Freitag, 10. Februar 2023

Auf der Suche nach der Batterie St. Peter, 3. Teil

In Bezug auf die Halbinsel Eiderstedt bin ich eigentlich noch einen Bericht über eine weitere Festungsanlage bei Vollerwiek schuldig, aber ich habe kürzlich Unterlagen zur Batterie Sankt Peter bekommen, die mir endlich Hinweise darauf gegeben haben, wo die Batterie lag. Vollerwiek muss also leider noch ein wenig warten.

Bei besagten Unterlagen handelt es sich um ein Inventarisierungdossier und weitere Dokumente der Interalliierten Militärkontrollkommission aus dem Jahr 1927 in französischer und teilweise Englischer Sprache. Dieses Kontrollgremium der Siegermächte des ersten Weltkriegs überwachte die Einhaltung der Vorgaben des Versailler Friedensvertrags durch Deutschland; eine Unterkommission war für Befestigungen zuständig. Nachdem Deutschland 1926 dem Völkerbund beigetreten war, der ab diesem Zeitpunkt die Rüstungskontrolle übernahm, stellte die Interalliierte Militärkommission zum 1. Februar 1927 ihre Tätigkeit ein.

Die Dossiers zur Schleifung der Festungen entlang der Rheinlinie und zur Inventarisierung aller anderen Festungen sind bei den Vereinten Nationen archiviert und öffentlich einsehbar.
Die Kontrollkommission war sehr gründlich, und so findet sich im Archiv der UN auch das Inventarisierungdossier der Batterie Sankt Peter.
Laut diesem Dossier diente die Batterie entgegen meiner ursprünglichen Annahme tatsächlich zur Verteidigung von Hever und Eider. Sie war für 8 15cm-Geschütze ausgelegt; folgende wesentliche Elemente einer Batterie fehlten 1927 allerdings:
  • Kommunikationseinrichtungen (Erd- oder Freileitungen)
  • 2 mobile Scheinwerfer 110cm (Nummer 636049 auf Beleuchtungswagen Nr. 1489 und Nummer 686050 auf Beleuchtungswagen Nr. 740); diese waren genehmigt(*), aber zumindest zum Zeitpunkt des Besuchs offenbar nicht vor Ort
  • Gebäude wie z.B. Befehlsstelle, Kaserne, Magazine; ein Küstenrichtkreisstand, ein Nebenstand und ein Batterieoffizierstand waren genehmigt(*), aber anscheinend nicht gebaut worden
  • Eine Straßen- oder Feldbahnanbindung; es wird auf einen Trampelpfad zur Batterie verwiesen, der laut Dossier ausdrücklich nicht zur Versorgung der Batterie geeignet war
(*) „genehmigt“ = durch die Interalliierte Militärkontrollkommission genehmigt

Auch schienen keine Geschütze installiert gewesen zu sein. In einem Besuchsbericht aus dem Jahr 1924 habe ich folgende Passage gefunden (Übersetzung des französischen Texts):

Die Batterie St. Peter gehört zum unorganisierten Typ. Die 8 betonierten Geschützbettungen (das Einzige, was die Batterie ausmacht) sind alle an der Oberfläche rissig, was auf die prekäre Bauweise der Bettungen zurückzuführen ist. Am Tag vor dem Besuch wurde daran gearbeitet, diese Risse zu kaschieren und um die alte und die neue Oberfläche in Einklang zu bringen, wurde an einigen Stellen sehr flüssiger Zement wie Farbe mit einem Pinsel aufgetragen.

In einer Batterieliste vom Januar 1923 ist zu einer tabellarischen Übersicht der Sollausstattung der Batterie Sankt Peter mit Munition in roter Schrift „not allowed“ vermerkt; es wird auf ein Schreiben vom 23. Juni 1922 hingewiesen, das mir leider nicht vorliegt. An anderer Stelle ist die ganze Batterie als „not allowed“ markiert. Diese Verbote scheinen später wieder revidiert worden zu sein: In einem Dossier von 1927 über die Bewaffnung der Küstenbefestigungen werden für die Batterie Sankt Peter alle 8 15cm-Geschütze in einer Tabelle mit dem Titel 

LIST OF EQUIPMENT AUTHORISED FOR
A. GUN STORES & SPARE PARTS

aufgeführt; an anderer Stelle heißt es „Guns formerly under dispute“. Vielleicht entdecke ich ja im Fundus der UN weitere Unterlagen, die Klarheit darüber geben; ich habe bei weitem noch nicht alle Dokumente durchgearbeitet, die mir vorliegen, ganz zu schweigen von dem, was im Archiv der UN sonst noch zu finden ist.

Welche 15cm Geschütze waren nun für die Batterie vorgesehen? In mehreren Dossiers findet sich die Bezeichnung „15cm Torpedobootskanone L/45 auf Torpedobootslafette C/1916“. Im bereits erwähnten Dossier über die Bewaffnung der Küstenbefestigungen sind sogar die vorgesehenen Rohr- und Lafettennummern (beide nummerngleich) aufgeführt: 1417, 1420, 1419,1469, 1470, 1473, 1475 und 1476.

Viel ist es nicht, was ich bisher über diesen Geschütztyp in Erfahrung bringen konnte. Er wurde möglicherweise erst gegen Kriegsende eingeführt; man stattete Zerstörer, U-Boote und Torpedoboote damit aus – und eben Küstenbatterien. Ein Geschütz wog rund 4 Tonnen und war insgesamt 6,68m lang; das genaue Kaliber betrug 14,91cm. Es feuerte 45,3kg schwere Projektile mit einer Kadenz von 4-5 Schuss pro Minute maximal 14,5km weit. Das Geschütz war zuverlässig und leicht zu bedienen und wurde bis in den 2. Weltkrieg hinein eingesetzt.

Das nachfolgende Foto zeigt ein solches Geschütz auf dem U-Boot U-155 (Quelle: Wikimedia Commons):

Hier ein Foto des Großen Torpedoboots V116, nach dem Krieg als „Premuda“ in italienischen Diensten (Quelle: Wikimedia Commons); man erkennt gut die 15cm-Geschütze mit Schutzschild:

Auf dem folgenden Foto ist zwar keine 15cm-Torpedobootskanone zu sehen, aber ein spanisches 15cm Gonzales Rueda Geschütz Modell 1902 mit Schutzschild (aufgenommen in Palma de Mallorca). Ob die Geschütze der Batterie Sankt Peter Schutzschilde hatten oder nicht, ist unbekannt, aber das spanische Modell vermittelt zumindest einen Eindruck, wie eine Küstenbatterie zu Beginn des 20. Jahrhunderts aussah:

Jede Geschützbettung der Batterie Sankt Peter hatte eine Grundfläche von 3 x 3 Metern, war 1,40m tief in den Boden eingelassen und von einem Drahtzaun umgeben. Auf der Oberseite befand sich eine kreisförmige metallene Aufnahme mit 14 Verankerungsbolzen für die Pivotlafette:

Die Bettungen waren in 45 Metern Abstand gesetzt.

Zum Schluss nun zu der Frage, wo sich die Batterie befand. Die von Gosch angeführte Ortsangabe „südlich von Sankt Peter Ording“ hat mich bei meiner ersten Suche in eine völlig falsche Richtung geführt. Die Batterie lag definitiv nicht in der Gegend des heutigen Golfclubs bei Sankt-Peter-Ording-Böhl!
Auch auf den Karten der Alliierten war die Batterie zunächst falsch eingezeichnet; das Deutsche Auswärtige Amt hat die Position im April 1927 richtiggestellt.
Die Batterie befand sich laut Inventarisierungsdossier 300 Meter von der Straße zwischen Ort und Bad Sankt Peter entfernt auf sumpfigem Terrain, vom Meer aus hinter Dünen verborgen. Sie hatte keine Anbindung zu besagter Straße.

Auf der korrigierten Karte stellt sich das wie folgt dar (das Kreuz kennzeichnet die falsche Position, der blaue Kreis die richtige):

Wirklich klar ist die Position damit allerdings immer noch nicht, was der mangelnden Präzision der Karten im Dossier geschuldet ist sowie dem Umstand, dass die damaligen Straßenverläufe nur noch teilweise mit den heutigen übereinstimmen.

Am ehesten hilft die folgende Detailkarte, in der ich die Batterie mit einem blauen Pfeil markiert habe:

Recht eindeutig identifizieren lässt sich am rechten Rand die heutige Schulstraße, die im späteren Verlauf zum Neuweg wird und vom Dorf Sankt Peter in Richtung Brösum führt. Bei der Straße, die ungefähr von der Mitte des linken Planrands bis in die rechte untere Ecke des Plans verläuft, dürfte es sich um die heutige Badstraße handeln. Der Rest ist schwer zuzuordnen.

Der Digitale Atlas Nord bietet die Möglichkeit, die heutige Karte der Gegend mit einer historischen Karte aus der Zeit 1902-1930 zu überlagern. Das Ergebnis darf ich hier leider nicht zeigen, aber zumindest verlinken <klick>

Dieser Überlagerung nach scheint der damalige Trampelpfad, der an der Batterie vorbei führte, auf den ersten 200 Metern der heutigen Eiderstedter Straße zu entsprechen. Die Straße oberhalb der Batterie, die zum Strandbad Sankt Peter führte, entspricht der heutigen Straße „Ketelskoog“.

Die Batterie müsste somit nördlich des Fasanenwegs zwischen dem Wäldchen bei der Uitholm-Sporthalle und dem Sportplatz gelegen haben, allerdings ist diese Lokalisierung mit gewissen Unsicherheiten behaftet. 
Ich habe ein Luftbild von Sankt Peter Ording Dorf, das vermutlich in den 1960er Jahren aufgenommen wurde. Auf diesem Foto ist das fragliche Areal noch unbebaut (blauer Pfeil), aber leider kann man keine Strukturen erkennen, die auf die Batterie zurückgeführt werden können:

Auch im Luftbildmodus von Google Maps erkennt man nichts. Beim Digitalen Atlas Nord scheinen die Luftbildmodi gebührenpflichtig zu sein, und eine Bodenreliefdarstellung wie beim Bayernviewer gibt es auch nicht.

Bleibt also nur eine Spurensuche vor Ort, zumindest soweit das mutmaßliche Batterieareal überhaupt betreten werden darf. Ich werde dann berichten.

Zusammenfassung: Die Batterie Sankt Peter befand sich in einem heute dicht besiedelten Gebiet zwischen den Ortsteilen Sankt Peter Dorf und Bad. Es ist zu bezweifeln, dass sie je fertiggestellt bzw. in Dienst genommen wurde, da ihr offenbar außer den Geschützbettungen jegliche für eine Batterie notwendigen Funktionselemente fehlten.

Übersicht der Blogbeiträge zur Batterie St. Peter: