Dienstag, 14. November 2023

Auf der Suche nach der Batterie St. Peter, 4. Teil: Die Batterie Vollerwiek

Im zweiten Bericht über meine Suche nach der Batterie St. Peter hatte ich die Überlegung angestellt, wo ich vor über 100 Jahren eine Batterie, die die Eidermündung schützen sollte, positioniert hätte. Die Antwort war die Gegend südlich des kleinen Ortes Vollerwiek.

Wie sich herausgestellt hatte, lag ich damit nicht falsch, auch wenn die Wahrheit sogar mehr als 200 Jahre in der Vergangenheit liegt.

Bereits um die Mitte des 18. Jahrhunderts gab es Pläne, an der Deichecke am Verlorenhörn südlich von Vollerwiek eine Batterie einzurichten: 

(C) OpenStreetMap-Mitwirkende; verfügbar unter der Lizenz Open Database

Auf die Karte „Zeichnung ein Stück des Teiches oder sogenanten Verlorn Hörn bey Vollerwick“ aus dem Jahr 1750 im Bestand der Königlich-Dänischen Bibliothek hatte ich im Zusammenhang mit der Hülker Schanze schon hingewiesen. Die Karte enthält auch ein interessantes Detail über das Verlorenhörn:

Der angedachte Batteriestandort ist mit "zur Defention bequeeme Stelle" gekennzeichnet - direkt an der Deichecke.

Die Königlich-Dänische Bibliothek hat auch Baupläne für diese Batterie, beispielsweise die geplante Kaserne:

... und das Pulvermagazin:

Es blieb allerdings bei der Planung; die Batterie wurde in dieser Form nie gebaut.

Ein halbes Jahrhundert später, in napoleonischer Zeit, wurde die Planung wieder aufgenommen mit dem Ziel, zum Schutz der Eider, zur Abwehr von Landungen feindlicher Truppen und später zur Überwachung der Quarantäne im Rahmen des Seuchenschutzes eine Batterie am Verlorenhörn zu errichten.  

Diese erste Batterie war relativ schlicht aufgebaut; nachfolgend ein Plan von 1801, von dem allerdings nicht klar ist, ob er wirklich so realisiert wurde. Als Bewaffnung waren 8 Kanonen vorgesehen:

(Der Plan stammt wie alle folgenden aus den Beständen der Königlich-Dänischen Bibliothek)

1804 sah die Batterie so aus:

Unterschiede zum Plan von 1801:

  • d kennzeichnet ein Munitionslager aus Holz mit Ziegeldach, das auf dem älteren Plan nicht zu sehen ist.
  • b ist ein bombensicheres Pulvermagazin mit vorgelagerter Traverse (c); im älteren Plan waren zwei solcher Magazine vorgesehen.
  • Die Batterie ist im Gegensatz zum älteren Plan mit einer Palisade umgeben.

Entweder 1804 oder 1805 wurde ein Ausbau der Batterie geplant. Ich habe etliche undatierte Pläne mit verschiedenen Planungsvarianten gefunden, von denen ich davon ausgehe, dass sie aus dieser Zeit stammen. Hier zwei Beispiele:


Die Grundform der existierenden Batterie wurde in den Plänen beibehalten. Beide Varianten sahen eine rückwärtige Sicherung mit umlaufendem Wall und Wassergraben vor. Auch konnten wesentlich mehr Geschütze aufgestellt werden.

Letztlich wurde aber keine dieser Varianten realisiert. Der folgende Bauplan kommt dem, was tatsächlich gebaut wurde, am nächsten. Einen rückwärtigen Wall gab es nicht, wohl aber einen Wassergraben:


Auf diesem Vermessungsplan von 1807 ist das Batteriegelände gekennzeichnet (der Plan spricht von einer "Schanze"; bei der Batterie handelte es sich in allen Ausbaustufen stets um ein reines Erdwerk):


Der nächste Plan zeigt den Ausbaustand von 1805 / 1806 und die Geschützbestückung von 1810:


Es waren insgesamt 26 Geschütze vorgesehen:
  • 8    18-Pfünder Batteriekanonen
  • 4      3-Pfünder Feldkanonen
  • 2  100-Pfünder Mörser
  • 8    10-Pfünder Mörser
  • 4      3-Pfünder Batteriekanonen
Auch der folgende Plan ist nicht datiert; aufgrund der zeichnerischen Ausführung gehe ich davon aus, dass es der jüngste Plan im Fundus der königlich-dänischen Bibliothek ist:


Ende 1813 erreichten die Napoleonischen Kriege Schleswig-Holstein. Schwedisch-Russische Truppen zogen nach der Leipziger Völkerschlacht nach Norden und verfolgten den Rückzug der dänischen, mit Napoleon verbündeten Truppen.
Kosaken des russischen Corps des General Tettenborn drangen am 10. Dezember in die Gegend um Vollerwiek vor und forderten am Morgen des 11. Dezembers die Übergabe der Batterie. Die Dänen lehnten das ab, woraufhin die Kosaken nach kurzer Belagerung am 14. Dezember mit einer Kanone, die aus Husum herangeschafft worden war, das Feuer eröffneten. Die Batteriebesatzung ergab sich daraufhin, und die Geschütze der Batterie - es ist von 30 Stück die Rede - wurden als Belagerungsgeschütze nach Glückstadt verbracht, wo sie am 23. Dezember eintrafen.

Nicht lange danach schleiften die Dänen die Batterie. Im ersten Schleswigschen Krieg 1848-1851 gab es Gedanken, wieder eine Batterie am Verlorenhörn zu errichten, das wurde aber nicht umgesetzt.

Reste der Batterie müssen noch recht lange sichtbar gewesen sein. Auf dem folgenden Kartenausschnitt der Königlich Preußischen Landesaufnahme 1878 (Karten, die 1878 bis 1880 durch topographische Feldaufnahmen erstellt wurden) sind sie noch deutlich erkennbar (rot markiert):


Übertragen auf eine moderne Karte sieht das so aus:

(C) OpenStreetMap-Mitwirkende; verfügbar unter der Lizenz Open Database

Heute ist an dieser Stelle nichts mehr zu sehen; einzig der Name "Batterie" für die Ecke ist geblieben.

Blick von Norden; vor 200 Jahren hätte man hier auf die Rampe geschaut, die zur Geschützplattform führte:

Hier war die Geschützplattform:

Blick auf das rückwärtige Batteriegelände:


Übersicht der Blogbeiträge zur Batterie St. Peter:


Montag, 13. November 2023

Update: L’énigme du fort de Tavannes / Das Rätsel von Fort de Tavannes

In meinem Post vom 21.04.2017 über den im Fort de Tavannes verunglückten amerikanischen Soldaten Gerald Dunnigan hatte ich über die Suche nach ihm berichtet, die vom 21. bis zum 26.April 1956 dauerte.

Zwischenzeitlich ist es mir gelungen, ein Foto dieser Suchaktion zu erwerben. Es zeigt eine Gruppe von amerikanischen Soldaten, von denen einige einen Kameraden in einen Schacht abseilen:

Augenscheinlich hat man - aus verständlichen Gründen - einen recht zierlichen Mann ausgewählt. Richard Kavanaugh (Dick's Story) erwähnt einen Freiwilligen mit dem Spitznahmen "Mouse", der als erstes in den Schacht hinabgelassen wurde; er schreibt: "Er war etwa 1,70 m groß und wog vielleicht 135 Pfund." In Armeeunterlagen habe ich den Hinweis gefunden, Specialist 3rd Class Orville Mortimore vom 97th Engineer Battalion sei der erste Mann im Schacht gewesen - er müsste also "Mouse" gewesen sein. Mouse trug bei der Aktion allerdings eine Gasmaske, kann also nicht der Mann auf dem Foto sein.

Was sonst noch auf dem Foto auffällt:

  • Die Abseilvorrichtung wirkt äußerst unprofessionell - das Sicherungsseil hat eine einfache geknotete Schlinge!
    Kavanaugh schreibt: "Am Montagabend ließen sie Mouse (er hatte sich freiwillig gemeldet) mit Seilen in einen Luftschacht hinab."
    Seinen eigenen Abstieg am 24. April, einen Tag später, beschreibt Kavanaugh so: "Neben dem Loch befand sich eine Trommel mit einer Kurbel an jedem Ende, um die das Seil gewickelt war, so dass sie mehr Hebelkraft hatten, um mich langsam herunterzulassen oder hochzuziehen. Sie stülpten mir eine Gasmaske über das Gesicht, was ich hasste. Sie gaben mir eine schäbige Armee-Taschenlampe, wie sie auch Mouse hatte. Ich setzte mich auf den Rand des Schachtes und ließ mich langsam in die Dunkelheit hinab. Ich hing frei in der Mitte des Schachts, als sie mich langsam hinunterließen. "
  • Der abgeseilte Soldat trägt keine Schutzausrüstung, nicht mal einen Helm. Der Soldat ganz rechts im Bild trägt wenigstens einen Football-Schulterschutz und einen Stahlhelm; ich vermute, dass er entweder schon im Schacht war oder als nächstes dran ist.
    Eine solche rudimentäre Schutzausrüstung erwähnt auch Kavanaugh: "Also setzten sie mir einen Football-Helm auf, damit Steine, die auf meinen Kopf fielen, vom Helm abprallten. Dann zogen sie mir Football-Schulterpolster über das Hemd, damit mir herabfallende Steine nicht die Schultern brechen. Dann fädelten sie ein Seil um meine Taille und versahen es mit Riemen wie bei einem Fallschirmgurt, damit sie mich hoch- und runterziehen konnten."
    (Der Mann ganz rechts auf dem Foto ist übrigens nicht Richard Kavanaugh!)
Das Foto wurde vermutlich in der nördlichen Schultercaponnière aufgenommen. Die Soldaten arbeiten von einer hölzernen Plattform aus; über dem zweiten Schacht des Forts (in der Zantralcaponnière) hat man mit stählernen Doppel-T-Trägern gearbeitet, die heute noch dort liegen:

(Foto von 1983)