Sonntag, 31. Januar 2021

Fort George bei Inverness, Schottland

Fort George ist eine bastionierte Festung, die zwischen 1748 und 1769 ca. 18 km nordöstlich von Inverness in Nordostschottland auf einer Landzunge, die nach Westen in den Moray Firth bei Ardersier ragt, errichtet wurde. Es ist zwar gut 100 Jahre älter als mein üblicher Festungs-Scope, seine durchgehende militärische Nutzung macht es aber dennoch zu einem vorstellenswerten Objekt.

Zur Geschichte: Eine Vorgängeranlage gleichen Namens war 1727 in Inverness auf einem Hügel am River Ness am Standort einer mittelalterlichen Burg entstanden. Während des Jakobitenaufstands von 1745 kapitulierte die Garnison vor den Aufständischen unter Charles Edward Stuart, die im Februar 1746 Inverness besetzten. Als die Anlage zur Sprengung vorbereitet wurde, explodierte die Sprengladung vorzeitig und tötete unter anderem auch den leitenden Pionieroffizier.

Nach der Niederlage der Aufständischen in der Schlacht von Culloden 1746 erhielt der königliche Militäringenieur für Nord-Großbritannien, Generalleutnant William Skinner, den Auftrag, an der Stelle des ursprünglichen Fort George eine neue Festung zu errichten, um das Schottische Hochland endgültig zu befrieden.

Aufgrund des Widerstands der Einwohner von Inverness gegen dieses Vorhaben wurde dann allerdings der heutige Standort gewählt. Die Stelle war ideal, weil die Festung dort von drei Seiten her durch das Meer gegen Angreifer geschützt war.

Die Arbeiten begannen 1748. Zuerst wurden die östlichen, gegen Land gerichteten Verteidigungswerke gebaut, wohl um die Baustelle des Hauptwerks gegen mögliche Landangriffe verteidigen zu können. Die meisten Fachkräfte und Materialien wurden auf dem Seeweg eingebracht.

Rund 1.000 Soldaten wurden als Arbeitskräfte und zur Verteidigung der Baustelle bereitgestellt.

Bis 1757 waren die Hauptverteidigungsanlagen vorhanden. Als letztes der inneren Gebäude wurde ab 1763 die Kapelle errichtet.

Fort George wurde schließlich 1769 fertiggestellt, weit hinter dem Zeitplan. Es lag kostenmäßig enorm über dem Budget: Die ursprüngliche Schätzung für den Bau betrug ca. 93.000 GBP; die endgültigen Kosten waren mit über 200.000 GBP mehr als doppelt so hoch und lagen damit über dem damaligen Bruttosozialprodukt Schottlands.

Das Fort umfasst eine Fläche von 42 acres = ca. 17 ha, eingefasst von einem ca. eine Meile langen Begrenzungswall und war seinerzeit die größte Festungsanlage Großbritanniens. Es war festungsbautechnisch auf der Höhe seiner Zeit.

Für eine Besatzung von 2.000 Mann ausgelegt, enthielt es alle Einrichtungen einer kleinen Stadt: Es umfasste eine umfassende Reihe von Gebäuden für den Gouverneur und andere Offiziere, die Artillerie-Abteilung und eine große Infanterie-Garnison. Es gab ein Backhaus, ein Sudhaus und eine Kapelle, ein Lebensmittellager, ein Pulvermagazin für 2.500 Fässer Schießpulver und eine Waffenkammer.

Zu den Verteidigungsanlagen: Die Wälle weisen 4 vorspringende Bastionen und zwei Halbbastionen auf. Sie sind kasemattiert und boten so der Besatzung im Belagerungsfall eine beschusssichere Unterkunft. Auf der nördlichen und südlichen Seeseite sind dem Wall zwischen den jeweiligen Bastionen zwei Waffenplätze vorgelagert, die als Lunetten ausgeführt und über einen gedeckten Weg mit der jeweiligen Ausfallpforte verbunden sind. 

In der westlichen Spitze des Kernwerks befindet sich zwischen zwei Habbastionen eine Spitzenbatterie mit eigenem Pulvermagazin.

Die östlichen, landwärts gerichteten Verteidigungsanlagen sind am ausgefeiltesten: Hinter dem obligatorischen Glacis liegen, dem Kernwerk vorgelagert, 3 Verteidigungselemente, ein Ravelin und zwei Lunetten. Der Zugang zum Fort erfolgt über 2 Brücken durch den Ravelin, einen Brückenkopf, der vom Kernwerk aus bestrichen werden konnte. Von den beiden den Ravelin flankierenden Lunetten aus konnte die lange hölzerne Brücke zwischen Kernwerk und Ravelin unter Feuer genommen werden. Zwischen Kernwerk und den 3 beschriebenen vorgelagerten Verteidigungsanlagen liegt ein flutbarer breiter und tiefer Graben als massives Hindernis für Angreifer.

Hier nun ein Plan der Anlage:

Legende:

  1. Ravelin
  2. Wache (mit Arrestzellen)
  3. Duke of Cumberlands Bastion
  4. Prince of Wales Bastion
  5. Kasernegebäude
  6. Prince Henry Fredrick’s Bastion
  7. Prince William Henry’s Bastion mit Hauptpulvermagazin
  8. Prince Frederick William’s Halbbastion
  9. Duke of Marlborough’s Halbbastion
  10. Spitzenbatterie
  11. Waffenplätze vor den Ausfallpforten
  12. Lunetten (den Ravelin flankierend)

Ein sehr schönes zoombares Luftbild findet man auf der CANMORE-Seite (Nationale Datenbank für historische Monumente in Schottland).

Zum Zeitpunkt der Fertigstellung von Fort George war sein ursprünglicher Zweck, eine sichere Basis gegen die jakobitische Bedrohung zu schaffen, nicht mehr relevant – der Frieden war wieder in die Highlands eingekehrt. Wirtschaftliche und politische Faktoren hatten dazu geführt, dass es nach dem Aufstand von 1745 / 46 keine jakobitischen Aufstände mehr gab.
Es war zu viel für die Festung ausgegeben worden, um sie aufzugeben, und so wurde sie als Grundausbildungseinrichtung für Soldaten genutzt, die für den französischen und amerikanischen Krieg rekrutiert wurden. Fort George blieb in dieser Rolle bis Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Befürchtungen der französischen Wiederbewaffnung zu einer Neubewertung der Küstenverteidigungseinrichtungen führten. Fort George mit seiner herausragenden Position am Moray Firth war ideal gelegen, um den engen Kanal nach Inverness zu bewachen, und dementsprechend wurde die Anlage mit verbesserten Batterien ausgestattet. Fort George wurde auch das Regimentsdepot der Seaforth Highlanders und blieb es, bis sie 1961 mit den Cameron Highlanders zusammengelegt wurden. Die Rolle der Küstenverteidigung ist heutzutage beendet, aber das Gelände wird weiterhin vom Militär genutzt. Spätere Kürzungen und Umstrukturierungen der Armee führten zu regelmäßigem Wechsel der im Fort stationierte Einheiten; aktuell ist das Fort vom dritten Bataillon des Royal Regiment of Scotland („Black Watch“) besetzt.

Trotz seiner militärischen Nutzung kann das Fort besichtigt werden; es wird von Historic Scotland betreut. Mit Ausnahme einiger Kasernengebäude kann man sich frei bewegen; viele Elemente wie z.B. das Hauptpulvermagazin und einige Unterkunftsräume sind sogar ausdrücklich für Besucher hergerichtet.

Der vielleicht bemerkenswerteste Aspekt von Fort George ist heute, wie wenig es sich seit seiner Fertigstellung im Jahr 1769 geändert hat. Was heute noch existiert, ist mit wenigen Änderungen das, was Skinner geplant hatte. Und angesichts dessen ist der vielleicht beeindruckendste Aspekt des Forts, wie „neu“ es scheint, wenn man es besichtigt.

Die nachfolgenden Fotos entstanden bei einem Besuch im Mai 2011.

Brücke zum Ravelin:


Innentor des Ravelins:


Zugbrücke vom Ravelin zum Haupttor:


Blick von der Brücke auf die Prince of Wales Bastion:


Königliches Wappen über dem Haupttor („Principal Gate“ 1753 – 56). Das Wappen ist geviertelt: Schottland im ersten Viertel, Frankreich im zweiten, Irland im dritten und Hanover im vierten Viertel. Bemerkenswerterweise ist das Wappen Schottlands falsch:


Die Wache vom Fortinneren aus gesehen. Rechts vom Tor die Wachräume, links die Arrestzellen:


Unterkunftsraum in der Wache:


Graffiti in einer Arrestzelle. Für Trunkenheit während der Wache gab es 1831 60 Tage ...


Auf dem Plateau über der Wache befindet sich ein glattläufiger 13-Zoll-Mörser in der "Sea Service" Ausführung, vermutlich aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In der "Sea Service" Ausführung waren solche Mörser auf sogenannten Bombardierschiffen montiert, deren Aufgabe darin bestand, den Einschließungsring einer belagerten Festung von See her mit Mörserbomben zu beschießen. Ihre Höhenausrichtung war verstellbar, was die Griffe erklärt. In der "Land Service" Ausführung waren diese Mörser in Festungen installiert. Ihre Höhenausrichtung war fix und sie waren auf definierte Punkte im Vorfeld ausgerichtet.


Hier ein weiteres Exemplar in der "Sea Service" Ausführung im Fort:


Die Kaserne, von der Wache aus gesehen:


Innenräume der Kasene, im Stil des 18. Jahrhunderts hergerichtet:



Offiziersunterkunft:


Garnisonskapelle:


Pferdestall:


Pferdestall von innen:


Nun zu den Wallanlagen. Als erstes die Duke of Cumberlands Bastion; bei den Geschützen handelt es sich um gusseiserne, glattläufige Blomefield 9-Pfünder-Vorderladerkanonen auf eisernen Garnisonsgestellen, schätzungsweise aus der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts:



Richtskala:


Blick von der Duke of Cumberlands Bastion in Richtung südlicher Lunette und Prince of Wales Bastion mit Ausguck; links im Vordergrund der Ravelin:


Die mit Abstand interessanteste Kanone der Duke of Cumberlands Bastion befindet sich in der nördlichen Ecke. Es handelt sich um eine "RML 64-Pounder 64 cwt Gun Mark I" im Kaliber 160mm. Britische Geschützbezeichnungen aus dieser Zeit sind eigen:
  • RML (rifled muzzle loader) = Vorderladergeschütz mit gezogenem Lauf (3 Züge mit einer Drehung auf 640 cm)
  • 64 cwt = centum weight bezieht sich auf das Geschützgewicht und entspricht ca. 3.300 kg 
  • 64 pound = 29 kg bezieht sich auf das Geschossgewicht.
Die Mark I Version wurde 1864 eingeführt. Das einzige überlebende Exemplar weltweit befindet sich auf der Duke of Cumberlands Bastion von Fort George; es ist auf einer Drehlafette gelagert und in einem 270° Radius ausrichtbar, Reichweite 4,6 km. Kanonen wie diese stellen den Übergang zwischen alter Vorderladertechnologie und modernen Geschützen dar:


Die RML 64-Pounder 64 cwt Guns konnten verschiedene Granaten verschießen, unter anderem auch Schrapnelle:


Unter einem Teil der Duke of Cumberlands Bastion befinden sich beschusssichere Kasematten; die Reihe dieser Kasematten setzt sich unter dem Wall in Richtung Prince Henry Fredrick's Bastion fort:



Unterkunftskasematte von innen. Hinten rechts ein Kamin:


Blick in Richtung Tür:


Der Gang zur nördlichen Ausfallpforte, von der Hofseite aus gesehen:


Auf der anderen Seite des Tores: Die Lunette mit Waffenplatz (Blick von der Duke of Cumberlands Bastion zur Prince Henry Fredrick's Bastion):


Die Spitzenbatterie mit darunter liegendem Pulvermagazin. Bei dem Geschütz handelt es sich um einen 64-Pfünder:


Auch die Spitzenbatterie verfügt über ein Geschütz auf Schwenklafette, eine RML 64-Pounder 64 cwt Gun Mark II im Kaliber 160mm (die Mark II Version wurde 1866 eingeführt):


Die nachfolgende Schnittzeichnung zeigt eine Mark III Version (ab 1867). Im Unterschied zur Mark II Version verfügt die Mark III über ein schmiedeeisernes Innenrohr, das nach 1871 durch ein stählernes ersetzt wurde:

Die Prince William Henry's Bastion mit dem Hauptpulvermagazin:


Ein kupferverkleidetes Belüftungsfenster des Pulvermagazins:


Im Inneren des Pulvermagazins:


Weitere Ansichten aus dem Inneren (dass man in einem Pulvermagazin nicht raucht, sollte eigentlich selbstverständlich sein ...):




Fazit: Wer Schottland mag und sich für Festungen interessiert, für den ist ein Besuch von Fort George ein absolutes Muss!

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