Mittwoch, 23. Dezember 2020

Neues vom Zwischenwerk 6 "Station Manching"

Ein Jahr nach meinem letzten Besuch suchte ich das Zwischenwerk 6 gestern erneut auf, um die offenen Fragen vor Ort zu klären.

Als erstes suchte ich die auffällige Struktur außerhalb des nassen Grabens südwestlich des Werks. Das Reliefbild hatte ich bisher so interpretiert, dass auch diese Struktur von einem Graben umgeben sein müsste. Zunächst versuchte ich, mich vom Waldweg aus in südliche Richtung vorzuarbeiten in der Hoffnung, die im Reliefbild erkennbare Zugangsrampe zu erreichen. Das schier undurchdringliche stachelige Unterholz ließ mich allerdings auf halber Strecke aufgeben. Bedeutend einfacher ist, wie ich dann herausfand, der Weg über die große Wiese westlich der Struktur. Die Frage, wie ich an dieser Stelle den vermeintlichen Graben überwinden könnte, stellte sich erst gar nicht – bei der Struktur handelt es sich nämlich um ein ca. 0,5m hohes Plateau. Was ich im Reliefbild für einen Graben gehalten hatte, entpuppte sich vor Ort als Böschung des Plateaus und war leicht zu erklimmen:

Nachfolgend das gleiche Foto mit blau markiertem oberen Böschungsrand:

Das erste, was ich auf dem Plateau fand, waren die merkwürdigen Vertiefungen bei 48.73688 N, 11.52327 E. Es handelt sich um eindeutig künstlich angelegte Gräben, die eine Fläche von ca. 5 x 14 Metern bedecken. Ihr Zweck erschloss sich mir bisher nicht:

Nachfolgend ist die Oberkante der Grabenecke blau markiert:

Abgesehen von diesen Gräben ist das Plateau eben. Es ist als gerundetes Rechteck von ca. 45 x 22 Metern angelegt, und es gibt eine Rampe hinunter zum nassen Graben des Zwischenwerks.

Das völlige Fehlen von Wällen und Traversen spricht gegen eine beabsichtigte Nutzung als Anschlussbatterie (dazu wäre das Plateau auch viel zu klein), allerdings auch gegen meine ursprüngliche Annahme eines Infanteriewerks. Ohne Archivrecherche wird es wohl nicht möglich sein, dem Zweck des Plateaus auf die Spur zu kommen.

Als nächstes galt es, die Unregelmäßigkeit im Wall der Südwestflanke zu erkunden. Eine Ausfallpforte, wie ursprünglich angenommen, gibt es hier nicht, allerdings eine um ca. 0,5 Meter in die Wallkrone eingesenkte trapezförmige Plattform von ca. 25 m2 Größe. 


Ansicht von unten:


Spontan musste ich an eine Geschützplattform denken, was aber an dieser Stelle völlig unsinnig wäre. Wie im Reliefbild erkennbar, ist diese Plattform genau mit dem Plateau jenseits des Grabens gefluchtet. Aus den Befunden vor Ort ließ sich aber weder der Verwendungszweck der trapezförmigen Plattform herausfinden noch, ob sie ursprünglich überhaupt im Zusammenhang mit dem Plateau jenseits des Grabens stand.

Die Prinzipskizze dieses Werksteils habe ich nach den Erkenntnissen der gestrigen Exkursion aktualisiert:


Legende:     1 = Plateau
                    2 = Gräben
                    3 = Plattform in der Wallkrone

Zum Abschluss meines Besuchs beschloss ich, die Rückseite der gesprengten Kaserne abzulaufen, weil das Reliefbild hier eine auffällige gerade Linie zeigt. Der Südteil der Kaserne ist wirklich völlig zerstört; auch auf der Rückseite findet man nur titanische Sprengtrümmer:

Nach dem ersten Drittel der Kasernenflucht ändert sich dieses Bild aber völlig: Plötzlich steht man vor der intakten Ziegelrückwand der Kaserne samt Stampfbetondecke:


Das ist gleich in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Zum einen, weil ich eher davon ausgegangen wäre, eine Kasernenrückwand aus Beton vorzufinden (prinzipiell war die Kaserne ja nichts anderes als ein übergroßer Untertretraum). Zum anderen, weil die Erdabdeckung der Kaserne definitiv unvollständig ist – eine Rückwand, aus welchem Material auch immer, dürfte bei vollständiger Erdabdeckung überhaupt nicht sichtbar sein. Und zum Dritten ist der Befund bemerkenswert, weil sich der Explosionsdruck über weite Strecken offenbar in Richtung Kehlseite entladen hat, obwohl die Rückwand frei lag.

Auch in Höhe der nördlichen Kasematte – also dort, wo auf der Kehlseite noch ein Stück des Längsgangs erhalten gebelieben ist – ist die Rückwand noch intakt:

Hier der gleiche Trakt von der Kehlseite aus gesehen:

Bei meinem nächsten Besuch werde ich diesen Teil von oben in Augenschein nehmen, um herauszufinden, ob vielleicht ein Teil der Kasematte erhalten sein könnte.

Die Frage, warum die Rückwand der Kaserne nicht vollständig mit Erde abgedeckt ist, lässt sich ohne Archivrecherche nicht beantworten. Nach offiziellen Angaben war die Kaserne mit einem halben Meter Erde bedeckt und auf der Rückseite durch eine 5,16m starke Erdvorlage geschützt – was angesichts der Beobachtungen vor Ort allerdings bezweifelt werden muss. Da das gesamt Werk als Provisorium mit der Option eines späteren permanenten Ausbaus errichtet wurde, fehlt außer der Kaserne jegliche für ein permanentes Werk übliche Infrastruktur wie z.B. Untertret- und Munitionsräume. Möglicherweise war die Erdvorlage der Kasernenrückseite ebenfalls mit der Option auf eine spätere Fertigstellung unvollständig gelassen worden – das ist allerdings nur eine Hypothese, die zu verifizieren wäre.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen