Sonntag, 23. Juni 2024

Neues von Fort George

Bereits in den Jahren vor dem 1. Weltkrieg diente der Moray Firth als Stützpunkt für Schiffe der Royal Navy. Da er aber für große Kriegsschiffe zu seicht war, konnte er nur von kleinen Schiffen angelaufen werden; Hauptstützpunkt vor allem für größere Schiffe war der benachbarte Cromarty Firth.

Wenig bekannt ist, dass der Moray Firth im 1. Weltkrieg hauptsächlich von der „Mine Squadron One“ der US Navy genutzt wurde. Ab 1918 verlegte diese Einheit ein 320 x 50 km großes Minenfeld mit über 70.000 Minen („Northern Barrage“) zwischen den Orkney Inseln und Norwegen, um deutschen U-Boote daran zu hindern, in den Atlantik vorzudringen, und außerdem zu verhindern, dass Nahrungsmittel und Kriegsmaterial auf dem Seeweg nach Deutschland gelangen konnten. Die Stützpunkte der Mine Squadron One waren Inverness am Moray Firth (US Naval Base 18) und Invergordon am Cromarty Firth (US Naval Base 17). Kuriosum am Rande: In beiden Fällen wurden Whisky-Destillerien zu Navy-Stützpunkten umgewandelt, die Glenalbyn Distillery in Inverness und die Dalmore Distillery in Alness bei Invergordon.

Dass der Cromarty Firth bestens durch Küstenbatterien geschützt war, ist bekannt; über die North- und South-Sutor-Battery hatte ich bereits berichtet [Link].

Wie die im Moray Firth ankernden Schiffe geschützt und der Schiffsverkehr in den Firth hinein kontrolliert wurde, darüber ist wenig bekannt. Für meinen diesjährigen Schottland-Aufenthalt hatte ich mir vorgenommen, mehr dazu herauszufinden.

In der Vorbereitung war ich bereits auf eine 15-Pfünder-Batterie auf dem Chanonry Ness und eine Suchscheinwerfer-Batterie am Chanonry Point gestoßen. Der Chanonry Ness ist eine Landzunge, die gegenüber von Fort George in den Moray Firth hineinragt:

(© Open Street Maps Mitwirkende)

Fort George von Chanonry Ness aus gesehen:

Chanonry Ness von Fort George aus gesehen:

Über die militärischen Einrichtungen auf Chanonry Ness werde ich in einem späteren Post berichten.

Viel prädestinierter für eine Küstenbatterie wäre allerdings Fort George gewesen, eine Festung, die bereits im 18. Jahrhundert errichtet und seither ununterbrochen militärisch genutzt wurde.

So stattete ich 13 Jahre nach meiner letzten Besichtigung Fort George einen erneuten Besuch ab in der Hoffnung, Anhaltspunkte für eine dort installierte Küstenbatterie im 1. Weltkrieg zu finden. Ich hätte mir gerne auch die Küste nordöstlich des Forts angesehen, die jedoch nicht zugänglich ist, da das Hinterland für die im Fort stationierten Streitkräfte als Standortübungsplatz dient.

Da der Moray Firth wie bereits erwähnt für große Schiffe zu seicht ist, hätte ich eine Batterie von 6- oder 12-Pfünder Schnellfeuergeschützen an der Westspitze von Fort George erwartet, die die Einfahrt in den Firth beispielsweise vor feindlichen Torpedobooten hätte schützen können. Heute findet sich in der Spitzenbatterie wie bereits berichtet ein RML 64-Pounder 64 cwt Gun Mark II Vorderlader-Schwenklafettengeschütz im Kaliber 160mm, das mit Sicherheit im 1. Weltkrieg nicht eingesetzt wurde. Gleiches gilt für die benachbarten 12- und 18-Pfünder-Vorderladerkanonen, die nebenbei Repliken aus den 1990er Jahren sind:



Sollte es hier im 1. Weltkrieg eine Batterie von Schnellfeuergeschützen gegeben haben, ist davon auf jeden Fall nichts mehr zu sehen; auch in der Literatur fand ich bisher keinerlei Hinweise.

Es könnten natürlich mobile Geschütze wie z.B. QF 12-Pounder 8 CWT Field Guns eingesetzt worden sein (siehe auch Ru Con Battery); dann wäre ein Literaturhinweis sowieso der einzig mögliche Nachweis:

(Quelle: Wikipedia)

Auch wenn mir der Besuch in Bezug auf eine mögliche Küstenbatterie im 1. Weltkrieg keine neuen Erkenntnisse brachte, so bot er mir wenigstens die Gelegenheit, eine Einrichtung zu erkunden, die 2011 nicht zugänglich war:

Unter der Spitzenbatterie befinden sich ein kleines Pulvermagazin und zwei Doppelkasematten für 32-Pfünder-Vorderladerkanonen, mit denen im 18. Jahrhundert die Zufahrt zum Moray Firth gesichert werden sollte. In einem Plan von 1754 von Generalleutnant William Skinner, dem königlichen Militäringenieur für Nord-Großbritannien, sieht dieser Trakt wie folgt aus:

Legende:

  1. Prince Frederick William Halb-Bastion
  2. Duke of Marlborough Halb-Bastion
  3. Geschütz-Doppelkasematten
  4. Pulverkammer

Zwar war im Mai nur die linke Geschütz-Doppelkasematte geöffnet, sie hatte aber einiges Interessantes zu bieten.

Der gesamte Trakt ist durch eine Mauer vom Rest des Festungshofs abgetrennt. Hinter der Mauer befindet sich ein kleines Gebäude mit sechseckigem Grundriss, dessen Verwendungszweck mir im Moment noch unklar ist. In den Plänen Skinners ist es nicht enthalten, sondern taucht erst in einem Plan von Sir Charles Shipley aus dem Jahr 1787 auf.

Hier ein paar Fotos des Ensembles:



Was sofort auffällt: Die Eingänge der Doppelkasematten entsprechen nicht dem Skinner’schen Plan. Sie sind zum Hof hin nicht offen, sondern abgemauert und mit einer Tür und einigen schartenähnlichen Öffnungen versehen.

Auch im Inneren sieht man Unterschiede. Die beiden Kasemattenhälften sind durch eine Mauer voneinander abgetrennt; die Geschützscharten zum Meer hin sind verschlossen.

Hinweis am Rande: Zur Zeit meines Besuchs beherbergten die Räume eine Ausstellung namens „In the Land, of the People“ über Landschaft und Folklore Schottlands. Die großen Schautafeln der Ausstellung ließen es leider nicht zu, die Räume in Gänze zu fotografieren.

Die linke und rechte Hälfte der südlichen Doppelkasematte:


Deutlich zu erkennen ist die Ziegelmauer zwischen beiden Räumen.

Die beiden verschlossenen Scharten:


Im Skinner’schen Plan habe ich die Abmauerungen, die ich vorfand, rot eingezeichnet. Ich vermute, dass es in der nördlichen Doppelkasematte die gleichen Abmauerungen gibt; sie sind grün eingezeichnet.

Es gibt einige Hinweise darauf, warum die Kasemattenhälften getrennt und ihre Scharten verschlossen wurden. Offenbar wurden die Kasematten so in Pulvermagazine umgewandelt, vermutlich im 19. Jahrhundert.

Wichtigstes Indiz dafür ist die Beschriftung einer der beiden Türen:

„1000 Barrels“ dürfte die Kapazität des Magazins an Pulverfässern sein.

Die schartenähnlichen Schlitze neben und über der Tür dürften der Belüftung gedient haben:

Wer dieses Foto mit denen der Außenseite vergleicht, stellt fest, dass immer zwei Scharten auf der Innenseite in eine auf der Außenseite münden:

Lichtöffnungen oder Schießscharten würden gerade durch die Mauer führen.

Das nächste Indiz sind die Regale. Ich bin nicht sicher, ob es sich um Überreste der Originalregale handelt oder eine begonnene Rekonstruktion:

Was aber Original sein dürfte, sind die verwendeten Kupferhaken, mit denen die Regale an der Wand befestigt sind:

In Pulverkammern durften aus Explosionsschutzgründen ausschließlich nicht-funkenschlagende Metalle wie z.B. Kupfer oder Legierungen wie z.B. Bronze verwendet werden. Holzfußböden dienten dazu, Funkenschlag der genagelten Militärstiefel auf Stein zu vermeiden; in einer gedeckten Artilleriekasematte für 32-Pfünder würde man keinen Holzfußboden erwarten:

Ohne einen schriftlichen Beleg dafür zu haben, würde ich den Umbauzeitpunkt auf die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts schätzen. Ein oberirdisches Pulvermagazin wie das von Skinner in der Prince William Henry Bastion errichtete entsprach damals nicht mehr dem State-of-the-Art, Pulvermagazine unterirdisch und überdeckt zu bauen. Möglicherweise sah man die einfachste Abhilfe darin, die 32-Pfünder-Kasematten umzubauen und einer neuen Verwendung zuzuführen.

Abschließend noch drei Aufnahmen des Skinner’schen Pulvermagazins zwischen den beiden ehemaligen Geschützkasematten, leider nur von außen:

Plakette über der Eingangstür mit der Jahreszahl 1757:

Öffnung des Belüftungsgangs nach außern:

Hier geht es zum ursprünglichen Blogbeitrag zu Fort George.

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