Sonntag, 14. März 2021
Nachtrag zur Kirschbaumbatterie
Samstag, 6. März 2021
Kurzgefasst: Straßburg
Als ich bei meinen Recherchen zum Gruson-Wachtturm des Zwischenwerks 1 Gerolfing auf meine Fotos von Fort Ducrot bei Straßburg stieß, wurde mir einmal mehr schmerzlich bewusst, dass ich nach 38 Jahren Festungsexkursionen auf einem gigantischen Berg von Fotos und Daten sitze, allerdings bei weitem nicht genug Zeit zur Verfügung habe, alle auszuwerten und zu veröffentlichen.
Die Exkursion war allerdings nachhaltig beeindruckend. Nachfolgend also einfach ein paar Impressionen dazu:
Als erstes das Kriegstor 2 der Enceinte mit flankierendem Koffer:
Folgt man dem Sentier de la Caponniere am Canal du Faux-Rempart in Richtung Südwesten, kommt man bald an ein ungewöhnliches Gebilde, die Walzstahl-Kaponniere an der Bastion 15:
Nachtrag 15.04.21: Einen ausführlichen Bericht zur Rebbergstellung bei Straßburg gibt es hier.
Donnerstag, 4. März 2021
Die Lunette d’Arçon
Heute geht es ein wenig zurück in der Zeit im Verhältnis zu meinem üblichen Betrachtungszeitraum. Thema ist eine Besonderheit des Festungsbaus im ausgehenden 18. Jahrhundert, die sogenannte Lunette d’Arçon. (Redaktioneller Hinweis: Die Deutsche Schreibweise ist natürlich „Lünette“, aber da es sich bei dem vorgestellten Lunettentyp aber um eine Französische Erfindung handelt, bleibe ich im Folgenden bei der Französischen Schreibweise).
Prinzipiell
ist eine Lunette ein vorgeschobenes Verteidigungswerk mit 2 Facen (= Front-
bzw. Feldseiten) und zwei Flanken, eine Beschreibung, die auch auf viele Forts
des 19. Jahrhunderts zutrifft. Eine Lunette d’Arçon weist als Besonderheit
einen runden, zweigeschossigen Turm auf, der als Reduit dient. Er ist über eine
Traverse mit der Kontereskarpengalerie und (meist unterirdisch) mit dem
Hauptwerk verbunden.
Erdacht
wurde diese Konstruktion vom französischen Generalinspekteur für
Befestigungen, Jean
Claude Éléonore Le Michaud d´Arçon (1733 – 1800), dessen Namen sie trägt. Eine erste Version hatte
er angeblich schon 1778 für Toulon erwogen, sie wurde aber nie gebaut. In
seiner Schrift „Militärische und politische Betrachtungen zum Festungswesen“ schlug
er 1795 vorgelagerte Werke zum Schutz von Gebieten vor, die von der
Hauptfestung aus nur schwer oder gar nicht zu verteidigen waren, und verwendete
erstmalig den Begriff „à la d’Arçon”. Die baulichen Details solcher Werke hatte er
bereits 3 Jahre früher beschrieben.
Bis
ins 19. Jahrhundert hinein wurden etliche Lunettes d‘Arçon errichtet, so in Saint-Omer,
Metz, Besançon, Belfort,
Mont-Dauphin, Perpignan, Mainz, Landau und Palmanova. Nur wenige davon
existieren heute noch: Die von Mont-Dauphin ist die bekannteste, aber auch in
Besançon, Perpignan und Palmanova sind noch einige erhalten.
Als Reaktion auf die Weiterentwicklung der Artillerie dienten vor allem die späteren Ausführungen der Lunette d‘Arçon weniger zur besseren Verteidigung des Vorfelds, sondern vor allem dazu, den Feind zu zwingen, seine Belagerung weiter von der Festung entfernt zu beginnen. Sie stellen somit eine Vorstufe zu den detachierten Forts des 19. Jahrhunderts dar.
Nachfolgend möchte ich auf einige Beispiele eingehen.
1) Mont Dauphin
Ab 1792 wurde eine bereits 1728 errichtete einfache Lunette der Festung zu einer Lunette d’Arçon ausgebaut, wie sie heute noch existiert. Die Kehle der Lunette ist durch eine mit Schießscharten versehene Stumpfwinklige Mauer geschlossen, wie der nachfolgende Plan zeigt:
Schön erkennbar auch der Traversenbau, der vom Turm in
Richtung Lunettenspitze führt.
2) Metz
Von der Lunette d’Arçon in Metz ist heute leider nichts mehr zu sehen; sie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts eingeebnet und mit dem Krankenhaus Bon-Secours überbaut. Dieses alte Foto zeigt den Turm und die Reste der Wälle vor dem Abriss.
Hier ein Plan des Werks:
3) Perpignan
Auch die Festung Perpignan hatte eine Lunette d’Arçon mit dem Namen „Lunette de Canet“. Die Lunette selbst ist heute vollständig verschwunden; einzig der beeindruckende Reduit-Turm ist noch erhalten. Hier gibt es ein Foto des Turms; besucht habe ich ihn bisher nicht, er ist aber auf jeden Fall auf meiner Bucket List.
4) Landau
In
Landau wurden die Reste der Lunette 41 wiederentdeckt und werden gegenwärtig
restauriert. Erhalten ist ein Teil des Mauerwerks der Lunette sowie das
Fundament des Turms; Traverse und Spitze der Lunette liegen unter der
benachbarten Bahntrasse.
Der
Festungsbauverein Landau (Les Amis deVauban) betreibt eine Seite über die Festung Landau und bietet auch Führungen durch
das unterirdische Gangsystem, das über den Turm der Lunette 41 erschlossen
wurde, an.
Bei
meinem Besuch 2020 fanden Covid-19-bedingt leider keine Führungen statt, so
musste ich mich mit einer knappen Begutachtung von außerhalb des Bauzauns aus begnügen:
5) Mainz
Die Angabe, die Festung Mainz habe ebenfalls eine Lunette d’Arçon gehabt, fand ich in einer französischen Quelle. Verifizieren konnte ich das bisher nicht. Ich bin lediglich auf die (heute verschwundene) Lunette auf der Petersaue, einer Rheininsel, gestoßen, die einen Turm aufwies; dabei dürfte es sich aber wahrscheinlich nicht um einen Tour d’Arçon gehandelt haben, sondern um einen Montalembertschen Artillerie-Turm.
6) Palmanova
Im Luftbild lassen sich mindestens 6 von ehemals 9 der der sternförmigen Hauptfestung vorgelagerte Lunetten mit Gebäuden (auf Italienisch „Lunette Francesi“) ausmachen, die allerdings von der sonst üblichen Form der Lunette d’Arçon abweichen: Die in der Kehle gelegenen Gebäude sind nicht rund, sondern rechteckig; nur die ins Lunetteninnere weisende Seite ist gerundet. Eine zentrale Traverse scheint auch bei allen 6 Lunetten zu fehlen. Bei meinem Besuch 2019 habe ich leider keine Fotos dieser Lunetten gemacht; auf Google Maps gibt es eine schöne Aufnahme des Reduitgebäudes der südöstlichen Lunette.
7) Besançon
2012 konnte ich im Rahmen einer Festungsexkursion nach
Besançon eine der dortigen Lunettes d’Arçon in Augenschein nehmen, die Lunette
de Trois Châtels (auf manchen Karten auch „Fort de Trois Châtels“ genannt).
Diese Lunette und ihr Schwesterwerk, die Lunette de Tousey,
befinden sich auf den Flanken des Mont Saint-Étienne, süd-südöstlich der
Zitadelle; Trois Châtels ist nach Norden ausgerichtet, Tousey nach Westen. Beide
Lunetten können entweder als eine Art dritte Verteidigungslinie auf dem linken
Doubs-Ufer angesehen werden oder als Bestandteil der zentralen Verteidigungslinie,
der Zitadelle vorgelagert.
Der Standort war bereits im 17. Jahrhundert von Vauban für
eine leichte Befestigung in Erwägung gezogen worden. Es dauerte allerdings bis
zum Ende des 18. Jahrhunderts, wahrscheinlich zwischen 1791 und 1794, bis die
beiden Lunetten durch General d'Arçon errichtet wurden. Dies geschah allerdings
in solcher Eile, dass aus Fehleinschätzungen des Geländes und der überstürzten
Vorgehensweise deutliche konstruktive Mängel resultierten.
Die beiden Festungswerke erhielten zunächst offiziell die
Namen “Lunette de Rostaing“ (Trois Châtels) und „Lunette d’Arçon“ (Tousey),
aber genau wie bei den anderen Forts rund um Besançon setzten sich bald die gebräuchlichen
Ortsnamen durch.
1814, also kurz nach der Einweihung, waren beide Lunetten
bereits so baufällig, dass sich während des napoleonischen Feldzugs gegen die
Alliierten die französischen Befehlshaber weigerten, sie zu besetzen. Während
der darauffolgenden Restauration wurden die Lunetten verstärkt.
Weder während des Krieges von 1870 noch des ersten
Weltkriegs waren die Lunetten in Kampfhandlungen verwickelt, dafür aber am 7.
September 1944 bei der Befreiung von Besançon durch die Amerikaner.
Nachdem beide Lunetten nach dem Krieg einige Zeit verlassen
waren, gerieten sie in Privatbesitz. Der neue Eigentümer gestaltete die Lunette
de Tousey in ein bemerkenswertes Wohnhaus um; Trois Châtels wurde zum Zeitpunkt
meines Besuchs noch restauriert und konnte nur von außen besichtigt werden.
Beide Festungswerke bestehen als typische Lunettes d‘Arçon aus
einem großen, dreieckigen Retranchement, auf der Kehlseite offen und mit
vorgelagertem tiefem Graben, einem turmförmigen Reduitgebäude, das unterirdisch
mit einem Grabenkoffer in der Gegenböschung verbunden ist, und einer Traverse
mit Gewölbeunterstand. Einen schönen Plan findet man hier.
Nachfolgend ein paar Aufnahmen der Exkursion von 2012. Als erstes der Reduit-Turm:
Zum Schluss noch ein Blick aus der Ferne auf die Lunette de Tousey:
Weitere Bilder gibt es auf der Seite von Andreas Liebold, der 2012 ebenfalls dabei war.
Sonntag, 31. Januar 2021
Fort George bei Inverness, Schottland
Fort George ist eine bastionierte Festung, die zwischen 1748 und 1769 ca. 18 km nordöstlich von Inverness in Nordostschottland auf einer Landzunge, die nach Westen in den Moray Firth bei Ardersier ragt, errichtet wurde. Es ist zwar gut 100 Jahre älter als mein üblicher Festungs-Scope, seine durchgehende militärische Nutzung macht es aber dennoch zu einem vorstellenswerten Objekt.
Zur Geschichte: Eine Vorgängeranlage gleichen Namens war 1727 in Inverness auf einem Hügel am River Ness am Standort einer mittelalterlichen Burg entstanden. Während des Jakobitenaufstands von 1745 kapitulierte die Garnison vor den Aufständischen unter Charles Edward Stuart, die im Februar 1746 Inverness besetzten. Als die Anlage zur Sprengung vorbereitet wurde, explodierte die Sprengladung vorzeitig und tötete unter anderem auch den leitenden Pionieroffizier.
Nach der Niederlage der Aufständischen in der Schlacht von Culloden 1746 erhielt der königliche Militäringenieur für Nord-Großbritannien, Generalleutnant William Skinner, den Auftrag, an der Stelle des ursprünglichen Fort George eine neue Festung zu errichten, um das Schottische Hochland endgültig zu befrieden.
Aufgrund des Widerstands der Einwohner von Inverness gegen dieses Vorhaben wurde dann allerdings der heutige Standort gewählt. Die Stelle war ideal, weil die Festung dort von drei Seiten her durch das Meer gegen Angreifer geschützt war.
Die Arbeiten begannen 1748. Zuerst wurden die östlichen, gegen Land gerichteten Verteidigungswerke gebaut, wohl um die Baustelle des Hauptwerks gegen mögliche Landangriffe verteidigen zu können. Die meisten Fachkräfte und Materialien wurden auf dem Seeweg eingebracht.
Rund 1.000 Soldaten wurden als Arbeitskräfte und zur Verteidigung der Baustelle bereitgestellt.
Bis 1757 waren die Hauptverteidigungsanlagen vorhanden. Als letztes der inneren Gebäude wurde ab 1763 die Kapelle errichtet.
Fort George wurde schließlich 1769 fertiggestellt, weit hinter dem Zeitplan. Es lag kostenmäßig enorm über dem Budget: Die ursprüngliche Schätzung für den Bau betrug ca. 93.000 GBP; die endgültigen Kosten waren mit über 200.000 GBP mehr als doppelt so hoch und lagen damit über dem damaligen Bruttosozialprodukt Schottlands.
Das Fort umfasst eine Fläche von 42 acres = ca. 17 ha, eingefasst von einem ca. eine Meile langen Begrenzungswall und war seinerzeit die größte Festungsanlage Großbritanniens. Es war festungsbautechnisch auf der Höhe seiner Zeit.
Für eine Besatzung von 2.000 Mann ausgelegt, enthielt es alle Einrichtungen einer kleinen Stadt: Es umfasste eine umfassende Reihe von Gebäuden für den Gouverneur und andere Offiziere, die Artillerie-Abteilung und eine große Infanterie-Garnison. Es gab ein Backhaus, ein Sudhaus und eine Kapelle, ein Lebensmittellager, ein Pulvermagazin für 2.500 Fässer Schießpulver und eine Waffenkammer.
Zu den Verteidigungsanlagen: Die Wälle weisen 4 vorspringende Bastionen und zwei Halbbastionen auf. Sie sind kasemattiert und boten so der Besatzung im Belagerungsfall eine beschusssichere Unterkunft. Auf der nördlichen und südlichen Seeseite sind dem Wall zwischen den jeweiligen Bastionen zwei Waffenplätze vorgelagert, die als Lunetten ausgeführt und über einen gedeckten Weg mit der jeweiligen Ausfallpforte verbunden sind.
In der westlichen Spitze des Kernwerks befindet sich zwischen zwei Habbastionen eine Spitzenbatterie mit eigenem Pulvermagazin.
Die östlichen, landwärts gerichteten Verteidigungsanlagen sind am ausgefeiltesten: Hinter dem obligatorischen Glacis liegen, dem Kernwerk vorgelagert, 3 Verteidigungselemente, ein Ravelin und zwei Lunetten. Der Zugang zum Fort erfolgt über 2 Brücken durch den Ravelin, einen Brückenkopf, der vom Kernwerk aus bestrichen werden konnte. Von den beiden den Ravelin flankierenden Lunetten aus konnte die lange hölzerne Brücke zwischen Kernwerk und Ravelin unter Feuer genommen werden. Zwischen Kernwerk und den 3 beschriebenen vorgelagerten Verteidigungsanlagen liegt ein flutbarer breiter und tiefer Graben als massives Hindernis für Angreifer.
Legende:
- Ravelin
- Wache (mit Arrestzellen)
- Duke of Cumberlands Bastion
- Prince of Wales Bastion
- Kasernegebäude
- Prince Henry Fredrick’s Bastion
- Prince William Henry’s Bastion mit Hauptpulvermagazin
- Prince Frederick William’s Halbbastion
- Duke of Marlborough’s Halbbastion
- Spitzenbatterie
- Waffenplätze vor den Ausfallpforten
- Lunetten (den Ravelin flankierend)
Ein sehr schönes zoombares Luftbild findet man auf der CANMORE-Seite (Nationale Datenbank für historische Monumente in Schottland).
Zum Zeitpunkt der Fertigstellung von Fort George war sein ursprünglicher Zweck, eine sichere Basis gegen die jakobitische Bedrohung zu schaffen, nicht mehr relevant – der Frieden war wieder in die Highlands eingekehrt. Wirtschaftliche und politische Faktoren hatten dazu geführt, dass es nach dem Aufstand von 1745 / 46 keine jakobitischen Aufstände mehr gab.
Es war zu viel für die Festung ausgegeben worden, um sie aufzugeben, und so wurde sie als Grundausbildungseinrichtung für Soldaten genutzt, die für den französischen und amerikanischen Krieg rekrutiert wurden. Fort George blieb in dieser Rolle bis Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Befürchtungen der französischen Wiederbewaffnung zu einer Neubewertung der Küstenverteidigungseinrichtungen führten. Fort George mit seiner herausragenden Position am Moray Firth war ideal gelegen, um den engen Kanal nach Inverness zu bewachen, und dementsprechend wurde die Anlage mit verbesserten Batterien ausgestattet. Fort George wurde auch das Regimentsdepot der Seaforth Highlanders und blieb es, bis sie 1961 mit den Cameron Highlanders zusammengelegt wurden. Die Rolle der Küstenverteidigung ist heutzutage beendet, aber das Gelände wird weiterhin vom Militär genutzt. Spätere Kürzungen und Umstrukturierungen der Armee führten zu regelmäßigem Wechsel der im Fort stationierte Einheiten; aktuell ist das Fort vom dritten Bataillon des Royal Regiment of Scotland („Black Watch“) besetzt.
Trotz seiner militärischen Nutzung kann das Fort besichtigt werden; es wird von Historic Scotland betreut. Mit Ausnahme einiger Kasernengebäude kann man sich frei bewegen; viele Elemente wie z.B. das Hauptpulvermagazin und einige Unterkunftsräume sind sogar ausdrücklich für Besucher hergerichtet.
Der vielleicht bemerkenswerteste Aspekt von Fort George ist heute, wie wenig es sich seit seiner Fertigstellung im Jahr 1769 geändert hat. Was heute noch existiert, ist mit wenigen Änderungen das, was Skinner geplant hatte. Und angesichts dessen ist der vielleicht beeindruckendste Aspekt des Forts, wie „neu“ es scheint, wenn man es besichtigt.
Die nachfolgenden Fotos entstanden bei einem Besuch im Mai 2011.
Brücke zum Ravelin:
Die Wache vom Fortinneren aus gesehen. Rechts vom Tor die Wachräume, links die Arrestzellen:
- RML (rifled muzzle loader) = Vorderladergeschütz mit gezogenem Lauf (3 Züge mit einer Drehung auf 640 cm)
- 64 cwt = centum weight bezieht sich auf das Geschützgewicht und entspricht ca. 3.300 kg
- 64 pound = 29 kg bezieht sich auf das Geschossgewicht.
Der Gang zur nördlichen Ausfallpforte, von der Hofseite aus gesehen:
Die Spitzenbatterie mit darunter liegendem Pulvermagazin. Bei dem Geschütz handelt es sich um einen 64-Pfünder: