Vor meinem ersten Urlaub in Nordfriesland im Sommer 2021 hatte ich als Süddeutscher zugegebenermaßen noch nie etwas vom Danewerk (Dänisch: Danevirke) gehört. Dieses im Ursprung frühmittelalterliche Verteidigungswerk durchzieht Schleswig-Holstein zwischen Hollingstedt im Westen und Eckernförde im Osten.
Angesichts seiner Entstehungs-
und Blütezeit im Mittelalter wäre es eigentlich nicht im Scope meines Blogs.
Die Besonderheit dieser Verteidigungsanlage besteht allerdings darin, dass sie nicht
nur im Mittelalter militärisch genutzt, sondern auch in der Neuzeit immer
wieder für militärische Zwecke reaktiviert wurde:
- 1658 / 1660 im Dänisch-Schwedischen Krieg
- 1848 – 1851 in in der sogenannten Schleswig-Holsteinischen Erhebung
- 1861 – 1864 im Deutsch-Dänischen Krieg und zuletzt
- 1944 im 2. Weltkrieg
Der Deutsch-Dänische Krieg war
der erste von 3 Einigungskriegen, die letztlich zur Gründung des Deutschen
Kaiserreichs führten; ihm folgten der Deutsch-Österreichische (1866) und der
Deutsch-Französische Krieg (1870/71).
Auf die politischen Hintergründe
des Kriegs gehe ich hier nicht ein; letztlich ging es um die nationale
Zuordnung der Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg entweder zu
Dänemark oder zu einem zu schaffenden Deutschen Reich. Als Kriegsparteien
standen sich das mit Österreich verbündete Preußen (zusammen ca. 61.000
Soldaten) und Dänemark (ca. 38.000 Mann) gegenüber. Nicht nur die Mannstärke,
sondern auch die Ausrüstung unterschieden sich deutlich:
Die Dänische Infanterie war
durchweg mit gezogenen Vorderladergewehren ausgerüstet, davon jeweils zur
Hälfte
- Dornbüchsen: Perkussionsgewehre, bei denen das Geschoss durch Auftreiben mit dem Ladestock auf einen Dorn am Kammerboden in die Züge gepresst wurde
- Minié-Gewehre: Mit Zügen versehene französische M1822 Perkussionsgewehre. Das mit einem Hohlboden versehene Expansionsgeschoss dehnt sich durch die Verbrennungsgase aus und wird so in die Züge gepresst.
Die Dänische Artillerie befand sich zum Zeitpunkt des Krieges in der Umstellung auf gezogene Vorderladergeschütze, hatte also neben gezogenen Geschützen immer noch überwiegend glattläufige im Einsatz, vor allem als Positionsgeschütze.
Erwähnt werden muss auch eine Batterie mit 16 Espingolen, einem Vorläufer der Mitrailleuse, die allerdings nicht überzeugen konnten.
Die Preussische Infanterie war
mit dem Zündnadelgewehr ausgerüstet, einem einschüssigen Hinterladergewehr mit
Zylinderverschluss und Nadelbolzen, das eine Papierpatrone mit Schwarzpulver,
Zündpille und Geschoss verfeuerte. Beim Schuss durchstach der Nadelbolzen die
Treibladung und entzündete die Zündpille, die wiederum die Treibladung
entzündete.
Genau wie die Dänische hatte auch die Preußische Artillerie gezogene und glattläufige Geschütze im Einsatz. Unter den gezogenen befanden sich allerdings auch schon die ersten C/61 Hinterladergeschütze („Gezog. Gußstahl 6pfdr. mit Kolbenverschluß“), hier ein Modell
Die Österreichische Infanterie verwendete das Lorenz-Gewehr, einen Perkussions-Vorderlader. Die Artillerie war durchgängig mit gezogenen Vorderladerkanonen ausgestattet.
Zum Verlauf des Krieges:
Am 1. Februar 1864 überschritten
die Preußisch-Österreichischen Truppen, die bereits seit Ende 1863 die
Herzogtümer Holstein und Lauenburg besetzt hatten, die Eider, den damaligen
Grenzfluss zwischen Schleswig und Holstein. Dieser Tag gilt als Beginn des
Deutsch-Dänischen Krieges.
Das Preußische Heer hatte das
Ziel, im Osten die Schlei zu überschreiten und das Dänische Heer von hinten
einzuschließen. Nach ersten Misserfolgen bei Missunde gelang die Überschreitung
der Schlei am 6. Februar bei Arnis.
Das Österreichische Heer rückte
in Richtung Danewerk vor. Ca. 10 Kilometer vor diesem kam es zu schweren
Gefechten, woraufhin sich die Dänen zum Danewerk zurückzogen.
In der Nacht vom 5. auf den 6.
Februar gaben die Dänen das Danewerk auf (auf die Gründe werde ich noch
eingehen) und zogen sich nach Norden zurück; ein großer Teil des Dänischen
Heeres gelangte so zu den Düppeler Schanzen (Dänisch: Dybbøl Skanser) bei
Sonderburg, nordöstlich von Flensburg, ein anderer Teil nach Jütland.
Dänemark baute das Danewerk ab
1861 als Danewerkstellung aus, die sich von Husum im Westen bis über das Ende
des Danewerks hinaus zur Schlei-Mündung im Osten erstreckte. Zwischen Louisenlund
und Eckernförde gab es weitere befestigte Positionen. Die Gesamtlänge der
Befestigungslinien betrug ca. 80km.
An der Ostflanke zwischen der Schlei-Mündung
und Schleswig wurden alle potenziellen Übergänge über die Schlei abgesichert;
die Schlei selbst diente als Wasserhindernis.
An der Westflanke entstand durch
Aufstauung von Treene und Rheider Au ein Überschwemmungsgebiet als
Wasserhindernis. Die Orte Husum, Friedrichstadt, Süderstapel und Hollingstedt
wurden durch Schanzen abgesichert.
In Bezug auf die Gesamtanzahl der
Artillerieschanzen ist die Literatur nicht einheitlich. Ich habe die Angaben
21, 23, 26 oder 29 Schanzen gefunden, wobei meistens nicht klar ist, auf
welchen Abschnitt der Danewerkstellung sich die Zahlen jeweils beziehen. Der
Große Generalstab erwähnt 1886 rückblickend sogar „33 mit schwerem Geschütz
besetzte Erdwerke“.
Die Dänische Generalstabskarte
von 1864 zeigt zwischen Hollingstedt und dem Haddebyer Noor 23 Schanzen:
Ich habe mit Hilfe von Luftbildaufnahmen und Bodenreliefdarstellungen versucht, die Schanzen aus dieser Karte nachzuvollziehen. Das ist mir nur in 7 Fällen sicher gelungen; die restlichen Schanzen wurden entweder abgetragen oder überbaut. Die Abtragung erfolgte bereits im März 1864, wie ein Artikel der „Illustrierten Zeitung“ vom 8. Mai 1864 beschreibt, zu dem das folgende Bild gehört:
Die Schanzenpositionen der Generalstabskarte habe ich auf eine moderne Karte übertragen:
Hier eine Übersicht der
Schanzen, die im Gelände immer noch erkennbar sind; Schanze XIV wurde 2001
rekonstruiert:
Im Bereich Krumm- und Hauptwall wurden die Schanzen XIV, XVI, XVIII, XIX, XX, XXI in den mittelalterlichen Wall eingebaut. Dazu wurde das Material des Walls verwendet, wodurch große Lücken um die Schanzen herum entstanden, die im Luftbild gut erkennbar sind (hier als Beispiel Schanze XVIII):
Warum nun gaben die Dänen dieses Verteidigungswerk Anfang Februar 1864 auf, nachdem mehrere Jahre lang daran gearbeitet worden war? Der Hauptgrund war sicherlich, dass man angesichts der winterlichen Witterungsverhältnisse befürchten musste, dass die Schlei und das Überschwemmungsgebiet Treene / Rheider Au überfrieren und dadurch ihrer Hindernisfunktion beraubt werden könnten. Das würde es Preußen und Österreichern ermöglichen, das Danewerk an den Flanken zu umgehen und die Dänische Armee einzukesseln.
Ein zweiter Grund war der
Umstand, dass die Danewerkstellung zu
Beginn des Krieges noch nicht vollendet war. Einige Schanzen waren noch im Bau
oder nur teilweise oder gar nicht bewaffnet, und die notwendigen Barackenlager
für die Unterbringung der Dänischen Soldaten waren nur zu einem geringen Teil
fertiggestellt. Eine Unterbringung in Zelten kam wegen der winterlichen
Bedingungen nicht in Frage, wie auch jegliche Bau- und Konstruktionsarbeiten
durch die Witterungsverhältnisse extrem erschwert waren.
Grund Nummer 3: Für die Verteidigung der kompletten Danewerkstellung standen bei weitem nicht genügend Soldaten zur Verfügung.
Insgesamt kann man die
Entscheidung zur Räumung also gut nachvollziehen.
Bei meinen Reisevorbereitungen
stieß ich zuerst auf Schanze XIV, die im Google-Luftbild gut erkennbar ist und
bemerkenswert gut erhalten zu sein scheint:
Tatsächlich ist das, was man heute als Schanze XIV vorfindet, eine sehr gut gelungene Rekonstruktion aus den Jahren 2001-2003, errichtet von dänischen und deutschen Pionieren.
Schanze XIV ist – wie alle
anderen Schanzen der Danewerkstellung - eine Feldschanze, ein reines Erdwerk mit einer 9 Meter hohen Feuerlinie.
Dem Luftbild nach handelt es sich
um eine Redoute mit 5 Splitterschutzbänken, 5 Geschützplattformen und ohne
Reduit, sprich: ohne Blockhaus. Blockhäuser gab es in nur wenigen
Danewerk-Schanzen, beispielsweise in Schanze X und XII:
Kleiner Exkurs: Bei meinen Recherchen hat mich überrascht, wie gut der Deutsch-Dänische Krieg fotografisch dokumentiert ist. Natürlich liegt der Schwerpunkt dieser Fotos auf den Düppeler Schanzen, aber auch zur Danewerkstellung findet man etliche Aufnahmen. Neben Fotos ist der Krieg natürlich auch in verschiedenen Zeichnungen, Gemälden und Stichen dokumentiert, die die Realität z.T. erstaunlich gut wiedergeben. So findet man z.B. das oben gezeigte Blockhaus von Schanze 12 als Stich in einer Ausgabe der Britischen Zeitung „The Illustrated London News“ von 1864 wieder:
Ende des Exkurses, zurück zur Schanze XIV.
Auf einer Informationstafel bei
der Schanze ist die folgende Abbildung zu sehen, die dem Luftbild größtenteils
entspricht; es fehlen allerdings die beiden kehlseitigen Geschützplattformen:
Nun wird es interessant: Die ursprüngliche Bauplanung von 1861 sah nur 3 Splitterschutzbänke vor, wie die beiden folgenden Pläne aus dem historischen Zeichnungsarchiv des Dänischen Ingenieurskorps (Ingeniørkorpset) zeigen:
Die Verwirrung wird komplett, wenn man das folgende Foto betrachtet. Es entstand 1864 nach Aufgabe der Schanze durch die Dänen:
Es wurde im Schanzeninneren vom Kehlwall aus in östlicher Blickrichtung aufgenommen und zeigt links die mittlere, dem Schanzeneingang nächstgelegene Splitterschutzbank sowie im Hintergrund zwei vermeintliche Splitterschutzbänke links und rechts der Geschützplattform in der Spitze.
„Vermeintlich“ deshalb, weil es zwei aufschlussreiche Details gibt, hier rot hervorgehoben:
Wie lassen sich diese Details interpretieren?
Die Auflösung gibt die „Sammlung
von Feldkonstruktionen“ (Samling af Feltconstruktioner) des Dänischen
Kriegsministeriums von 1861. Darin findet sich die Prinzipskizze einer Redoute
mit genau den beiden vermeintlichen Splitterschutzbänken, die auf den Bauplänen
fehlen
Des Rätsels Lösung: Es handelt sich nicht um Splitterschutzbänke, sondern um Munitionsunterstände aus Holz, mit Erde überdeckt. Der Seitenschnitt sieht so aus:
Und hier die Sicht von oben:
Die Rekonstruktion der Schanze XIV von 2001 ist in diesem Punkt also ein wenig ungenau (was allerdings angesichts der Gesamtqualität absolut verschmerzbar ist).
Wie ein solcher
Munitionsunterstand in der Realität aussah, sieht man auf dem folgenden Foto
der Schanze VII (Dybbøl) genauer:
Ich habe versucht, das Foto aus dem Inneren von Schanze XIV von 1864 nachzustellen; dazu habe ich in ein Foto, das ich vor Ort gemacht habe, den Eingang zum rechten Munitionsraum hineinkonstruiert.
Hier das Originalfoto:
Und die Montage:
Vollständigkeitshalber hier noch ein Foto der drei „echten“ Splitterschutzbänke:
Zur artilleristischen Ausstattung von Schanze XIV kann ich leider nur wenig sagen, außer dass auf den Geschützplattformen Platz für 13 Kanonen war. Ich habe eine Angabe gefunden, dass primär die Dänischen Positionskanonen in den Schanzen zum Einsatz kamen; im mittleren Teil der Danewerkstellung zwischen Busdorf und dem Überschwemmungsgebiet im Westen seien 117 Kanonen aufgestellt gewesen, heißt es (im Durchschnitt also 5 Kanonen pro Schanze):
- 21 leichte glatte 84-Pfünder
- 24 glatte 24-pfündige Granatkanonen (verschossen mit Sprengstoff gefüllte Hohlgeschosse)
- 26 leichte glatte 18-Pfünder
- 6 glatte 12-Pfünder
- 36 glatte 6-Pfünder Kugelkanonen
- 4 gezogene 12-Pfünder
Eine andere Quelle spricht für die
Schanzen „von Kurburg bis Danewerk“, zu denen auch Schanze Nr. XIV gehört, von
- 1 84-Pfünder
- 2 4-Pfünder (sind in der obigen Auflistung nicht genannt)
- 2 18-Pfünder
- 2 6-Pfünder
Das klingt als Ausstattung der
Schanze XIV zumindest nicht unplausibel.
Dieser Ausschnitt eines
Holzstichs von Schanze VI in Dybbøl zeigt drei 84-Pfünder Positionskanonen:
Merkwürdigerweise sind auf dem Foto des Schanzeninneren von 1864 keine Positionskanonen auf der zentralen Geschützplattform zu sehen. Diese Kanonen waren nicht so mobil und transportabel wie Feldkanonen, weswegen ich davon ausgehe, dass die Dänen sie bei ihrem eiligen Abzug vom Danewerk unbrauchbar gemacht und zurückgelassen haben. Es sind dafür etliche großrädrige Lafetten zu sehen; aufgrund der schlechten Bildqualität vermag ich sie allerdings nicht mit Sicherheit zu identifizieren.
Überträgt man alle geschilderten
Erkenntnisse in einen Plan der Schanze XIV, sieht das folgendermaßen aus:
Mit Legende:
Die maximal mögliche
Kanonenausstattung ist orange hervorgehoben.
Abschließen noch zwei
Damals-Heute-Vergleiche.
Bei Wikipedia findet man einen
teilkolorierten Holzschnitt von 1864, der im Vordergrund die Waldemarsmauer mit
patrouillierenden dänische Soldaten zeigt und im Hintergrund Schanze XIV. In der
unkolorierten Originalversion sieht das Bild so aus:
Ich habe versucht, diese Perspektive fotografisch nachzuvollziehen; hier das Ergebnis:
Das zweite Motiv ist eine Fotografie der Schanzenkehle aus der Ferne:
Und so sieht das heute aus:
Das letzte Bild zeigt Schanzarbeiten am Danewerk südwestlich von Schanze XIV; die Schanze ist im Hintergrund zu sehen (roter Pfeil). Dieses Motiv lässt sich heute leider nicht mehr nachstellen, da die Sicht auf die Schanze durch Vegetation versperrt ist.
Schanze II am Busdorfer Weiher
(Bustrup Skanse)
Obwohl Schanze XIV durch die
Qualität ihrer Rekonstruktion ungemein beeindruckend ist, hat mich Schanze II
am meisten fasziniert. Sie lag am heutigen Busdorfer Weiher, südlich von
Schleswig und unweit des Wikingermuseums Haithabu.
Der primäre Trigger meines
Interesses war ein Satz im Artikel zum Danewerk bei Wikipedia, Zitat: „Die
modernste Anlage war Schanze II am Busdorfer Teich, die einen betonierten
Artilleriebunker besaß, den ersten seiner Art in Europa.“
Dieser Satz ist von einer teilkolorierten
Zeichnung begleitet mit dem Untertitel „Holzschnitt von 1864: Die Schleifung
von Schanze II bei Busdorf im April 1864 durch Schleswiger Bürger. Es stehen
noch Teile des Artilleriebunkers. Links: Das Obeliskendenkmal von 1853 vor
einem Massengrab mit 500 bei Idstedt Gefallenen.“
Das ließ darauf schließen, dass
ich von der Schanze nicht mehr viel sehen würde, aber die Neugier, vielleicht
doch noch Reste des „betonierten Artilleriebunkers“ vorzufinden, siegte dann
doch.
Das Luftbild bei Google ist eher
ernüchternd:
Der erste Schritt der Reisevorbereitung bestand darin, die Wikipedia-Zeichnung genauer unter die Lupe zu nehmen. Was mir sofort auffiel: Die Menschen, die da mit Spitzhacken, Schaufeln und Schubkarren abgebildet sind, sind definitiv keine Schleswiger Bürger – es sind Soldaten, und zwar Dänische!
Das hat mich bewogen, nach diesem Holzschnitt bei anderen Quellen zu suchen – und ich wurde fündig. Ich bin auf 2 verschiedene Digitalisate gestoßen:
Das Geschichtszentrum Dybbøl
Banke identifiziert das Bild als „Holzschnitt von C. Neumann nach einer Skizze
von Carl Bøgh und eingebracht unter anderem „Zweihundert Holzschnitte aus dem
Krieg in Dänemark 1864 - Erstmals veröffentlicht in Illustreret Tidende Nr.
227, 5. Bd. am 31. Januar 1864.“. Auf dem Bild ist zu lesen „Skandsearbeide ved
Bustorp“, also Schanzarbeiten bei Busdorf.
Das zweite Digitalisat trägt die
Aufschrift „Skandsearbejde ved Bustrup i Januar 1864“:
Es geht also nicht um die Schleifung der Schanze im April 1864, sondern um Schanzarbeiten im Januar 1864, also kurz vor Kriegsausbruch. Das ist nicht verwunderlich, wenn man sich den folgenden Ausschnitt einer Karte von Schleswig (Slesvig) aus dem Jahr 1863 genau ansieht:
Während Schanze I deutlich sichtbar ist, fehlt Schanze II völlig, d.h. sie war zum Zeitpunkt der Kartenerstellung 1863 noch gar nicht gebaut.
Die Schanze ist auf dem
Holzschnitt von 1864 also definitiv noch nicht fertiggestellt, dazu später
mehr.
Hier nun ein paar Fotos meines
Besuchs. Das erste zeigt den 1853 errichteten Obelisken, der auf dem
Holzschnitt links der Schanze zu sehen ist. Er markiert ein Massengrab, in dem
ca. 500 dänische und schleswig-holsteinische Gefallene der der Schlacht von
Istedt am 24. und 25. Juli 1850 (Schleswig-Holsteinische Erhebung) bestattet
sind. Der Obelisk ist den Dänischen Gefallenen gewidmet:
Für die Schleswig-Holsteinischen Gefallenen gibt es eine Gedenktafel an einer anderen Stelle, einem gemauerten Vorsprung mit einer Dänischen Kanone darauf. Diese steht allerdings in keinem Zusammenhang zur Schanze II, sondern stammt aus der Zeit der Schleswig-Holsteinischen Erhebung und wurde 1864 dort aufgestellt:
Ansonsten ist das Terrain unspektakulär und völlig frei von sichtbaren Resten der Schanze – leider.
Das folgende Foto habe ich auf
dem Uferweg „Kapaunenberg“ von einem Punkt westlich der ehemaligen Schanze mit
Blickrichtung Südost aufgenommen. Vor 150 Jahren hätte man hier den südlichen Schanzenwall gesehen:
Nachdem der Besuch keine Informationen über die Schanze lieferte, waren weitere Recherchen nötig.
Als erstes stieß ich auf ein Foto
aus dem Jahr 1864, das ich mir zunächst nicht erklären konnte:
Es zeigt eine Art hölzernen Unterstand im Inneren der Schanze II und ist untertitelt mit „Ansicht des bedeckten Geschützstandes“. Weitere Fotos habe ich (noch) nicht gefunden, dafür aber etwas viel Besseres: Pläne! Sie stammen wie die Pläne von Schanze XIV aus dem historischen Zeichnungsarchiv des Dänischen Ingenieurskorps (Ingeniørkorpset).
In 3 Plänen sind 2 Planvarianten
abgebildet. Diese hier dürfte diejenige sein, mit deren Realisierung zwischen
1863 und Januar 1864 begonnen wurde:
Der Plan ist nur mühsam interpretierbar, auch weil die Qualität des Scans nicht besonders gut ist. Der eigentliche Schanzenkörper ist relativ dunkel abgebildet. Von ihm gehen in helleren Grautönen gehaltene Elemente aus, die den Eindruck eines optionalen Ausbaus erwecken, beispielsweise der gedeckte Weg, der rechts in Richtung Kapaunenberg von der Schanze abgeht.
Ich habe den Plan des
Schanzenkörpers nachgezeichnet und korrekt eingenordet:
Zur Orientierung: Das kleine graue Rechteck südlich außerhalb der Schanze ist der Obelisk; man hat beim Bau der Schanze also darauf geachtet, das Massengrab auszusparen.
Natürlich hat mich am meisten
interessiert, ob sich der bei Wikipedia erwähnte „betonierte Artilleriebunker“
im Plan identifizieren lässt, daneben aber auch, ob sich der „bedeckte
Geschützstand“ des Fotos von 1864 verorten lässt.
Es gibt nur eine Struktur im
Plan, in die man eins der beiden Elemente hineininterpretieren könnte, obwohl
es auf den ersten Blick alles andere als klar ist, was man da eigentlich sieht:
Das hellgraue Rechteck oberhalb des Obelisken mit einem trapezförmigen Gebilde
rechts davon.
Des Rätsels Lösung offenbart auch
bei dieser Schanze wieder die „Sammlung von Feldkonstruktionen“ (Samling af
Feltconstruktioner) des Dänischen Kriegsministeriums von 1861. Darin findet
sich folgende Aufsicht-Zeichnung einer gedeckten Geschützstellung:
Ergänzend findet man auch die Sicht von der offenen Rückseite in die gedeckte Geschützstellung hinein:
Diese Zeichnung entspricht perfekt dem Foto des „bedeckten Geschützstandes“ von 1864. Im Plan kann man diesen Geschützstand dank der Draufsicht eindeutig dem hellen Rechteck zuordnen. Der tabellarischen Beschreibung in der Sammlung von Feldkonstruktionen zufolge bestand ein solcher Geschützstand aus Holz; er war mit Erde überdeckt, wie die folgende Zeichnung zeigt:
Was ist aber nun mit dem „betonierten Artilleriebunker“? Die Sammlung von Feldkonstruktionen hilft auch hier weiter. Der letzte Satz in der Beschreibung des „bedeckten Geschützstandes“ lautet: „Wenn es die Zeit erlaubt, empfiehlt es sich, die Frontblende in Beton auszuführen.“ Gemeint ist dieser Teil:
Auf dem Foto von 1864 ist die Frontblende natürlich nicht sichtbar, es kann aber davon ausgegangen werden, dass es sie gab. Der „bedeckte Geschützstand“ und der „betonierte Artilleriebunker“ sind damit identisch. Was für ein Euphemismus, einen nach hinten offenen hölzernen Geschützunterstand mit betonierter Frontblende einen „Artilleriebunker“ zu nennen!
Untergebracht waren darin zwei
24-pfündige Granatkanonen. Für die Schanze waren zwei weitere Kanonen
vorgesehen, die aber nicht aufgestellt wurden – wahrscheinlich deshalb, weil
die Schanze zu Kriegsbeginn nicht fertiggestellt war.
Auf dem Holzschnitt von C.
Neumann fehlt nahezu der gesamte Teil der Schanze rechts vom „bedeckten
Geschützstand“. Laut Plan hätte hier eine überhöhte offene Geschützplattform
für die beiden fehlenden Kanonen sein müssen, ein massives Gebilde.
Zur Orientierung habe ich den
Plan nummeriert und die Schussrichtungen der Kanonen eingezeichnet:
2 Gedeckte Geschützplattform mit Betonblende
3 Offene, überhöhte Geschützplattform
4 Munitionsunterstand
Der Munitionsunterstand scheint
prinzipiell denen von Schanze XIV geähnelt zu haben. Die entsprechende
Schnittzeichnung im originalen Schanzenplan ist leider nur recht klein und
undeutlich:
Legt man den Schanzenplan über das Google Maps Luftbild, sieht das so aus:
Das letzte Foto meines Besuchs zeigt noch einmal das „Kanonendenkmal“ (im Google Maps Overlay mit einem Asterisk markiert). Vor 150 Jahren hätte man an gleicher Stelle direkt auf die Betonblende des gedeckten Geschützstands geblickt.
Resümee
Auch wenn die
Danewerksstellung „nur“ aus Erdwerken bestand, ist sie eine außerordentlich
interessante Festungslinie, die mir auf jeden Fall mindestens einen weiteren
Besuch wert sein wird. Ich hoffe auch, irgendwann einmal das Danewerkmuseum besuchen
und dort weitere Informationen erhalten zu können. Leider ist das Museum im
Winter geschlossen – genau dann, wenn ich üblicherweise in Schleswig-Holstein
bin.
Auch mit der Waffentechnologie
des Deutsch-Dänischen Krieges werde ich mich ausführlicher befassen.
Zündnadelgewehre gegen Vorderlader, Hinterladergeschütze gegen
Vorderladergeschütze – dieser Krieg markiert einen bedeutsamen technologischen
Wandel, über den ich unbedingt mehr wissen möchte.
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