Ein Jahr nach meinem letzten Besuch suchte ich das Zwischenwerk 6 gestern erneut auf, um die offenen Fragen vor Ort zu
klären.
Als erstes suchte ich die auffällige Struktur außerhalb des
nassen Grabens südwestlich des Werks. Das Reliefbild hatte ich bisher so
interpretiert, dass auch diese Struktur von einem Graben umgeben sein müsste.
Zunächst versuchte ich, mich vom Waldweg aus in südliche Richtung vorzuarbeiten
in der Hoffnung, die im Reliefbild erkennbare Zugangsrampe zu erreichen. Das
schier undurchdringliche stachelige Unterholz ließ mich allerdings auf halber Strecke
aufgeben. Bedeutend einfacher ist, wie ich dann herausfand, der Weg über die
große Wiese westlich der Struktur. Die Frage, wie ich an dieser Stelle den
vermeintlichen Graben überwinden könnte, stellte sich erst gar nicht – bei der Struktur
handelt es sich nämlich um ein ca. 0,5m hohes Plateau. Was ich im Reliefbild
für einen Graben gehalten hatte, entpuppte sich vor Ort als Böschung des
Plateaus und war leicht zu erklimmen:
Nachfolgend das gleiche Foto mit blau markiertem oberen Böschungsrand:
Das erste, was ich auf dem Plateau fand, waren die merkwürdigen
Vertiefungen bei 48.73688 N, 11.52327 E. Es handelt sich um eindeutig künstlich
angelegte Gräben, die eine Fläche von ca. 5 x 14 Metern bedecken. Ihr Zweck
erschloss sich mir bisher nicht:
Nachfolgend ist die Oberkante der Grabenecke blau markiert:
Abgesehen von diesen Gräben ist das Plateau eben. Es ist
als gerundetes Rechteck von ca. 45 x 22 Metern angelegt, und es gibt eine Rampe
hinunter zum nassen Graben des Zwischenwerks.
Das völlige Fehlen von Wällen und Traversen spricht gegen eine
beabsichtigte Nutzung als Anschlussbatterie (dazu wäre das Plateau auch viel zu
klein), allerdings auch gegen meine ursprüngliche Annahme eines
Infanteriewerks. Ohne Archivrecherche wird es wohl nicht möglich sein, dem
Zweck des Plateaus auf die Spur zu kommen.
Als nächstes galt es, die Unregelmäßigkeit im Wall der
Südwestflanke zu erkunden. Eine Ausfallpforte, wie ursprünglich angenommen,
gibt es hier nicht, allerdings eine um ca. 0,5 Meter in die Wallkrone
eingesenkte trapezförmige Plattform von ca. 25 m2 Größe.
Ansicht von unten:
Spontan
musste ich an eine Geschützplattform denken, was aber an dieser Stelle völlig
unsinnig wäre. Wie im Reliefbild erkennbar, ist diese Plattform genau mit dem
Plateau jenseits des Grabens gefluchtet. Aus den Befunden vor Ort ließ sich
aber weder der Verwendungszweck der trapezförmigen Plattform herausfinden noch,
ob sie ursprünglich überhaupt im Zusammenhang mit dem Plateau jenseits des
Grabens stand.
Die Prinzipskizze dieses Werksteils habe ich nach den Erkenntnissen der gestrigen Exkursion aktualisiert:
Legende: 1 = Plateau
2 = Gräben
3 = Plattform in der Wallkrone
Zum Abschluss meines Besuchs beschloss ich, die Rückseite
der gesprengten Kaserne abzulaufen, weil das Reliefbild hier eine auffällige
gerade Linie zeigt. Der Südteil der Kaserne ist wirklich völlig zerstört; auch
auf der Rückseite findet man nur titanische Sprengtrümmer:
Nach dem ersten
Drittel der Kasernenflucht ändert sich dieses Bild aber völlig: Plötzlich steht
man vor der intakten Ziegelrückwand der Kaserne samt Stampfbetondecke:
Das ist
gleich in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Zum einen, weil ich eher davon
ausgegangen wäre, eine Kasernenrückwand aus Beton vorzufinden (prinzipiell war
die Kaserne ja nichts anderes als ein übergroßer Untertretraum). Zum anderen,
weil die Erdabdeckung der Kaserne definitiv unvollständig ist – eine Rückwand,
aus welchem Material auch immer, dürfte bei vollständiger Erdabdeckung
überhaupt nicht sichtbar sein. Und zum Dritten ist der Befund bemerkenswert,
weil sich der Explosionsdruck über weite Strecken offenbar in Richtung
Kehlseite entladen hat, obwohl die Rückwand frei lag.
Auch in Höhe der nördlichen Kasematte – also dort, wo auf
der Kehlseite noch ein Stück des Längsgangs erhalten gebelieben ist – ist die
Rückwand noch intakt:
Hier der gleiche Trakt von der Kehlseite aus gesehen:
Bei meinem nächsten Besuch werde ich diesen Teil von oben
in Augenschein nehmen, um herauszufinden, ob vielleicht ein Teil der Kasematte
erhalten sein könnte.
Die Frage, warum die Rückwand der Kaserne nicht vollständig
mit Erde abgedeckt ist, lässt sich ohne Archivrecherche nicht beantworten. Nach
offiziellen Angaben war die Kaserne mit einem halben Meter Erde bedeckt und auf
der Rückseite durch eine 5,16m starke Erdvorlage geschützt – was angesichts der
Beobachtungen vor Ort allerdings bezweifelt werden muss. Da das gesamt Werk als
Provisorium mit der Option eines späteren permanenten Ausbaus errichtet wurde,
fehlt außer der Kaserne jegliche für ein permanentes Werk übliche Infrastruktur
wie z.B. Untertret- und Munitionsräume. Möglicherweise war die Erdvorlage der
Kasernenrückseite ebenfalls mit der Option auf eine spätere Fertigstellung
unvollständig gelassen worden – das ist allerdings nur eine Hypothese, die zu
verifizieren wäre.