Dienstag, 14. November 2023

Auf der Suche nach der Batterie St. Peter, 4. Teil: Die Batterie Vollerwiek

Im zweiten Bericht über meine Suche nach der Batterie St. Peter hatte ich die Überlegung angestellt, wo ich vor über 100 Jahren eine Batterie, die die Eidermündung schützen sollte, positioniert hätte. Die Antwort war die Gegend südlich des kleinen Ortes Vollerwiek.

Wie sich herausgestellt hatte, lag ich damit nicht falsch, auch wenn die Wahrheit sogar mehr als 200 Jahre in der Vergangenheit liegt.

Bereits um die Mitte des 18. Jahrhunderts gab es Pläne, an der Deichecke am Verlorenhörn südlich von Vollerwiek eine Batterie einzurichten: 

(C) OpenStreetMap-Mitwirkende; verfügbar unter der Lizenz Open Database

Auf die Karte „Zeichnung ein Stück des Teiches oder sogenanten Verlorn Hörn bey Vollerwick“ aus dem Jahr 1750 im Bestand der Königlich-Dänischen Bibliothek hatte ich im Zusammenhang mit der Hülker Schanze schon hingewiesen. Die Karte enthält auch ein interessantes Detail über das Verlorenhörn:

Der angedachte Batteriestandort ist mit "zur Defention bequeeme Stelle" gekennzeichnet - direkt an der Deichecke.

Die Königlich-Dänische Bibliothek hat auch Baupläne für diese Batterie, beispielsweise die geplante Kaserne:

... und das Pulvermagazin:

Es blieb allerdings bei der Planung; die Batterie wurde in dieser Form nie gebaut.

Ein halbes Jahrhundert später, in napoleonischer Zeit, wurde die Planung wieder aufgenommen mit dem Ziel, zum Schutz der Eider, zur Abwehr von Landungen feindlicher Truppen und später zur Überwachung der Quarantäne im Rahmen des Seuchenschutzes eine Batterie am Verlorenhörn zu errichten.  

Diese erste Batterie war relativ schlicht aufgebaut; nachfolgend ein Plan von 1801, von dem allerdings nicht klar ist, ob er wirklich so realisiert wurde. Als Bewaffnung waren 8 Kanonen vorgesehen:

(Der Plan stammt wie alle folgenden aus den Beständen der Königlich-Dänischen Bibliothek)

1804 sah die Batterie so aus:

Unterschiede zum Plan von 1801:

  • d kennzeichnet ein Munitionslager aus Holz mit Ziegeldach, das auf dem älteren Plan nicht zu sehen ist.
  • b ist ein bombensicheres Pulvermagazin mit vorgelagerter Traverse (c); im älteren Plan waren zwei solcher Magazine vorgesehen.
  • Die Batterie ist im Gegensatz zum älteren Plan mit einer Palisade umgeben.

Entweder 1804 oder 1805 wurde ein Ausbau der Batterie geplant. Ich habe etliche undatierte Pläne mit verschiedenen Planungsvarianten gefunden, von denen ich davon ausgehe, dass sie aus dieser Zeit stammen. Hier zwei Beispiele:


Die Grundform der existierenden Batterie wurde in den Plänen beibehalten. Beide Varianten sahen eine rückwärtige Sicherung mit umlaufendem Wall und Wassergraben vor. Auch konnten wesentlich mehr Geschütze aufgestellt werden.

Letztlich wurde aber keine dieser Varianten realisiert. Der folgende Bauplan kommt dem, was tatsächlich gebaut wurde, am nächsten. Einen rückwärtigen Wall gab es nicht, wohl aber einen Wassergraben:


Auf diesem Vermessungsplan von 1807 ist das Batteriegelände gekennzeichnet (der Plan spricht von einer "Schanze"; bei der Batterie handelte es sich in allen Ausbaustufen stets um ein reines Erdwerk):


Der nächste Plan zeigt den Ausbaustand von 1805 / 1806 und die Geschützbestückung von 1810:


Es waren insgesamt 26 Geschütze vorgesehen:
  • 8    18-Pfünder Batteriekanonen
  • 4      3-Pfünder Feldkanonen
  • 2  100-Pfünder Mörser
  • 8    10-Pfünder Mörser
  • 4      3-Pfünder Batteriekanonen
Auch der folgende Plan ist nicht datiert; aufgrund der zeichnerischen Ausführung gehe ich davon aus, dass es der jüngste Plan im Fundus der königlich-dänischen Bibliothek ist:


Ende 1813 erreichten die Napoleonischen Kriege Schleswig-Holstein. Schwedisch-Russische Truppen zogen nach der Leipziger Völkerschlacht nach Norden und verfolgten den Rückzug der dänischen, mit Napoleon verbündeten Truppen.
Kosaken des russischen Corps des General Tettenborn drangen am 10. Dezember in die Gegend um Vollerwiek vor und forderten am Morgen des 11. Dezembers die Übergabe der Batterie. Die Dänen lehnten das ab, woraufhin die Kosaken nach kurzer Belagerung am 14. Dezember mit einer Kanone, die aus Husum herangeschafft worden war, das Feuer eröffneten. Die Batteriebesatzung ergab sich daraufhin, und die Geschütze der Batterie - es ist von 30 Stück die Rede - wurden als Belagerungsgeschütze nach Glückstadt verbracht, wo sie am 23. Dezember eintrafen.

Nicht lange danach schleiften die Dänen die Batterie. Im ersten Schleswigschen Krieg 1848-1851 gab es Gedanken, wieder eine Batterie am Verlorenhörn zu errichten, das wurde aber nicht umgesetzt.

Reste der Batterie müssen noch recht lange sichtbar gewesen sein. Auf dem folgenden Kartenausschnitt der Königlich Preußischen Landesaufnahme 1878 (Karten, die 1878 bis 1880 durch topographische Feldaufnahmen erstellt wurden) sind sie noch deutlich erkennbar (rot markiert):


Übertragen auf eine moderne Karte sieht das so aus:

(C) OpenStreetMap-Mitwirkende; verfügbar unter der Lizenz Open Database

Heute ist an dieser Stelle nichts mehr zu sehen; einzig der Name "Batterie" für die Ecke ist geblieben.

Blick von Norden; vor 200 Jahren hätte man hier auf die Rampe geschaut, die zur Geschützplattform führte:

Hier war die Geschützplattform:

Blick auf das rückwärtige Batteriegelände:


Übersicht der Blogbeiträge zur Batterie St. Peter:


Montag, 13. November 2023

Update: L’énigme du fort de Tavannes / Das Rätsel von Fort de Tavannes

In meinem Post vom 21.04.2017 über den im Fort de Tavannes verunglückten amerikanischen Soldaten Gerald Dunnigan hatte ich über die Suche nach ihm berichtet, die vom 21. bis zum 26.April 1956 dauerte.

Zwischenzeitlich ist es mir gelungen, ein Foto dieser Suchaktion zu erwerben. Es zeigt eine Gruppe von amerikanischen Soldaten, von denen einige einen Kameraden in einen Schacht abseilen:

Augenscheinlich hat man - aus verständlichen Gründen - einen recht zierlichen Mann ausgewählt. Richard Kavanaugh (Dick's Story) erwähnt einen Freiwilligen mit dem Spitznahmen "Mouse", der als erstes in den Schacht hinabgelassen wurde; er schreibt: "Er war etwa 1,70 m groß und wog vielleicht 135 Pfund." In Armeeunterlagen habe ich den Hinweis gefunden, Specialist 3rd Class Orville Mortimore vom 97th Engineer Battalion sei der erste Mann im Schacht gewesen - er müsste also "Mouse" gewesen sein. Mouse trug bei der Aktion allerdings eine Gasmaske, kann also nicht der Mann auf dem Foto sein.

Was sonst noch auf dem Foto auffällt:

  • Die Abseilvorrichtung wirkt äußerst unprofessionell - das Sicherungsseil hat eine einfache geknotete Schlinge!
    Kavanaugh schreibt: "Am Montagabend ließen sie Mouse (er hatte sich freiwillig gemeldet) mit Seilen in einen Luftschacht hinab."
    Seinen eigenen Abstieg am 24. April, einen Tag später, beschreibt Kavanaugh so: "Neben dem Loch befand sich eine Trommel mit einer Kurbel an jedem Ende, um die das Seil gewickelt war, so dass sie mehr Hebelkraft hatten, um mich langsam herunterzulassen oder hochzuziehen. Sie stülpten mir eine Gasmaske über das Gesicht, was ich hasste. Sie gaben mir eine schäbige Armee-Taschenlampe, wie sie auch Mouse hatte. Ich setzte mich auf den Rand des Schachtes und ließ mich langsam in die Dunkelheit hinab. Ich hing frei in der Mitte des Schachts, als sie mich langsam hinunterließen. "
  • Der abgeseilte Soldat trägt keine Schutzausrüstung, nicht mal einen Helm. Der Soldat ganz rechts im Bild trägt wenigstens einen Football-Schulterschutz und einen Stahlhelm; ich vermute, dass er entweder schon im Schacht war oder als nächstes dran ist.
    Eine solche rudimentäre Schutzausrüstung erwähnt auch Kavanaugh: "Also setzten sie mir einen Football-Helm auf, damit Steine, die auf meinen Kopf fielen, vom Helm abprallten. Dann zogen sie mir Football-Schulterpolster über das Hemd, damit mir herabfallende Steine nicht die Schultern brechen. Dann fädelten sie ein Seil um meine Taille und versahen es mit Riemen wie bei einem Fallschirmgurt, damit sie mich hoch- und runterziehen konnten."
    (Der Mann ganz rechts auf dem Foto ist übrigens nicht Richard Kavanaugh!)
Das Foto wurde vermutlich in der nördlichen Schultercaponnière aufgenommen. Die Soldaten arbeiten von einer hölzernen Plattform aus; über dem zweiten Schacht des Forts (in der Zantralcaponnière) hat man mit stählernen Doppel-T-Trägern gearbeitet, die heute noch dort liegen:

(Foto von 1983)



Freitag, 3. November 2023

Externes Blog-Archiv

Schlechte Nachrichten: Die Blogplattform des alten Tavannes-Blogs, Myblog.de, hat ohne Vorankündigung quasi über Nacht den Betrieb eingestellt. Sämtliche Inhalte sind nicht mehr online verfügbar (wenn nicht gar gelöscht), eine rückwirkende Datensicherung nicht möglich. Damit ist der alte Tavannes-Blog Geschichte, den Link "Externes Blogarchiv" auf der rechten Seite habe ich entsprechend entfernt. 

Zum Glück konnte ich die meisten Inhalte mit Hilfe der Wayback Machine und vor allem meiner eigenen älteren Datensicherungen rekonstruieren; der Datenverlust hält sich also in Grenzen.

Ich werde mich bemühen, diese Inhalte wieder zugänglich zu machen, indem ich sie hier erneut poste. Das ist mit einer ziemlichen Arbeit verbunden, wird also eine gewisse Zeit dauern. Die rekonstruierten Blogbeiträge werde ich mit dem Header des alten Blogs kennzeichnen:

Ist ja nicht so, dass ich üppig mit Zeit für sowas gesegnet wäre. Danke für gar nichts, Myblog.de!

Donnerstag, 2. November 2023

Das Werk John (Forte Preara) bei Verona

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte gravierende Neuerungen in der Artillerietechnik, die sich deutlich auf den Festungsbau auswirkten. Die Einführung der Brisanzmunition ist sicher die bekannteste Neuerung, aber nicht die einzige. Ich denke da vor allem an den Wechsel von Vorderlader- zu Hinterlader-Geschützen mit gezogenen Läufen; markantestes Beispiel ist für mich der „Gezogene Gußstahl 6-Pfünder mit Kolbenverschluss“ den die Preußische Armee 1859 einführte. Diese neuen Geschütze boten eine höhere Feuerrate, höhere Reichweite, höhere Treffgenauigkeit und einfachere Deckung. Die Möglichkeit des hohen Bogenschusses ermöglichte den indirekten Beschuss von Festungen.

Die bis dahin errichteten Festungen befanden sich für die höhere Reichweite dieser Geschütze zu nah vor den zu schützenden Städten; es mussten noch weiter vorgelagerte Festungsringe errichtet werden.

So war es auch in Verona. Die Stadt befand sich zwischen 1815 und 1866 unter habsburgischer Herrschaft und gehörte zum sogenannten „Festungsviereck“ (im Uhrzeigersinn: Peschiera / Gardasee, Verona, Legnano und Mantua). Zwischen 1837 und 1843 wurden der erste Festungsring im Abstand von bis zu 1,8km vor der Stadtmauer errichtet. Als Reaktion auf die verbesserte Artillerietechnik entstand ab 1859 ein zweiter Festungsring mit 12 Forts, der Stadtmauer in bis zu 3,7km Entfernung vorgelagert. Die Festungen beider Ringe unterschieden sich nicht in ihrer Bauart, sondern nur in ihrer Entfernung zur Stadt.

Das Werk John, über das ich heute berichte, gehört zum zweiten Festungsring.

Es liegt nördlich der Burg von Montorio bzw. westlich des Ortes Montorio Veronese in 150m ü.M. auf einem Hügel, der das Valpantena im Westen vom Valle di Mizzole im Osten trennt. Es wurde 1859 – 1860 erbaut und nach dem General Baron Franz von John, dem Befehlshaber des Generalstabs von Venetien, benannt.

Es ist vom Typ her eine unregelmäßige polygonale Hügelfestung, die sich dem Gelände anpasst. Hier der Plan:

Legende:
  1. Kaponnière
  2. Pulverkammern
  3. Munitionslager
  4. Latrine
  5. Küche
  6. Speisesaal
  7. Kasemattenbatterie
  8. Doppelkaponnière
  9. Eingangsverteidigung (heute nicht mehr vorhanden)
  10. Diamantgraben (heute verfüllt) mit Zugbrücke (nicht mehr vorhanden)
  11. Zisterne (wohl neueren Datums, da in den Originalplänen nicht eingetragen)
  12. Rampe auf die Geschützplattform (heute nicht mehr vorhanden)

Der Nordteil ist in an der Stelle eines ehemaligen Steinbruchs in den Felsen gegraben. Er besteht aus einem Trockengraben mit Kaponnière zur Nahverteidigung, einer offenen Geschützplattform, die über eine heute verschwundene Rampe vom Hof aus erreichbar war sowie Munitionsräumen und Pulverkammern. Die Schussrichtung dieser Geschütze war das Tal und die Hügelkette nördlich der Festung; damit sollten feindliche Umgehungsmanöver verhindert werden. Das Feuer konnte mit dem der ca. 3,5km nordöstlich gelegenen Torri Massimiliane gekreuzt werden.

Grabenkaponnière von Westen (die üppigen Graffitis habe ich etwas retuschiert):


... und von Osten:

Im Osten schließt sich eine Kasemattenbatterie an, die das östlich gelegene Valle di Mizzole abdeckte. Bemerkenswerterweise dienten diese Kasematten auch als Unterkunft für die bis zu 140 Mann starke Besatzung.

Schießscharten der Kasemattenbatterie und Nordseite der Doppelkaponnière:


Die Südostecke wird von einer großen Doppelkaponniere eingenommen, die zum einen natürlich zur Nahverteidigung diente, zum anderen aber mit ihren beiden Geschützen auch die Lücke zur Burg von Montorio schließen konnte.

Die Doppelkaponniere von Süden aus gesehen. Auch hier leider wieder Schmierereien:

Die Südwestecke des Forts:

Zusammenfassende Darstellung aller Schussrichtungen:

Der Eingang zum Werk liegt auf der Westseite. Er war ursprünglich durch eine hofseitige Eingangsverteidigung und einen vorgelagerten Graben mit Zugbrücke gesichert. Die Eingangsverteidigung wurde leider zwischenzeitlich abgerissen, der Graben ist aufgefüllt und die Zugbrücke demontiert.


Ebenfalls auf der Westseite befindet sich ein kaponnièrenartig der Wallinie vorgelagerter Trakt mit Küche, Speiseraum und Latrine. Eine infanteristische Nahverteidigung war über Gewehrscharten möglich.


Zwei weitere, nördlich der „Kaponnière“ positionierte Geschütze konnten das Valpantena im Westen beschießen und ihr Feuer mit Forte San Felice, Forte S. Mattia und den Torri Massimiliane kreuzen.

Das Fort ist in einem speziellen, durchschnittlich 1,30m breiten Mauerwerk ausgeführt: Es besteht aus zwei Außenmauern aus Stein, deren Zwischenraum mit kleinformatigem, mit Kalk gebundenem Schutt aufgefüllt wurde. Die Außenmauern sind nicht mit rechteckigen Steinen gemauert, sondern mit wabenförmigen, polygonal zugehauenen; das Ergebnis heißt „Opus Poligonale“. Diese Steinform erforderte eine sehr sorgfältige Verlegung, wofür lokale Steinmetze und Maurer eingesetzt wurden.

Es gibt zwei Arten von Scharten: Mit Ziegeln eingefasste Gewehrschießscharten und größere, mit Stein eingefasste Geschützscharten. Die Gewehrschießscharten sind in unterschiedlichen Winkeln ausgerichtet, damit das gesamte Vorfeld jeweils benachbarter Scharten abgedeckt werden konnte.

Das folgende Foto zeigt das Opus Poligonale und die charakteristischen Gewehrschießscharten sehr schön:

Nachdem Venezien 1866 nach dem dritten italienischen Unabhängigkeitskrieg an Italien übergegangen war, wurden die ehemals habsburgischen Festungen zu italienischen Festungen. Werk John wurde im Zuge dieses Übergangs als Forte Preara umbenannt, ein Name, den die Festung heute noch trägt.

1866 war das Werk noch mit 11 Geschützen ausgestattet, darunter zwei 9cm Hinterladergeschütze mit gezogenem Lauf. Wann es seinen Zweck als Artilleriefestung verlor, ist mir nicht bekannt. Bis Anfang der 1980er Jahre diente es als Munitionslager und wurde dann vom Militär aufgegeben. Der zeitnah einsetzende Vandalismus, der sich noch heute in Graffitis auf der Außenmauer manifestiert, führte dazu, dass die Festung mit einem Metalltor gesichert und alle „Schlupflöcher“ verschlossen wurden.

Das Fort ist heute im Besitz der Stadt Verona und wird durch das Comitato Fossì Montorio betreut. Sporadisch finden Führungen statt; die Termine werden im Internet angekündigt.

 Luftbild der Festung bei Google Maps:

Schöne Fotos der Festung, darunter auch viele vom Inneren, gibt es auf der Seite von Montorio Veronese.

Mein diesjähriger Besuch der Feste Preara war ungeplant und eher zufällig – wir waren in der Nähe Wein kaufen, da bot sich der Abstecher an! Entsprechend schlecht war ich ausgerüstet: Im Inneren wäre ich mit meiner Not-Lampe Lumintop Frog (750 Lumen) nicht weit gekommen, und meine Backup-Kamera Canon Ixus 185 war auch nicht gerade ein Top-Performer.

Sehr froh war ich allerdings über mein Auto. Für Festungsexkursionen ist ein Allrader einfach unverzichtbar, und die Piste hoch zur Forte Preara war mehr als abenteuerlich, was das folgende Foto leider nur sehr unzureichend wiedergibt:

Mein Tipp für jeden, der sich Forte Preara ansehen will, aber nur mit einem „normalen“ KfZ unterwegs ist: Ab der Stelle, wo die Zufahrt zur Burg von Montorio abzweigt, verdient die Via Castel Montorio den Namen „Straße“ nicht mehr. Am besten lässt man das Auto dort stehen und geht die restlichen 700 Meter zu Fuß.

Mittwoch, 25. Oktober 2023

Update zu den Tyne Turrets

Das Kuriosum Tyne Turrets, von dem ich geglaubt hatte, es in einem kurzen Beitrag abhandeln zu können, hat sich mittlerweile doch als komplexer erwiesen, als ich zunächst erwartet hatte.

Ausgangspunkt für meine weitere Beschäftigung damit waren widersprüchliche Aussagen über die Bewaffnung: Manche Quellen, u.a. Wikipedia, sprechen von einem Geschütz pro Batterie, andere hingegen von je einem kompletten Illustrious-Geschützturm pro Batterie. Um dieser Sache auf den Grund zu gehen, besorgte ich mir die Pläne beider Batterien.

Natürlich interessierte mich auch, was aus beiden Batterien geworden ist und was es heute noch zu sehen gibt.

Hier die Ergebnisse meiner Recherchen.

1. Historie

Der Tyne hatte im 1. Weltkrieg eine besondere strategische Bedeutung, einerseits wegen des ansässigen Schiffsbaus – viele Kriegsschiffe wurden dort konstruiert und repariert -, andererseits wegen seiner Bedeutung im Export von kriegswichtiger Kohle.

Bereits 1899 hatte man in Tynemouth und South Shields mit dem Bau moderner Verteidigungsanlagen begonnen: 2 Batterien für 2 x 6-Zoll- und 1 x 9.2-Zoll-Geschütze wurden 1903 fertiggestellt (Tynemouth Castle nördlich der Tynemündung und Frenchman’s Point Battery südlich der Mündung). Zusätzlichen Schutz sollte die Spanish Battery unterhalb von Tynemouth Castle bieten, die mit 2 x 6-Zoll- und 2 x 12-Pfünder-Schnellfeuergeschützen vor allem Torpedoschnellboote bekämpfen sollte. Cliffords Fort, eine Batterie aus dem 17. Jahrhundert, wurde zu einem Seeminendepot und dem Hauptquartier der Tyne Electrical Engineers, die für die Suchscheinwerfer zuständig waren.

Zu Beginn des ersten Weltkriegs waren diese Einrichtungen unverändert im Einsatz.

Am 17. Dezember 1914 griff die Kaiserliche Flotte in einem Überraschungsangriff die Städte Scarborough, Whitby und Hartlepool an der britischen Nordostküste an. Es entstand großer Schaden, wohingegen die Kaiserliche Flotte nur marginal beschädigt wieder nach Deutschland zurückkehren konnte. Die Schiffe befanden sich außer Reichweite der meisten Küstengeschütze; wollte man möglichen zukünftigen Angriffen dieser Art wirkungsvoller begegnen, musste die Verteidigung der britischen Nordostküste schnell und deutlich verbessert werden.

Die schnellste Lösung bestand in einer „Standing Patrol“, also der ständigen Präsenz britischer Kriegsschiffe vor der britischen Nordostküste. Ihre Operationsbasis war das schottische Rosyth. Eins dieser Schiffe war übrigens die HMS Illustrious, die ab August 1914 als Guardship im Loch Ewe eingesetzt worden war und ab November des gleichen Jahres den Tyne schützen sollte.


Im weiteren Verlauf des Krieges zeigte sich allerdings, dass diese Schiffe zu dringend anderweitig gebraucht wurden, wodurch das Prinzip der Standing Patrols nicht länger aufrechterhalten werden konnte. Im Oktober 1916 begann man mit der Suche nach einer Alternative, die im Februar 1917 gefunden und beschlossen wurde. Der Plan bestand darin, die beiden 12-Zoll-Geschütztürme der HMS Illustrious, die ab dem 26. November 1915 entwaffnet worden war und seit 1916 als Munitionslagerschiff diente, an Land zur Küstenverteidigung zu installieren. Hier ein Geschützturm der Illustrious von innen:

Quelle: Wikipedia

Jeweils ein Standort nördlich und südlich des Tyne wurde ausgewählt, und die Bauarbeiten begannen umgehend:

  • Die nördliche Batterie („Roberts Battery“) wurde ca. 400 Meter östlich des heutigen Hartley in der Nähe von Crag Point errichtet.
  • Die südliche Batterie („Kitchener Battery“) entstand 600 Meter westlich vom Souter Lighthouse, Marsden.

Da die Geschütztürme mit jeweils 184 Tonnen Gewicht erheblich schwerer waren als fast alles, was bis dato in Küstenbatterien installiert worden war, mussten die Batterien nach völlig neuen Gesichtspunkten geplant und gebaut werden. (Anmerkung: Die extrem schwere Bewaffnung der Tyne Turrets wurde damals nur vom Admiralty Pier Turret im Hafen von Dover übertroffen, einem geschlossenen Panzerturm mit  zwei 16-Zoll 80-Tonnen-Geschützen, der 1882 auf der westlichen Mole des Hafens von Dover errichtet worden war.)

Entsprechend groß dimensioniert war die unterirdische Batterieanlage beider Geschütztürme: Auf einer Fläche von ca. 48m x 56m waren Lagerräume für Material und Munition, Maschinenräume, Schutzräume für die Besatzung und vor allem ein entsprechend dimensionierter Unterbau für den Geschützturm selbst vorgesehen; alleine für diesen Unterbau wurde eine 12 Meter tiefe Grube von 36,5 x 27,5 Metern ausgehoben. Aus den Plänen der beiden Batterien konnte ich eine Wanddicke von ca. 2,30 Metern Stahlbeton für den Geschützbrunnen ermitteln.

Sowohl der finanzielle als auch der Arbeitsaufwand für die Batterien war gigantisch, gerade zu Kriegszeiten, wo qualifizierte Arbeitskräfte sowieso rar waren. So verwundert es nicht, dass beide Batterien bis Kriegsende nicht fertiggestellt waren. Dazu mehr in den Einzelbetrachtungen.

Noch ein paar Worte zur Koordination und Lenkung der Tyne Turrets: Um Ihren Zweck, die Verteidigung der Tyne-Mündung, zu erfüllen, mussten die Aktivitäten beider Batterien natürlich exakt koordiniert sein. Idealerweise sollte eine koordinierende Instanz möglichst genau mittig zwischen beiden Batterien eingerichtet werden. Der bereits beschriebene Feuerleitstand erfüllte diese Bedingung ideal. Er lag exakt mittig in jeweils ca. 6,75 Kilometern Entfernung zwischen beiden Batterien, hatte ungehinderte Sicht auf das Vorfeld der Tyne-Mündung und auch Sichtverbindung zu beiden Batterien, was zu Zeiten, wo Informationen immer noch hauptsächlich auf optischem Weg (Flaggen, Lichtsignale) übermittelt wurden, ein großer Vorteil war.

Bei dem Geschütz auf dem Dach des Feuerleitstands dürfte es sich um eine Flugabwehrkanone gehandelt haben, wohl als Reaktion auf deutsche Zeppelin-Angriffe, die mit der Bombardierung der Region um Norfolk am 19. Januar 1915 durch die Luftschiffe L3, L4 und L6 begonnen hatten.

(© Open Street Maps Mitwirkende)

Nun zu den beiden Batterien.

2. Die Kitchener Battery in Marsden

Die Kitchener Battery befand sich auf einer Anhöhe mit einem uneingeschränkten Schussfeld über die Tyne-Mündung im Norden bis zum Wear im Süden. Das einzige Hindernis für dieses weite Feuerfeld war der Souter Leuchtturm unmittelbar östlich des Batteriestandorts. In der Praxis stellten aber weder dieser Leuchtturm noch der von St. Marys im Norden eine Einschränkung für das Feuer dar; da die beiden Tyne Turrets zusammenarbeiteten, konnte ein koordiniertes Feuermuster auf jeden gewünschten Punkt des Schussfelds gerichtet werden.

Die Batterie bestand aus einem Geschützturm der HMS Illustrious mit zwei 12-Zoll-Geschützen sowie aus umfangreichen unterirdischen Anlagen wie oben beschrieben. Oberirdisch befanden sich Gebäude für die Signalübermittlung und Steuerung der Batterie.

Nachfolgend zwei Ausschnitte aus den mir vorliegenden Plänen (Quelle: National Archives):

1921 war die Batterie fertiggestellt; am 6. September 1921 feuerte sie 12 Probeschüsse ab.

Der Geschützturm mitsamt Geschützen wurde, da mittlerweile recht veraltet (siehe auch Kommentar bei der Roberts Battery), zwischen 1924 und April 1926 entfernt und verschrottet, und die unterirdischen Anlagen wurden zunächst sich selbst überlassen, bis sie im zweiten Weltkrieg renoviert und als Munitionslager genutzt wurden.

Nach dem Krieg verfiel das Gelände vollends und wurde nach und nach von den angrenzenden Steinbrüchen eingenommen. In den 1950er Jahren wurden die massiven unterirdischen Anlagen gesprengt und beseitigt. Einziges Überbleibsel heute ist ein Paar Torpfosten bei 54°58'05.5"N 1°22'22.0"W.

Die folgende Karte zeigt die ehemalige Position der Batterie:

Quelle: Google Maps

 3. Die Roberts Battery in Hartley

Die Roberts Battery befand sich in der Nähe von Seaton Sluice, Northumberland. Entgegen meiner Behauptung im letzten Beitrag, nur die Kitchener Battery sei fertiggestellt worden, wurde auch  die Roberts Battery 1921 fertiggestellt.

Der Aufbau war analog der Kitchener Battery (Quelle: National Archives):


Die folgende Abbildung gibt eine Orientierung über die wichtigsten Funktionselemente. Farbcode: grau = Stahlbeton, rot = Ziegelmauerwerk, blau = Sockel des Geschützturms


Oberirdisch waren von dieser riesigen Anlage nur der Geschützturm und ein Blockhaus zu sehen; der Zugang erfolgte über zwei Lichthöfe. Vergleichbare Lichthöfe gibt es auch in anderen Batterien, hier z.B. der Tynemouth Castle Battery:


Die Batterie war außerdem von einer Nahverteidigungseinrichtung umgeben, vermutlich einer Mauer mit Schießscharten, einem vorgelagerten Graben und zwei kaponnièreartigen Ausstülpungen. Es ist mir bisher nicht gelungen, Details dazu zu finden.

Etwas abseits gelegen befand sich der Batteriekommandoposten mit einem Barr & Stroud Schnittbildentfernungsmesser in einem ca. 10 Meter hohen achteckigen Turm. Zu  diesem Ensemble gehörten auch Offiziers- und Mannschaftsunterkünfte, ein Kochhaus, ein Badehaus, ein Kesselhaus sowie ein Wasserturm und eine verteidigungsfähige Latrine, letztere sicherlich eine Besonderheit.

Der Geschützturm hatte ein beinahe völlig freies Schussfeld auf das Meer hinaus, außer in Richtung der Insel St. Mary's im Südosten. In der Praxis wäre dies aber kein Problem gewesen, da die Schüsse in der Regel so hoch gelegen hätten, dass sie über den Leuchtturm auf der Insel hinweggegangen wären. Jeder tote Winkel unmittelbar hinter dem Leuchtturm wäre von der Kitchener Battery abgedeckt worden.

Die Roberts Battery feuerte am 5. September 1922, einen Tag vor der Kitchener Battery, 12 Probeschüsse ab. Es wird berichtet, dass durch diese Schüsse Dachschindeln der umliegenden Häuser fortgerissen wurden. Die Vehemenz eines Abschusses der 12-Zoll-Geschütze zeigt das folgende Bild der HMS Illustrious während einer Schießübung 1907:

1924, also bereits 2 Jahre nach den Probeschüssen, wurde empfohlen, den Geschützturm zu entfernen, was bis ins Jahr 1926 dauerte. Die 12-Zoll-Geschütze waren 1895 in Dienst gestellt worden; bereits während des Einsatzes auf der Illustrious war es aufgrund konstruktiver Mängel zu vorzeitigen Detonationen gekommen. Die Geschütze waren also 1924, knapp 30 Jahre nach ihrer Indienststellung, hoffnungslos veraltet, was ein Grund für die Entscheidung gewesen sein mag, sie zu demontieren.

Im zweiten Weltkrieg wurde auf dem Batteriegelände eine Chain Home Low Radar Station errichtet. Nach dem Krieg stand die Batterie leer; die unterirdischen Einrichtungen waren noch in den 1960er Jahren zugänglich, wurden dann aber von der Gemeinde mit Schutt überdeckt.

Auf Luftbildern sind die Umrisse der Batterie heute recht gut erkennbar; ich habe das auf den folgenden Aufnahmen von Google Maps dargestellt.

Das erste Bild zeigt das Batteriegelände, so wie man es auf Google Maps sieht:


Auf dem nächsten Bild habe ich die Position der unterirdischen Einrichtungen hellblau markiert:


Hier schließlich das Gesamtensemble einschließlich markierter Nahverteidigung:

Das Areal ist in Privatbesitz und kann nicht betreten werden.

Mehr zu sehen ist vom Batteriekommandoposten, ca. 250 Meter südlich der Batterie gelegen:


Auf dem nächsten Bild habe ich das Areal markiert:


Legende:

  1. = Verteidigungsfähige Latrine
  2. = Wasserturm
  3. = Turm mit Schnittbildentfernungsmesser

Die durch eine blaue Linie gekennzeichnete Umfriedung besteht in Teilen aus einer mit Schießscharten bewehrten Mauer.

Das Ensemble mit dem bezeichnenden Namen „Fort House“ ist heute ein privates Wohnhaus und kann nicht betreten werden. Es ist denkmalgeschützt.

Auf Wikipedia findet man Fotos der wesentlichen Elemente; hier die Latrine mit Schießscharten:


Und der Wasserturm:


Was die Roberts Battery zu etwas ganz Besonderem macht, ist der Umstand, dass die unterirdischen Einrichtungen noch komplett erhalten sind. Findige Köpfe haben sogar einen Weg hinein gefunden; er ist allerdings extrem fragil und dadurch sehr gefährlich. Ich weiß zwar, wo er sich befindet, werde das aus den genannten Gründen hier aber nicht veröffentlichen.

Im britischen Internetforum „Derelict Places“ gibt es eindrucksvolle Fotos des Inneren. Die Räume sind hervorragend erhalten, wenngleich auch über und über mit Graffitis verschmiert. Hier ein Plan, welche Räume noch zugänglich sind:


(grün = zugänglich / rot = unzugänglich)

Ich vermute, dass auch das Lager für die Treibladungen intakt ist. Der einzige Zugang würde aber am Geschützbrunnen vorbei führen, und der ist komplett verschüttet.

Die Roberts Battery ist definitiv eine einzigartige militärische Einrichtung, der eigentlich ein besseres Schicksal beschieden sein sollte als unter Müll vergraben und mit Graffitis verunstaltet zu sein. Es wäre wünschenswert, wenn die zuständige Gemeinde sie wieder freilegen und für Besucher herrichten würde; der Aufwand kann nicht allzu groß sein. Vor allem sollte schnellstmöglich der heutige Zugang gesichert werden, bevor jemand zu Schaden kommt.

 Hier geht es zum ursprünglichen Bericht über die Tyne Turrets.