Freitag, 3. November 2023

Externes Blog-Archiv

Schlechte Nachrichten: Die Blogplattform des alten Tavannes-Blogs, Myblog.de, hat ohne Vorankündigung quasi über Nacht den Betrieb eingestellt. Sämtliche Inhalte sind nicht mehr online verfügbar (wenn nicht gar gelöscht), eine rückwirkende Datensicherung nicht möglich. Damit ist der alte Tavannes-Blog Geschichte, den Link "Externes Blogarchiv" auf der rechten Seite habe ich entsprechend entfernt. 

Zum Glück konnte ich die meisten Inhalte mit Hilfe der Wayback Machine und vor allem meiner eigenen älteren Datensicherungen rekonstruieren; der Datenverlust hält sich also in Grenzen.

Ich werde mich bemühen, diese Inhalte wieder zugänglich zu machen, indem ich sie hier erneut poste. Das ist mit einer ziemlichen Arbeit verbunden, wird also eine gewisse Zeit dauern. Die rekonstruierten Blogbeiträge werde ich mit dem Header des alten Blogs kennzeichnen:

Ist ja nicht so, dass ich üppig mit Zeit für sowas gesegnet wäre. Danke für gar nichts, Myblog.de!

Donnerstag, 2. November 2023

Das Werk John (Forte Preara) bei Verona

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte gravierende Neuerungen in der Artillerietechnik, die sich deutlich auf den Festungsbau auswirkten. Die Einführung der Brisanzmunition ist sicher die bekannteste Neuerung, aber nicht die einzige. Ich denke da vor allem an den Wechsel von Vorderlader- zu Hinterlader-Geschützen mit gezogenen Läufen; markantestes Beispiel ist für mich der „Gezogene Gußstahl 6-Pfünder mit Kolbenverschluss“ den die Preußische Armee 1859 einführte. Diese neuen Geschütze boten eine höhere Feuerrate, höhere Reichweite, höhere Treffgenauigkeit und einfachere Deckung. Die Möglichkeit des hohen Bogenschusses ermöglichte den indirekten Beschuss von Festungen.

Die bis dahin errichteten Festungen befanden sich für die höhere Reichweite dieser Geschütze zu nah vor den zu schützenden Städten; es mussten noch weiter vorgelagerte Festungsringe errichtet werden.

So war es auch in Verona. Die Stadt befand sich zwischen 1815 und 1866 unter habsburgischer Herrschaft und gehörte zum sogenannten „Festungsviereck“ (im Uhrzeigersinn: Peschiera / Gardasee, Verona, Legnano und Mantua). Zwischen 1837 und 1843 wurden der erste Festungsring im Abstand von bis zu 1,8km vor der Stadtmauer errichtet. Als Reaktion auf die verbesserte Artillerietechnik entstand ab 1859 ein zweiter Festungsring mit 12 Forts, der Stadtmauer in bis zu 3,7km Entfernung vorgelagert. Die Festungen beider Ringe unterschieden sich nicht in ihrer Bauart, sondern nur in ihrer Entfernung zur Stadt.

Das Werk John, über das ich heute berichte, gehört zum zweiten Festungsring.

Es liegt nördlich der Burg von Montorio bzw. westlich des Ortes Montorio Veronese in 150m ü.M. auf einem Hügel, der das Valpantena im Westen vom Valle di Mizzole im Osten trennt. Es wurde 1859 – 1860 erbaut und nach dem General Baron Franz von John, dem Befehlshaber des Generalstabs von Venetien, benannt.

Es ist vom Typ her eine unregelmäßige polygonale Hügelfestung, die sich dem Gelände anpasst. Hier der Plan:

Legende:
  1. Kaponnière
  2. Pulverkammern
  3. Munitionslager
  4. Latrine
  5. Küche
  6. Speisesaal
  7. Kasemattenbatterie
  8. Doppelkaponnière
  9. Eingangsverteidigung (heute nicht mehr vorhanden)
  10. Diamantgraben (heute verfüllt) mit Zugbrücke (nicht mehr vorhanden)
  11. Zisterne (wohl neueren Datums, da in den Originalplänen nicht eingetragen)
  12. Rampe auf die Geschützplattform (heute nicht mehr vorhanden)

Der Nordteil ist in an der Stelle eines ehemaligen Steinbruchs in den Felsen gegraben. Er besteht aus einem Trockengraben mit Kaponnière zur Nahverteidigung, einer offenen Geschützplattform, die über eine heute verschwundene Rampe vom Hof aus erreichbar war sowie Munitionsräumen und Pulverkammern. Die Schussrichtung dieser Geschütze war das Tal und die Hügelkette nördlich der Festung; damit sollten feindliche Umgehungsmanöver verhindert werden. Das Feuer konnte mit dem der ca. 3,5km nordöstlich gelegenen Torri Massimiliane gekreuzt werden.

Grabenkaponnière von Westen (die üppigen Graffitis habe ich etwas retuschiert):


... und von Osten:

Im Osten schließt sich eine Kasemattenbatterie an, die das östlich gelegene Valle di Mizzole abdeckte. Bemerkenswerterweise dienten diese Kasematten auch als Unterkunft für die bis zu 140 Mann starke Besatzung.

Schießscharten der Kasemattenbatterie und Nordseite der Doppelkaponnière:


Die Südostecke wird von einer großen Doppelkaponniere eingenommen, die zum einen natürlich zur Nahverteidigung diente, zum anderen aber mit ihren beiden Geschützen auch die Lücke zur Burg von Montorio schließen konnte.

Die Doppelkaponniere von Süden aus gesehen. Auch hier leider wieder Schmierereien:

Die Südwestecke des Forts:

Zusammenfassende Darstellung aller Schussrichtungen:

Der Eingang zum Werk liegt auf der Westseite. Er war ursprünglich durch eine hofseitige Eingangsverteidigung und einen vorgelagerten Graben mit Zugbrücke gesichert. Die Eingangsverteidigung wurde leider zwischenzeitlich abgerissen, der Graben ist aufgefüllt und die Zugbrücke demontiert.


Ebenfalls auf der Westseite befindet sich ein kaponnièrenartig der Wallinie vorgelagerter Trakt mit Küche, Speiseraum und Latrine. Eine infanteristische Nahverteidigung war über Gewehrscharten möglich.


Zwei weitere, nördlich der „Kaponnière“ positionierte Geschütze konnten das Valpantena im Westen beschießen und ihr Feuer mit Forte San Felice, Forte S. Mattia und den Torri Massimiliane kreuzen.

Das Fort ist in einem speziellen, durchschnittlich 1,30m breiten Mauerwerk ausgeführt: Es besteht aus zwei Außenmauern aus Stein, deren Zwischenraum mit kleinformatigem, mit Kalk gebundenem Schutt aufgefüllt wurde. Die Außenmauern sind nicht mit rechteckigen Steinen gemauert, sondern mit wabenförmigen, polygonal zugehauenen; das Ergebnis heißt „Opus Poligonale“. Diese Steinform erforderte eine sehr sorgfältige Verlegung, wofür lokale Steinmetze und Maurer eingesetzt wurden.

Es gibt zwei Arten von Scharten: Mit Ziegeln eingefasste Gewehrschießscharten und größere, mit Stein eingefasste Geschützscharten. Die Gewehrschießscharten sind in unterschiedlichen Winkeln ausgerichtet, damit das gesamte Vorfeld jeweils benachbarter Scharten abgedeckt werden konnte.

Das folgende Foto zeigt das Opus Poligonale und die charakteristischen Gewehrschießscharten sehr schön:

Nachdem Venezien 1866 nach dem dritten italienischen Unabhängigkeitskrieg an Italien übergegangen war, wurden die ehemals habsburgischen Festungen zu italienischen Festungen. Werk John wurde im Zuge dieses Übergangs als Forte Preara umbenannt, ein Name, den die Festung heute noch trägt.

1866 war das Werk noch mit 11 Geschützen ausgestattet, darunter zwei 9cm Hinterladergeschütze mit gezogenem Lauf. Wann es seinen Zweck als Artilleriefestung verlor, ist mir nicht bekannt. Bis Anfang der 1980er Jahre diente es als Munitionslager und wurde dann vom Militär aufgegeben. Der zeitnah einsetzende Vandalismus, der sich noch heute in Graffitis auf der Außenmauer manifestiert, führte dazu, dass die Festung mit einem Metalltor gesichert und alle „Schlupflöcher“ verschlossen wurden.

Das Fort ist heute im Besitz der Stadt Verona und wird durch das Comitato Fossì Montorio betreut. Sporadisch finden Führungen statt; die Termine werden im Internet angekündigt.

 Luftbild der Festung bei Google Maps:

Schöne Fotos der Festung, darunter auch viele vom Inneren, gibt es auf der Seite von Montorio Veronese.

Mein diesjähriger Besuch der Feste Preara war ungeplant und eher zufällig – wir waren in der Nähe Wein kaufen, da bot sich der Abstecher an! Entsprechend schlecht war ich ausgerüstet: Im Inneren wäre ich mit meiner Not-Lampe Lumintop Frog (750 Lumen) nicht weit gekommen, und meine Backup-Kamera Canon Ixus 185 war auch nicht gerade ein Top-Performer.

Sehr froh war ich allerdings über mein Auto. Für Festungsexkursionen ist ein Allrader einfach unverzichtbar, und die Piste hoch zur Forte Preara war mehr als abenteuerlich, was das folgende Foto leider nur sehr unzureichend wiedergibt:

Mein Tipp für jeden, der sich Forte Preara ansehen will, aber nur mit einem „normalen“ KfZ unterwegs ist: Ab der Stelle, wo die Zufahrt zur Burg von Montorio abzweigt, verdient die Via Castel Montorio den Namen „Straße“ nicht mehr. Am besten lässt man das Auto dort stehen und geht die restlichen 700 Meter zu Fuß.