Besuch wert: In einem Bericht vom 22. August 1915 weist Admiral Lowry (Admiral commanding Coast of Scotland) auf die gute Frischwasserversorgung von Loch Ewe hin und erwähnt einen Frischwassertank mit 70 Tonnen Fassungsvermögen. Wo sich dieser Tank befunden haben soll, konnte ich leider noch nicht herausfinden, aber es wäre interessant, zu überprüfen, ob es sich dabei um die Tankreste handeln könnte, die angeblich in einem Wäldchen bei Naast zu finden sind.

Ich konnte diesmal auch ein besseres Foto von Gruinard Island, der Anthrax-Insel machen, und zwar von Laide aus:

Last but not least versuchte ich auf dem Heimweg noch, mit Hilfe meiner GoPro Dashcam den Bunker am Hang über Loch Garve abzulichten, aber das gelang leider nicht - die Vegetation war zu dicht.

Über Loch Ewe wird es nun eine Zeit lang keinen Beitrag mehr geben. Bis ich alle neuen Materialien über die Ru Con Battery (Begehungsergebnisse, Fotos, Luftbilder und neue Dokumente aus dem Britischen Nationalarchiv) ausgewertet habe, werden vermutlich Monate vergehen. Ich werde zu gegebener Zeit berichten, dann natürlich auf Englisch.

Übersicht der siebenteiligen Berichtsreihe über Loch Ewe inklusive Teaser / Overview of the five-part series of reports on Loch Ewe including teaser:

Teaser (Deutsch)

Loch Ewe, erster Teil (Deutsch)

Loch Ewe, zweiter Teil: Das Ostufer (Deutsch)

Loch Ewe, Teil 3: Westufer und Gruinard Bay (Deutsch)

Loch Ewe in the Great War (English)

Ru Con Battery (English)

Teaser: News from Ru Con Battery (English)

Ergänzung zu den Loch Ewe Reiseberichten (Deutsch)

Mittwoch, 21. Juni 2023

Teaser: News from Ru Con Battery

 

A few days ago I returned from Scotland, where I was able to do an extensive field survey of the Rubh' a' Choin peninsula; the goal was of course to find more remains of the WWI coastal battery. 

Unfortunately it will take some time to evaluate the extensive material, but of course I will publish the results here.

Be curious!


Übersicht der siebenteiligen Berichtsreihe über Loch Ewe inklusive Teaser / Overview of the five-part series of reports on Loch Ewe including teaser:

Teaser (Deutsch)

Loch Ewe, erster Teil (Deutsch)

Loch Ewe, zweiter Teil: Das Ostufer (Deutsch)

Loch Ewe, Teil 3: Westufer und Gruinard Bay (Deutsch)

Loch Ewe in the Great War (English)

Ru Con Battery (English)

Teaser: News from Ru Con Battery (English)

Ergänzung zu den Loch Ewe Reiseberichten (Deutsch)

Donnerstag, 11. Mai 2023

Und wieder einmal Zwischenwerk 6 ...

Zwischenzeitlich habe ich mich erneut mit dem Zufahrtsdamm von Zwischenwerk 6 befasst. Im Inventarisierungsdossier der Interalliierten Militär-Kontrollkommission (1927) habe ich zwei interessante Details gefunden, die endlich einige bisher offen gebliebene Fragen beantworten konnten.

Das erste Detail zeigt dieser Planausschnitt des Kehldamms:


Der Kehldamm war offensichtlich ein einfacher aufgeschütteter Damm ohne Betonelemente. Die Betontrümmer, die heute eine Ausstülpung am südlichen Rand des Damms bilden, stammen mit ziemlicher Sicherheit von der Kaserne im Zwischenwerk. Ich habe mir die Kaserne vor Ort noch einmal genauer angesehen, und mir ist aufgefallen, dass es 3 Trümmerstadien des Kasernenbaus gibt: 
  • Am nördlichen Ende, wo sich die Latrine befand, ist nicht nur die Betondecke in Trümmern erhalten, sondern auch signifikante Reste des Ziegelmauerwerks
  • Am südlichen Ende, wo sich die Küche befand, finden sich fast nur noch Betontrümmer und keine Reste des Ziegelmauerwerks
  • In der Mitte, wo die Eingangsverteidigung lag, gibt es kaum Betontrümmer und keine Ziegel:

Dazu folgende Hypothese: Das Werk ist offenbar nach der Sprengung zur Baumaterialgewinnung ausgeschlachtet worden. Im Süd- und Mittelteil wurden zunächst alle Ziegel abtransportiert, die erreichbar waren, ohne Betontrümmer zu entfernen. Anschließend begann man, die Betontrümmer im Mittelteil zu entfernen und transportierte die darunter befindlichen Ziegelsteine ab. Der Betontrümmer entledigte man sich, indem man sie einfach vom Damm aus in den Graben warf. Diese Arbeiten wurden abgebrochen, bevor man den Nordteil des Werks erreichte.
Vielleicht entdecke ich eines Tages Unterlagen, die diese Hypothese entweder unterstützen oder widerlegen; im Augenblick habe ich jedenfalls keine bessere Erklärung für die Befunde vor Ort.

Das zweite Detail betrifft das "Barrierentor mit Palisadierung an den Böschungen" - diesen Ausdruck hatte ich in anderen Unterlagen gefunden und konnte ihn mir lange nicht erklären. Auf dem Planausschnitt des Zufahrtsdamms ist das Tor eingezeichnet (roter Pfeil):


Dazu gibt es in den Unterlagen eine kleine Abbildung:


Es handelte sich also um ein ganz schlichtes Holztor mit anschließenden Stacheldrahtzäunen, die die Böschungen hinunter bis ins Wasser gingen.

So sieht der Damm an dieser Stelle heute aus (Blickrichtung Zwischenwerk):


Die folgende Montage soll einen Eindruck vermitteln, wie das Tor seinerzeit aussah:


Auch über die Abwasserentsorgung des Zwischenwerks gibt es neue Erkenntnisse; darüber werde ich separat berichten.

Sonntag, 26. Februar 2023

Die Armierungsstellung Germersheim

Als ich Anfang der 1980er Jahre begann, mich mit dem Festungsbau zwischen (damals noch) 1871 und 1918 zu beschäftigen, war das ein eher „exotisches“ Thema – es gab nicht viele, die meine Leidenschaft teilten, es gab nicht viel Literatur darüber und es gab noch keine digitalen sozialen Netzwerke, die mir geholfen hätten, mich mit Gleichgesinnten auszutauschen. 

Sich Erkenntnisse über die Festungen zu verschaffen, war lange Jahre anstrengend und zeitintensiv, aber auch ungemein faszinierend und motivierend. 

Heute, 40 Jahr später, sind die Festungen in meinem Scope geradezu Mainstream geworden. Es gibt einschlägige Internet-Foren, soziale Netzwerke wie Instagram und Facebook, und zu fast jeder Festung gibt es Internet-Seiten und / oder Printmedien - alles ist von irgendwem schon erkundet und dokumentiert worden. Viele der Festungen, die in den 1980ern noch fast unzugänglich waren, sind heute touristisch erschlossen. 

Festungen, die man sich erarbeiten muss, mit denen sich noch niemand beschäftigt und über die niemand geschrieben hat, sind selten geworden. Das Zwischenwerk „Station Manching“ bei Ingolstadt ist ein Beispiel dafür, die Batterie St. Peter und die Ru Con Battery in Schottland sind weitere.

Ja, und eben die Festung Germersheim, über die ich schon berichtet habe und um die es auch in diesem Blogbeitrag wieder geht.

Germersheim wurde bereits zwischen 1834 und 1861 befestigt und seither nicht mehr verstärkt oder ausgebaut; die Festung war daher schon vor dem ersten Weltkrieg so veraltet, dass mit ihrer Auflassung 1913 begonnen wurde. 1914, zu Beginn des Krieges, legte man in ca. 30 km Abstand um die Festung eine vorgezogene Armierungsstellung an, um wenigstens grundlegende Festungseigenschaften sicherzustellen. Um diese Armierungsstellung soll es heute gehen.

Sie begann im Norden bei Mechtersheim und verlief im Halbkreis über Schwegenheim, Weingarten, Bellheim, Hördt bis zum Hördter Auwald im Süden. Gemäß dem Entfestigungsdossier Germersheim der Interalliierten Militärkontrollkommission aus den 1920er Jahren bestand sie aus 64 Unterständen. 34 davon seien als Infanterieunterstände (wahrscheinlich Untertreträume) in Ziegelmauerwerk auf gewölbtem Wellblech ausgeführt gewesen, heißt es. 30 seien als Maschinengewehr-Unterstände beschuss-/bombensicher in Beton mit einem Meter Deckenstärke ausgeführt gewesen. 

Das Dossier spricht bei den 34 nicht-betonierten Unterständen von "wichtigen" Räumen; das impliziert, dass es auch "unwichtige" gegeben haben muss. Es ist davon auszugehen, dass diese Anlagen in passagerer Bauart ausgeführt waren, d.h. aus Holz bestanden.

Das Dossier erwähnt außerdem 6 „Puits“ (das französische  Wort für Schächte oder Brunnen) und 4 Munitionsunterstände.

Die folgende Karte ist im Ursprung von 1913; wann die Elemente der Armierungsstellung in rot in die Karte eingetragen wurden, ist unbekannt:


Wertet man die Einträge aus, kommt man auf folgende Zahlen:

  • 57 Infanterieräume
  • 37 Munitionsräume
  • 5 rückwärtig gelegene Munitionsdepots
  • 2 Einrichtungen unbekannter Zweckbestimmung

An einigen Stellen lässt sich im Bodenrelief nachweisen, dass es in Wirklichkeit sogar noch mehr Befestigungseinrichtungen gab. So sind beispielweise dort, wo sich laut Karte die beiden Munitionsräume M38 und M39 südlich der Ludwigsmühle zwischen Lustadt und Bellheim befinden, mindestens 3 Befestigungselemente zu sehen (*):


Auf Google Maps gibt es einige Fotos des Areals (die dort getroffene Zuordnung „Westwallbunker“ ist nicht korrekt).

Aus wie vielen Elementen die Armierungsstellung wirklich bestand, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Es waren mit Sicherheit wesentlich mehr als im Entfestigungsdossier genannt.

Im ersten Weltkrieg kam die Armierungsstellung nicht zum Einsatz und begann zu verfallen. Kurz nach dem Krieg wurde sie von der lokalen Bevölkerung weitgehend abgerissen, nachdem man ihr die freie Verfügung über das Material überlassen hatte. Heute ist nicht mehr viel von der Armierungsstellung zu sehen. Speziell in den landwirtschaftlich genutzten Gebieten ist sie komplett verschwunden, nur in bewaldeten Gebieten finden sich Reste.

Zurück zu der Karte der Armierungsstellung:

(1) kennzeichnet die Festung Germersheim.

Es fällt auf, dass es zwei der Armierungsstellung vorgelagerte Befestigungsteile gab:

(2) Im Südwesten am Gollenberg zwischen Knittelsheim und Rülzheim sind 3 Infanterie- und 2  Munitionsräume eingetragen
(3) Im Nordwesten am Schlossberg bei Weingarten sind zwei Infanterieräume eingetragen

Als ich 2021 begann, mich mit der Armierungsstellung zu befassen, interessierten mich diese beiden Stellen am meisten. Bei den Vorbereitungen meines Besuchs im August zeigt sich leider schnell, dass dort wohl nicht mehr viel zu sehen sein dürfte.

Hier das Bodenrelief des Schlossbergs bei Weingarten (*):


Das Gebiet der Infanteriepositionen wird heute landwirtschaftlich genutzt. Man erkennt einige verflachte Erhebungen; eine klare Zuordnung ist nicht möglich.

Ähnlich sieht es am Gollenberg aus (*):


Da ich  mir nicht vorstellen konnte, dass von den doch umfangreichen Befestigungselementen am Gollenberg wirklich gar nichts übriggeblieben sein sollte, beschloss ich, mir das vor Ort anzusehen.

Blick auf den Gollenberg von Knittelsheim aus:

Weg auf den Gollenberg, von Südwesten aus gesehen:

Entlang dieses Weges befanden sich die Infanterie- und Munitionsräume, wie auf der Karte zu erkennen ist:

Heute sind von diesen Einrichtungen nur noch links = nördlich des Weges Betontrümmer zu sehen:




Tiefer ins Gelände vorzudringen war aufgrund der extrem dichten Vegetation unmöglich:

Rechts = südlich des Weges wird Wein angebaut, dort ist nichts mehr zu sehen.

Anschließend machte ich noch ein Abstecher nach Bellheim. Dort gibt es am nördlichen Ortsrand ein Kriegerdenkmal, das 1934 auf den Resten eines gesprengten Bunkers der Armierungsstellung errichtet wurde. Die Karte sieht an dieser Stelle 4 Infanterieräume vor (J44 - J47):

Dass das Denkmal auf einem Bunker steht, ist vor Ort gut erkennbar. Das Bunkerdach ist in der Mitte eingebrochen; dort wurde die Gedenktafel positioniert.

Gesamtansicht:

Linke Hälfte des Bunkerdachs:

Rechte Hälfte des Bunkerdachs:

Gedenktafel:

Skulptur am Fuß des Kreuzes:

Rückansicht:

Auf dem Bodenrelief (*) ist das Denkmal mit (1) gekennzeichnet; (2) ist eine auffällige Struktur, die ebenfalls auf einen ehemaligen Bunker zurückzuführen sein könnte:

Vor Ort sieht diese Struktur so aus:

Ob es sich wirklich um das Dach eines ehemaligen Bunkers der Armierungsstellung handelt, ließ sich nicht herausfinden. Von den anderen Infanterieräumen ist nichts zu sehen.

Wenn ich mehr Zeit gehabt hätte, hätte ich mir noch die Reste der Munitionsräume M40 – M43 beim ehemaligen Jagdschloss Friedrichsbühl (Neuhaus) angesehen. Auf dem Bodenrelief (*) sind diese Reste - in der linken Bildhälfte zu sehen - recht vielversprechend:

Hier der Kartenausschnitt dazu:

Zu M42/43 gibt es Fotos auf Google Maps; auch hier wird der fotografierte Bunker fälschlich dem Westwall zugeordnet.

Übrigens zeigt sich auch an diesen M-Räumen, dass die Anzahl der Befestigungselemente (I- und M-Räume) in Realität erheblich höher gewesen sein muss als auf der Karte eingezeichnet: Statt lediglich 4 M-Räumen lassen sich auf dem Bodenrelief mindestens 7, wenn nicht mehr Bunkerelemente erkennen.

Abschließend eine Übersicht der anderen Beiträge zur Festung Germersheim:

 

(*) Die Bodenreliefdarstellungen entstammen dem vom Landesamt für Geologie und Bergbau Rheinland-Pfalz bereitgestellten Kartenviewer https://mapclient.lgb-rlp.de/

©LGB-RLP 2023, dl-de/by-2-0, www.lgb-rlp.de (Lizenztext siehe http://www.govdata.de/dl-de/by-2-0)

Die Reliefdarstellungen wurden zum Teil von mir in Form von Markierungen relevanter Objekte bearbeitet.






Freitag, 10. Februar 2023

Auf der Suche nach der Batterie St. Peter, 3. Teil

In Bezug auf die Halbinsel Eiderstedt bin ich eigentlich noch einen Bericht über eine weitere Festungsanlage bei Vollerwiek schuldig, aber ich habe kürzlich Unterlagen zur Batterie Sankt Peter bekommen, die mir endlich Hinweise darauf gegeben haben, wo die Batterie lag. Vollerwiek muss also leider noch ein wenig warten.

Bei besagten Unterlagen handelt es sich um ein Inventarisierungdossier und weitere Dokumente der Interalliierten Militärkontrollkommission aus dem Jahr 1927 in französischer und teilweise Englischer Sprache. Dieses Kontrollgremium der Siegermächte des ersten Weltkriegs überwachte die Einhaltung der Vorgaben des Versailler Friedensvertrags durch Deutschland; eine Unterkommission war für Befestigungen zuständig. Nachdem Deutschland 1926 dem Völkerbund beigetreten war, der ab diesem Zeitpunkt die Rüstungskontrolle übernahm, stellte die Interalliierte Militärkommission zum 1. Februar 1927 ihre Tätigkeit ein.

Die Dossiers zur Schleifung der Festungen entlang der Rheinlinie und zur Inventarisierung aller anderen Festungen sind bei den Vereinten Nationen archiviert und öffentlich einsehbar.
Die Kontrollkommission war sehr gründlich, und so findet sich im Archiv der UN auch das Inventarisierungdossier der Batterie Sankt Peter.
Laut diesem Dossier diente die Batterie entgegen meiner ursprünglichen Annahme tatsächlich zur Verteidigung von Hever und Eider. Sie war für 8 15cm-Geschütze ausgelegt; folgende wesentliche Elemente einer Batterie fehlten 1927 allerdings:
  • Kommunikationseinrichtungen (Erd- oder Freileitungen)
  • 2 mobile Scheinwerfer 110cm (Nummer 636049 auf Beleuchtungswagen Nr. 1489 und Nummer 686050 auf Beleuchtungswagen Nr. 740); diese waren genehmigt(*), aber zumindest zum Zeitpunkt des Besuchs offenbar nicht vor Ort
  • Gebäude wie z.B. Befehlsstelle, Kaserne, Magazine; ein Küstenrichtkreisstand, ein Nebenstand und ein Batterieoffizierstand waren genehmigt(*), aber anscheinend nicht gebaut worden
  • Eine Straßen- oder Feldbahnanbindung; es wird auf einen Trampelpfad zur Batterie verwiesen, der laut Dossier ausdrücklich nicht zur Versorgung der Batterie geeignet war
(*) „genehmigt“ = durch die Interalliierte Militärkontrollkommission genehmigt

Auch schienen keine Geschütze installiert gewesen zu sein. In einem Besuchsbericht aus dem Jahr 1924 habe ich folgende Passage gefunden (Übersetzung des französischen Texts):

Die Batterie St. Peter gehört zum unorganisierten Typ. Die 8 betonierten Geschützbettungen (das Einzige, was die Batterie ausmacht) sind alle an der Oberfläche rissig, was auf die prekäre Bauweise der Bettungen zurückzuführen ist. Am Tag vor dem Besuch wurde daran gearbeitet, diese Risse zu kaschieren und um die alte und die neue Oberfläche in Einklang zu bringen, wurde an einigen Stellen sehr flüssiger Zement wie Farbe mit einem Pinsel aufgetragen.

In einer Batterieliste vom Januar 1923 ist zu einer tabellarischen Übersicht der Sollausstattung der Batterie Sankt Peter mit Munition in roter Schrift „not allowed“ vermerkt; es wird auf ein Schreiben vom 23. Juni 1922 hingewiesen, das mir leider nicht vorliegt. An anderer Stelle ist die ganze Batterie als „not allowed“ markiert. Diese Verbote scheinen später wieder revidiert worden zu sein: In einem Dossier von 1927 über die Bewaffnung der Küstenbefestigungen werden für die Batterie Sankt Peter alle 8 15cm-Geschütze in einer Tabelle mit dem Titel 

LIST OF EQUIPMENT AUTHORISED FOR
A. GUN STORES & SPARE PARTS

aufgeführt; an anderer Stelle heißt es „Guns formerly under dispute“. Vielleicht entdecke ich ja im Fundus der UN weitere Unterlagen, die Klarheit darüber geben; ich habe bei weitem noch nicht alle Dokumente durchgearbeitet, die mir vorliegen, ganz zu schweigen von dem, was im Archiv der UN sonst noch zu finden ist.

Welche 15cm Geschütze waren nun für die Batterie vorgesehen? In mehreren Dossiers findet sich die Bezeichnung „15cm Torpedobootskanone L/45 auf Torpedobootslafette C/1916“. Im bereits erwähnten Dossier über die Bewaffnung der Küstenbefestigungen sind sogar die vorgesehenen Rohr- und Lafettennummern (beide nummerngleich) aufgeführt: 1417, 1420, 1419,1469, 1470, 1473, 1475 und 1476.

Viel ist es nicht, was ich bisher über diesen Geschütztyp in Erfahrung bringen konnte. Er wurde möglicherweise erst gegen Kriegsende eingeführt; man stattete Zerstörer, U-Boote und Torpedoboote damit aus – und eben Küstenbatterien. Ein Geschütz wog rund 4 Tonnen und war insgesamt 6,68m lang; das genaue Kaliber betrug 14,91cm. Es feuerte 45,3kg schwere Projektile mit einer Kadenz von 4-5 Schuss pro Minute maximal 14,5km weit. Das Geschütz war zuverlässig und leicht zu bedienen und wurde bis in den 2. Weltkrieg hinein eingesetzt.

Das nachfolgende Foto zeigt ein solches Geschütz auf dem U-Boot U-155 (Quelle: Wikimedia Commons):

Hier ein Foto des Großen Torpedoboots V116, nach dem Krieg als „Premuda“ in italienischen Diensten (Quelle: Wikimedia Commons); man erkennt gut die 15cm-Geschütze mit Schutzschild:

Auf dem folgenden Foto ist zwar keine 15cm-Torpedobootskanone zu sehen, aber ein spanisches 15cm Gonzales Rueda Geschütz Modell 1902 mit Schutzschild (aufgenommen in Palma de Mallorca). Ob die Geschütze der Batterie Sankt Peter Schutzschilde hatten oder nicht, ist unbekannt, aber das spanische Modell vermittelt zumindest einen Eindruck, wie eine Küstenbatterie zu Beginn des 20. Jahrhunderts aussah:

Jede Geschützbettung der Batterie Sankt Peter hatte eine Grundfläche von 3 x 3 Metern, war 1,40m tief in den Boden eingelassen und von einem Drahtzaun umgeben. Auf der Oberseite befand sich eine kreisförmige metallene Aufnahme mit 14 Verankerungsbolzen für die Pivotlafette:

Die Bettungen waren in 45 Metern Abstand gesetzt.

Zum Schluss nun zu der Frage, wo sich die Batterie befand. Die von Gosch angeführte Ortsangabe „südlich von Sankt Peter Ording“ hat mich bei meiner ersten Suche in eine völlig falsche Richtung geführt. Die Batterie lag definitiv nicht in der Gegend des heutigen Golfclubs bei Sankt-Peter-Ording-Böhl!
Auch auf den Karten der Alliierten war die Batterie zunächst falsch eingezeichnet; das Deutsche Auswärtige Amt hat die Position im April 1927 richtiggestellt.
Die Batterie befand sich laut Inventarisierungsdossier 300 Meter von der Straße zwischen Ort und Bad Sankt Peter entfernt auf sumpfigem Terrain, vom Meer aus hinter Dünen verborgen. Sie hatte keine Anbindung zu besagter Straße.

Auf der korrigierten Karte stellt sich das wie folgt dar (das Kreuz kennzeichnet die falsche Position, der blaue Kreis die richtige):

Wirklich klar ist die Position damit allerdings immer noch nicht, was der mangelnden Präzision der Karten im Dossier geschuldet ist sowie dem Umstand, dass die damaligen Straßenverläufe nur noch teilweise mit den heutigen übereinstimmen.

Am ehesten hilft die folgende Detailkarte, in der ich die Batterie mit einem blauen Pfeil markiert habe:

Recht eindeutig identifizieren lässt sich am rechten Rand die heutige Schulstraße, die im späteren Verlauf zum Neuweg wird und vom Dorf Sankt Peter in Richtung Brösum führt. Bei der Straße, die ungefähr von der Mitte des linken Planrands bis in die rechte untere Ecke des Plans verläuft, dürfte es sich um die heutige Badstraße handeln. Der Rest ist schwer zuzuordnen.

Der Digitale Atlas Nord bietet die Möglichkeit, die heutige Karte der Gegend mit einer historischen Karte aus der Zeit 1902-1930 zu überlagern. Das Ergebnis darf ich hier leider nicht zeigen, aber zumindest verlinken <klick>

Dieser Überlagerung nach scheint der damalige Trampelpfad, der an der Batterie vorbei führte, auf den ersten 200 Metern der heutigen Eiderstedter Straße zu entsprechen. Die Straße oberhalb der Batterie, die zum Strandbad Sankt Peter führte, entspricht der heutigen Straße „Ketelskoog“.

Die Batterie müsste somit nördlich des Fasanenwegs zwischen dem Wäldchen bei der Uitholm-Sporthalle und dem Sportplatz gelegen haben, allerdings ist diese Lokalisierung mit gewissen Unsicherheiten behaftet. 
Ich habe ein Luftbild von Sankt Peter Ording Dorf, das vermutlich in den 1960er Jahren aufgenommen wurde. Auf diesem Foto ist das fragliche Areal noch unbebaut (blauer Pfeil), aber leider kann man keine Strukturen erkennen, die auf die Batterie zurückgeführt werden können:

Auch im Luftbildmodus von Google Maps erkennt man nichts. Beim Digitalen Atlas Nord scheinen die Luftbildmodi gebührenpflichtig zu sein, und eine Bodenreliefdarstellung wie beim Bayernviewer gibt es auch nicht.

Bleibt also nur eine Spurensuche vor Ort, zumindest soweit das mutmaßliche Batterieareal überhaupt betreten werden darf. Ich werde dann berichten.

Zusammenfassung: Die Batterie Sankt Peter befand sich in einem heute dicht besiedelten Gebiet zwischen den Ortsteilen Sankt Peter Dorf und Bad. Es ist zu bezweifeln, dass sie je fertiggestellt bzw. in Dienst genommen wurde, da ihr offenbar außer den Geschützbettungen jegliche für eine Batterie notwendigen Funktionselemente fehlten.

Übersicht der Blogbeiträge zur Batterie St. Peter:


Sonntag, 29. Januar 2023

Update zum Zwischenwerk 1 Gerolfing

Dank eines Berichts der Interalliierten Militär-Kontrollkommission aus dem Jahr 1927 über die Festung Ingolstadt habe ich mittlerweile bessere Informationen über das Zwischenwerk 1 Gerolfing.
Hier zunächst der Werksplan vom Dezember 1891:

Die Kaserne war offenbar baugleich zu der des Zwischenwerks 6 Station Manching. Sie verfügte über 12 Kasematten:

  • Kasematte 1 (vom Eingang aus gesehen am linken Ende) war die Latrine
  • Kasematte 7 hatte Schießscharten und diente zur Eingangsverteidigung.
  • Kasematte 12 war offenbar die Küche; dort befand sich eine Wasserpumpe. Eine Zisterne gab es nicht, ebenso wenig spezielle Einrichtungen für Heizung, Beleuchtung und Lüftung

Die Nahverteidigung wurde außer über Kasematte 7 nur noch über die umlaufende Infanterielinie gewährleistet; übliche Nahverteidigungselemente wie z.B. Kaponnièren gab es nicht.
Der Bericht weist 5 Artilleriestellungen aus; laut Plan müssten es allerdings 7 gewesen sein. Eine Anschlussbatterie gab es nicht. Welche Art von Geschützen eingesetzt wurde, geht aus dem Bericht nicht hervor.
Einziges Kommunikationsmittel war eine Telefonleitung zum Fort Hartmann.

Nun zu den Schutzräumen:
Bis auf die beiden Wachttürme waren alle 3 Schutzräume baugleich. Es gab 3 Räume von ca. 9m x 2,50m, Höhe 2,20m. Der hofseitige Raum war über ein Tor zugänglich und diente offenbar der Unterbringung der Geschütze. Die beiden anderen Räume waren über einen eigenen Gang mit hofseitigem Zugang verbunden; der hintere war dreigeteilt und ich vermute, dass er zur Munitionslagerung diente. Der mittlere Raum dürfte für die Soldaten vorgesehen gewesen sein.

Nicht nur der südliche Schutzraum verfügte über einen Wachtturm 90, sondern auch der nördliche. Das Reliefbild des Bayernviewers lässt darauf schließen, dass auch vom Unterbau des Letzteren noch etwas übrig sein könnte – das wäre zu verifizieren. Die Verbindungsgänge zu den Wachttürmen waren ca. 12 Meter lang und ebenso wie die Unterbauten selbst betoniert.

Damit man sich besser vorstellen kann, wie ein solcher Schutzraum ausgesehen haben könnte, habe ich die Ansicht von der Hofseite farbig aufbereitet - ausdrücklich ohne den Anspruch zu erheben, dass er tatsächlich so aussah:

Inspiriert haben mich andere deutsche Festungsanlagen, z.B. Fort VIII in Manching:

Übersicht:

Die folgenden Beiträge meines Blogs befassen sich mit dem Zwischenwerk 1 Gerolfing: