Dienstag, 30. März 2021

Die Fuerte Illetas auf Mallorca

Festungen gibt es ja grundsätzlich auch in Gegenden, wo man sie zu allerletzt erwarten würde, so auch auf der Deutschen liebster Ferieninsel Mallorca. Dort gibt es sogar mehrere Forts und Batterien; eine dieser Anlagen möchte ich in meinem heutigen Blogbeitrag beschreiben: Die Fuerte Illetas.

Wer meine Website www.tavannes.de schon länger verfolgt, denkt sich jetzt möglicherweise: Hat er darüber nicht schon mal geschrieben? Ja, hat er, und zwar zu der Zeit, als dieser Blog noch auf Facebook lief. Leider ist der Beitrag aber meiner Löschung des dortigen Accounts zum Opfer gefallen, deshalb die Wiederholung.

Das Fort ist mit dem Auto relativ einfach zu erreichen. Am Ende einer Sackgasse versperrt ein zweiflügliges Stahltor die Weiterfahrt; ein Schild warnt vor Gefahr:

Zu Fuß lässt sich das Hindernis leicht umgehen; folgt man dem Weg hinter dem Stahltor in das Wäldchen hinein, gelangt man bald zur Festung.

Zunächst ein paar Worte zu Geschichte und Aufbau. Fuerte Illetas sollte zusammen mit einem zweiten Fort am Cap Enderrocat (heute ein Hotel der gehobeneren Preisklasse) den Hafen von Palma schützen. Die Planung des Forts begann 1895, Baubeginn war 1897, und die offizielle Übergabe an das Militär erfolgte 1904. Das Werk war zu diesem Zeitpunkt bereits veraltet und verlor, nicht zuletzt durch den Bau modernerer Küstenbatterien auf der Insel, bis zum 2. Weltkrieg stark an Bedeutung. Ab 1940 diente es als Militärgefängnis und wurde in den 90er Jahren vom Militär aufgegeben. Seitdem ist es verlassen und verfällt.

Das Fort hat einen trapezförmigen Grundriss und ist von einem Graben umgeben, der durch 3 Doppelkaponnieren und eine zweistöckige Kehlgrabenstreiche geschützt ist:


Die Angaben über die Bewaffnung des Forts sind verworren: 
  • Eine königliche Order vom Mai 1896 sah folgende Bewaffnung vor:
    • zwei 21cm Geschütze CHE (Cañón de Hierro Entubado = Kanone mit eisernem Rohr), 
    • zwei 15cm Ordóñez-Geschütze CHE,
    • vier 30,5cm Díaz Ordóñez Haubitzen OHS (Obús de Hierro Sunchado = mit Eisenringen verstärkte Haubitze) Modell 1891 und
    • acht Schnellfeuergeschütze unbekannter Bauart
        Die 30,5cm Díaz Ordóñez Haubitze Modell 1891:


  • Für das Kriegsjahr 1916 wird folgende Bewaffnung genannt: 
    • Vier stählerne 15cm Munaiz Argüelles Schnellfeuerkanonen 150/45 Modell 1900 (über dieses Modell liegen mir leider keine weiteren Informationen vor; möglicherweise eine fehlerhafte Bezeichnung) und 
    • sechs 15cm Ordóñez-Geschütze CHE Modell 1885, die später durch sechs 24cm Haubitzen OHS ersetzt werden sollten

  • Ein Rüstungsbericht vom 28. März 1923 beschreibt die gleiche Bewaffnung wie 1916, d.h. die Umrüstung von 15cm Ordóñez-Geschützen auf 24cm Haubitzen hatte noch nicht stattgefunden.

  • 1931 wird folgende Bewaffnung genannt:
    • Vier 15cm Munaiz Argüelles Schnellfeuerkanonen 150/45 Modell 1903 (nicht 1900!) und
    • sechs 15cm Ordóñez-Geschütze CHE Modell 1885

  • Die gleiche Artillerieausstattung wird auch zu Beginn des Spanischen Bürgerkriegs 1936 genannt, wobei die sechs Ordóñez-Geschütze als "nutzlos" bezeichnet werden.

  • 1940 sollten die vier Munaiz Argüelles Schnellfeuerkanonen in die Batterie Foradada verlegt werden, aber einer Studie des Generalstabs aus dem Jahr 1941 zufolge verfügte das Fort in diesem Jahr immer noch über zehn 15cm-Geschütze im Status "D" (montierte und feuerfähige Geschütze, jedoch ohne Feuerrichtung oder Hebezeuge). 

  • Ab 1941 wurde zumindest ein Teil der Geschütze demontiert und zu anderen Einsatzorten verschifft. Eine Bestandsaufnahme von 1947 gibt für die Fuerte Illetas als Bewaffnung nur noch 3 15cm Ordóñez-Geschütze CHE an.

  • Wieder einige Jahrzehnte später, Mitte der 1980er Jahre, verfügte das Fort nur noch über vier unbrauchbar gemachte Munaiz Argüelles 150/45 Schnellfeuergeschütze (1903), was der Bestandsaufnahme von 1947 widerspricht.
Insgesamt scheint es, als ob das Fort nie mit größeren Kalibern als 15cm ausgestattet gewesen wäre. Heute befinden sich auf dem Frontwall 7 Geschützstände, auf dem westlichen Flankenwall 2 weitere und in der Ecke zwischen Front- und Flankenwall noch einmal einer. Auf den 4 östlichen Geschützständen sind noch die charakteristischen Pivots für Munaiz Argüelles 150/45 Schnellfeuergeschütze (1903) vorhanden, auf den restlichen 6 findet man nur noch die kreisförmig angeordneten Befestigungsbolzen für die Pivotplatten der 15cm Ordóñez-Geschütze Modell 1885.

Hier eine Darstellung eines 15cm Munaiz Argüelles 150/45 Schnellfeuergeschützes (1903):

Und das 15cm Ordóñez-Geschütz Modell 1885; unten links angeschnitten die charakteristische Pivotplatte:

Hier das Geschütz im Querschnitt; die Pivotplatte ist gut zu erkennen:

Der Geschützlauf:


Weiter mit der Werksbeschreibung:

Unterhalb des Artilleriewalls gibt es mindestens 2 weitere Ebenen: Die ebenerdige Hofebene und eine zweite Hofebene mit umfangreichen Räumlichkeiten unterhalb des Niveaus der ersten.

Bemerkenswert sind vor allem die Unterkunftsgebäude im „tiefergelegten“ Hof.

Die nachfolgenden Foto-Impressionen stammen von einem Besuch im Jahre 2012. Schon damals war das Fort ziemlich verfallen und vandalisiert, und die Vegetation hatte es deutlich wieder in Besitz genommen. Wie das Fort heute aussieht, wage ich mir gar nicht vorzustellen. Das eingangs erwähnte Gefahren-Warnschild hatte damals schon seine Berechtigung und heute vermutlich umso mehr.

Das erste, was sich einem offenbart, ist der östliche Graben mit doppelstöckiger Kaponniere (das obere Stockwerk zum Bestreichen der Eingangsbrücke, das untere zur Grabenflankierung):




Der Eingang:

Ansicht vom Fortinneren aus:

Im Inneren der Kaponniere:




Einige Impressionen der oberen Hofebene und ihrer Räume:






Die Bettungen für die 15cm Munaiz Argüelles 150/45 Schnellfeuergeschütze mit den charakteristischen Pivots:



Hinter dieser Klappe endet der Munitionsaufzug:


Gestell für 5 Granaten:





Der oben erwähnte Munitionsaufzug:


Im Militärmuseum San Carlos in Palma de Mallorca befindet sich ein restaurierter Munitionsaufzug, der zur Verdeutlichung der Funktionsweise mit Munition bestückt ist:


Weiter geht es mit einer Geschützbettung für die 15cm Ordóñez-Geschütze. Sie ist deutlich kleiner als die Bettungen der 15cm Munaiz Argüelles 150/45 Schnellfeuergeschütze; man erkennt zwei der Befestigungsbolzen für die Pivot-Platte:


Gang zur südlichen Doppelkaponniere:


Im Inneren der Doppelkaponniere. Vandalismus, Müll und Wandbeschmierungen hatten im gesamten Fort schon damals einen schlimmen Umfang:


Dieser Feuerleitstand auf dem südlichen Artilleriewall stammt aus der Zeit des 2. Weltkriegs:


Im Inneren ist er leider total vandalisiert:


Während des aktiven Betriebs muss der Blick aufs Meer atemberaubend gewesen sein:


Blick entlang der oberen Hofebene zum Eingangsgebäude:


Weitere Impressionen der oberen Hofebene:






Und nun die untere Hofebene; als erstes die in einer 180-Grad-Kurve verlaufende Rampe hinunter in den westlichen Hof :


Die Räume entlang dieses Hofs sind eher unspektakulär ...


... bis auf diesen hier. Worum es sich handelt, darüber habe ich noch keinen Anhaltspunkt gefunden; vermutlich irgendeine Art von Presse:


Im östlichen Hof befinden sich die Unterkunftsgebäude:



Fazit: Die Fuerte Illetas ist ein sehr gut erhaltenes und interessantes Werk, das auf jeden Fall einen Besuch wert ist. Es ist allerdings zu befürchten, dass der Vandalismus heutzutage noch stärkere Ausmaße angenommen hat und dass auch die Natur das Werk noch umfangreicher zurückerobert hat.

Montag, 29. März 2021

Offtopic - Brustschild für Eierhandgranate 17

Wenn man sich mit französischen Festungen befasst, die im ersten Weltkrieg in Kämpfe involviert waren, stößt man bei seinen Begehungen früher oder später auf so etwas:


Das erste Foto zeigt eine französische Grenade CF ("Citron Foug"), das zweite eine ebenfalls französische Grenade F1, beide mit abgeschertem Zünder, aber ansonsten intakt (es versteht sich von selbst, dass man derart gefährliche Funde unangetastet lässt!).

Nach dem Motto "Kenne Deinen Feind" habe ich mich daher schon früh mit den im ersten Weltkrieg eingesetzten Handgranaten befasst. Was ich damals nicht erwartet hatte, war die ungeheure Vielzahl an Modellen und Kuriositäten, auf die ich stieß, und selbst heute noch entdecke ich immer wieder Neues.

Auch die deutsche Eierhandgranate 17 war unlängst für eine Überraschung gut. Es gab sie prinzipiell in einer Version ohne Splitterring ("a.A." = alte Art) und - wie unten gezeigt - einer mit Splitterring ("n.A." = neue Art), beide mit den unterschiedlichsten Zündern:

Die mittlere Granate ist mit einem Brennzünder 15 versehen, einem Reibzünder. Man riss mit einer kräftigen Bewegung den Reißdraht heraus, wodurch der Verzögerungssatz gezündet wurde; die Granate musste natürlich sofort geworfen werden.

Zum Ziehen des Reißdrahts bekam der Soldat ursprünglich eine Lederschlaufe mit Karabinerhaken, es gab aber auch andere Vorrichtungen.

Bei einem online Auktionshaus stieß ich vor einiger Zeit auf dieses seltene Objekt:


Es handelt sich um einen Brustschild (Abreißplatte) zum Zünden von Granaten mit Brennzünder 15. Er wurde mit Ledergurten vor der Brust getragen; der diagonale Haken diente zum Ziehen des Reißdrahts.  

In einem Lehrfilm von 1918 mit dem Titel "Der Infanterie-Nahkampf" (online verfügbar über das Bundesarchiv) gibt es ab Minute 13:03 eine Sequenz, die die Handhabung zeigt.

Der oben gezeigte Brustschild ist mittlerweile in meinem Besitz:

(Die Handgranate ist natürlich komplett delaboriert.)

Nachtrag 08.08.21: Mehr zum Brustschild gibt es hier.

Sonntag, 14. März 2021

Nachtrag zur Kirschbaumbatterie

Ich habe einen Plan der Kirschbaumbatterie südöstlich von Mundolsheim bei Straßburg gefunden:


Projiziert man den Plan über ein Luftbild, wird deutlich, wie groß die Batterie war; umso erstaunlicher ist es, dass davon heute wirklich gar nichts mehr zu sehen ist:






Samstag, 6. März 2021

Kurzgefasst: Straßburg

Als ich bei meinen Recherchen zum Gruson-Wachtturm des Zwischenwerks 1 Gerolfing auf meine Fotos von Fort Ducrot bei Straßburg stieß, wurde mir einmal mehr schmerzlich bewusst, dass ich nach 38 Jahren Festungsexkursionen auf einem gigantischen Berg von Fotos und Daten sitze, allerdings bei weitem nicht genug Zeit zur Verfügung habe, alle auszuwerten und zu veröffentlichen.

Die Fotos von Fort Ducrot entstanden bei einer Straßburg-Exkursion im Frühjahr 2014. Wir besuchten damals die Stadtumwallung (Enceinte), Fort Rapp / Moltke, Fort Mutzig (Feste Kaiser Wilhelm II), Fort Durcot / Podbielski, Fort Kleber / Bismarck und die Batterie des Cerisiers / Kirschbaumbatterie. Insgesamt sind es 1018 Fotos, die auszuwerten wären, von der Arbeit, für jedes Werk einen eigenen Blogbeitrag zu verfassen, ganz zu schweigen. Völlig illusorisch!
Die Exkursion war allerdings nachhaltig beeindruckend. Nachfolgend also einfach ein paar Impressionen dazu:

Als erstes das Kriegstor 2 der Enceinte mit flankierendem Koffer:

Folgt man dem Sentier de la Caponniere am Canal du Faux-Rempart in Richtung Südwesten, kommt man bald an ein ungewöhnliches Gebilde, die Walzstahl-Kaponniere an der Bastion 15: 


Ein Stück weiter, an der Bastion 17, gibt es noch eine:


Kuriosum am Rande: Das Deutsche Reich hatte diese Kaponnieren in Sheffield / Großbritannien gekauft.

Das erste Fort unserer Exkursion war Fort Rapp (bis 1918 "Feste Moltke") bei Reichstett. Es wurde 1872 - 1874 in Sandstein- und Ziegelmauerwerk erbaut, nach der Brisanzmunitionskrise nur moderat verstärkt und diente im ersten Weltkrieg als Depot. Heute kümmert sich die Association Patrimoine et Histoire de Reichstett um das Fort und bietet Führungen an.


Hauptpoterne:


Und hier ein Gruson-Wachtturm 90 von unten. Schön erkennbar sind die Laufräder, mit denen die Kuppel gedreht werden konnte:


In der Küche:


Das nächste Besuchsobjekt war das Highlight der Exkursion: Fort Mutzig, oder wie es früher hieß, Feste Kaiser Wilhelm II (1893 - 1916). Zu Beginn des ersten Weltkriegs war dieses Werk eine der modernsten Festungen ihrer Zeit, war aber mit Ausnahme von einigen Schüssen, die eine der Batterien 1914 abgab, in keine Kampfhandlungen involviert.
Heute kümmert sich der Verein "Fort de Mutzig" um die Anlage. Bisher sind erst ca. 10% restauriert, das allerdings perfekt; der Verein bietet Führungen durch diesen restaurierten Teil an.
Alleine diese Festung hätte einen langen und ausführlichen Blogbeitrag verdient, aber auch hier muss ich mich mit einigen wenigen Impressionen begnügen.

Grabenstreiche:


Verbindungshohlgang:


Deutz Dieselgenerator MKD 142:


Und hier etwas ganz Besonderes, ein Fahrpanzer mit mit 5,3-cm-Schnellfeuerkanone:


Last but not least die 10cm-Schirmlafettenbatterie - einfach spektakulär!


Nächste Festung: Das Fort Ducrot (bis 1918 "Feste Podbielski") bei Mundolsheim.
Es wurde 1879 bis 1882 erbaut und nach der Brisanzmunitionskrise verstärkt; die meisten heute sichtbaren Betonverstärkungen stammen aber aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg, als das Fort in die Maginot-Linie integriert wurde.
Das Fort wird vom Verein "Les Amis du Fort Ducrot" betreut, der auch Führungen anbietet.

Architektonisches Detail im Eingangsbereich:


Munitionsaufzug:


Wandmalerei:


Nachfolgend die Zwischenraumstreiche 7 / Artilleriekasematte West. Es gab zwei dieser Zwischenraumstreichen, die Fort Podbielski flankierten. Sie wurden vor 1916 gebaut und waren mit 90mm Geschützen bestückt; in den 30er Jahren wurden sie auf das französische Kaliber 75mm umgerüstet:


Weiter südlich befand sich die Kirschbaumbatterie (Batterie des Cerisiers) mit 4 105mm-Geschützen in Panzerdrehtürmen, errichtet 1901 - 1902. In den 30er Jahren wurde sie auf französische Geschütze gleichen Kalibers umgerüstet.
Ab 1968 nutzte man die Batterie zunächst für einige Jahre als Mülldeponie für den Großraum Straßburg; heute ist sie komplett überdeckt, und es ist nichts mehr davon zu sehen. Hier vermittelt ein Gemälde von Andre Brauch einen guten Eindruck davon, wie die Batterie einst ausgesehen haben muss.
(Nachtrag 08.08.21: Mehr zur Kirschbaumbatterie gibt es hier.)

Ein Stück nordöstlich der Kirschbaumbatterie befindet sich der Infanterieraum 6. Er wird heute offenbar privat als Reifenlager genutzt:


Letzte Station unserer Exkursion war Fort Kléber (bis 1918 "Feste Fürst Bismarck") bei Wolfisheim, erbaut 1872 - 1875. Nach der Brisanzmunitionskrise wurde das Fort nur moderat verstärkt und diente im ersten Weltkrieg als Gefangenenlager. Heute beherbergt es einen Erlebnispark mit Spielplätzen und einer kleinen Farm und ist frei begehbar.



Nachtrag 15.04.21: Einen ausführlichen Bericht zur Rebbergstellung bei Straßburg gibt es hier.


Donnerstag, 4. März 2021

Die Lunette d’Arçon

Heute geht es ein wenig zurück in der Zeit im Verhältnis zu meinem üblichen Betrachtungszeitraum. Thema ist eine Besonderheit des Festungsbaus im ausgehenden 18. Jahrhundert, die sogenannte Lunette d’Arçon. (Redaktioneller Hinweis: Die Deutsche Schreibweise ist natürlich „Lünette“, aber da es sich bei dem vorgestellten Lunettentyp aber um eine Französische Erfindung handelt, bleibe ich im Folgenden bei der Französischen Schreibweise).

Prinzipiell ist eine Lunette ein vorgeschobenes Verteidigungswerk mit 2 Facen (= Front- bzw. Feldseiten) und zwei Flanken, eine Beschreibung, die auch auf viele Forts des 19. Jahrhunderts zutrifft. Eine Lunette d’Arçon weist als Besonderheit einen runden, zweigeschossigen Turm auf, der als Reduit dient. Er ist über eine Traverse mit der Kontereskarpengalerie und (meist unterirdisch) mit dem Hauptwerk verbunden.

Erdacht wurde diese Konstruktion vom französischen Generalinspekteur für Befestigungen, Jean Claude Éléonore Le Michaud d´Arçon (1733 – 1800), dessen Namen sie trägt. Eine erste Version hatte er angeblich schon 1778 für Toulon erwogen, sie wurde aber nie gebaut. In seiner Schrift „Militärische und politische Betrachtungen zum Festungswesen“ schlug er 1795 vorgelagerte Werke zum Schutz von Gebieten vor, die von der Hauptfestung aus nur schwer oder gar nicht zu verteidigen waren, und verwendete erstmalig den Begriff „à la d’Arçon”. Die baulichen Details solcher Werke hatte er bereits 3 Jahre früher beschrieben.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein wurden etliche Lunettes d‘Arçon errichtet, so in Saint-Omer, Metz, Besançon, Belfort, Mont-Dauphin, Perpignan, Mainz, Landau und Palmanova. Nur wenige davon existieren heute noch: Die von Mont-Dauphin ist die bekannteste, aber auch in Besançon, Perpignan und Palmanova sind noch einige erhalten.

Als Reaktion auf die Weiterentwicklung der Artillerie dienten vor allem die späteren Ausführungen der Lunette d‘Arçon weniger zur besseren Verteidigung des Vorfelds, sondern vor allem dazu, den Feind zu zwingen, seine Belagerung weiter von der Festung entfernt zu beginnen. Sie stellen somit eine Vorstufe zu den detachierten Forts des 19. Jahrhunderts dar.

Nachfolgend möchte ich auf einige Beispiele eingehen.

1) Mont Dauphin

Diese Festung beim gleichnamigen Ort im Département Hautes-Alpes an der Grenze zwischen Frankreich und Italien habe ich leider noch nicht besucht. Sie hat eine eigene Website, auf der man sich auch einen deutschsprachigen Führer downloaden kann. 
Ab 1792 wurde eine bereits 1728 errichtete einfache Lunette der Festung zu einer Lunette d’Arçon ausgebaut, wie sie heute noch existiert. Die Kehle der Lunette ist durch eine mit Schießscharten versehene Stumpfwinklige Mauer geschlossen, wie der nachfolgende Plan zeigt:

Schön erkennbar auch der Traversenbau, der vom Turm in Richtung Lunettenspitze führt.

2) Metz

Von der Lunette d’Arçon in Metz ist heute leider nichts mehr zu sehen; sie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts eingeebnet und mit dem Krankenhaus Bon-Secours überbaut. Dieses alte Foto zeigt den Turm und die Reste der Wälle vor dem Abriss. 

Hier ein Plan des Werks:

3) Perpignan

Auch die Festung Perpignan hatte eine Lunette d’Arçon mit dem Namen „Lunette de Canet“. Die Lunette selbst ist heute vollständig verschwunden; einzig der beeindruckende Reduit-Turm ist noch erhalten. Hier gibt es ein Foto des Turms; besucht habe ich ihn bisher nicht, er ist aber auf jeden Fall auf meiner Bucket List.

4) Landau

In Landau wurden die Reste der Lunette 41 wiederentdeckt und werden gegenwärtig restauriert. Erhalten ist ein Teil des Mauerwerks der Lunette sowie das Fundament des Turms; Traverse und Spitze der Lunette liegen unter der benachbarten Bahntrasse.

Der Festungsbauverein Landau (Les Amis deVauban) betreibt eine Seite über die Festung Landau und bietet auch Führungen durch das unterirdische Gangsystem, das über den Turm der Lunette 41 erschlossen wurde, an.

Bei meinem Besuch 2020 fanden Covid-19-bedingt leider keine Führungen statt, so musste ich mich mit einer knappen Begutachtung von außerhalb des Bauzauns aus begnügen:





Unter dieser Plane ist das Turmfundament verborgen; rechts im Hintergrund sieht man die Bahntrasse, unter der wahrscheinlich die Reste der Traverse und der Lunettenspitze liegen:

5) Mainz

Die Angabe, die Festung Mainz habe ebenfalls eine Lunette d’Arçon gehabt, fand ich in einer französischen Quelle. Verifizieren konnte ich das bisher nicht. Ich bin lediglich auf die (heute verschwundene) Lunette auf der Petersaue, einer Rheininsel, gestoßen, die einen Turm aufwies; dabei dürfte es sich aber wahrscheinlich nicht um einen Tour d’Arçon gehandelt haben, sondern um einen Montalembertschen Artillerie-Turm.

6) Palmanova

Im Luftbild lassen sich mindestens 6 von ehemals 9 der der sternförmigen Hauptfestung vorgelagerte Lunetten mit Gebäuden (auf Italienisch „Lunette Francesi“) ausmachen, die allerdings von der sonst üblichen Form der Lunette d’Arçon abweichen: Die in der Kehle gelegenen Gebäude sind nicht rund, sondern rechteckig; nur die ins Lunetteninnere weisende Seite ist gerundet. Eine zentrale Traverse scheint auch bei allen 6 Lunetten zu fehlen. Bei meinem Besuch 2019 habe ich leider keine Fotos dieser Lunetten gemacht; auf Google Maps gibt es eine schöne Aufnahme des Reduitgebäudes der südöstlichen Lunette.

7) Besançon

2012 konnte ich im Rahmen einer Festungsexkursion nach Besançon eine der dortigen Lunettes d’Arçon in Augenschein nehmen, die Lunette de Trois Châtels (auf manchen Karten auch „Fort de Trois Châtels“ genannt).

Diese Lunette und ihr Schwesterwerk, die Lunette de Tousey, befinden sich auf den Flanken des Mont Saint-Étienne, süd-südöstlich der Zitadelle; Trois Châtels ist nach Norden ausgerichtet, Tousey nach Westen. Beide Lunetten können entweder als eine Art dritte Verteidigungslinie auf dem linken Doubs-Ufer angesehen werden oder als Bestandteil der zentralen Verteidigungslinie, der Zitadelle vorgelagert.

Der Standort war bereits im 17. Jahrhundert von Vauban für eine leichte Befestigung in Erwägung gezogen worden. Es dauerte allerdings bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, wahrscheinlich zwischen 1791 und 1794, bis die beiden Lunetten durch General d'Arçon errichtet wurden. Dies geschah allerdings in solcher Eile, dass aus Fehleinschätzungen des Geländes und der überstürzten Vorgehensweise deutliche konstruktive Mängel resultierten.

Die beiden Festungswerke erhielten zunächst offiziell die Namen “Lunette de Rostaing“ (Trois Châtels) und „Lunette d’Arçon“ (Tousey), aber genau wie bei den anderen Forts rund um Besançon setzten sich bald die gebräuchlichen Ortsnamen durch.

1814, also kurz nach der Einweihung, waren beide Lunetten bereits so baufällig, dass sich während des napoleonischen Feldzugs gegen die Alliierten die französischen Befehlshaber weigerten, sie zu besetzen. Während der darauffolgenden Restauration wurden die Lunetten verstärkt.

Weder während des Krieges von 1870 noch des ersten Weltkriegs waren die Lunetten in Kampfhandlungen verwickelt, dafür aber am 7. September 1944 bei der Befreiung von Besançon durch die Amerikaner.

Nachdem beide Lunetten nach dem Krieg einige Zeit verlassen waren, gerieten sie in Privatbesitz. Der neue Eigentümer gestaltete die Lunette de Tousey in ein bemerkenswertes Wohnhaus um; Trois Châtels wurde zum Zeitpunkt meines Besuchs noch restauriert und konnte nur von außen besichtigt werden.

Beide Festungswerke bestehen als typische Lunettes d‘Arçon aus einem großen, dreieckigen Retranchement, auf der Kehlseite offen und mit vorgelagertem tiefem Graben, einem turmförmigen Reduitgebäude, das unterirdisch mit einem Grabenkoffer in der Gegenböschung verbunden ist, und einer Traverse mit Gewölbeunterstand. Einen schönen Plan findet man hier.

Nachfolgend ein paar Aufnahmen der Exkursion von 2012. Als erstes der Reduit-Turm:


Die Kontereskarpe mit Galerie:



Der Reduit-Turm innen:



Am rechten Rand des nächsten Bildes erkennbar: Der turmseitige Zugang zur Traverse



Seitlicher Zugang zur Traverse:


Im Inneren der Traverse:


Blick von der Lunette zur Zitadelle von Besançon:

Zum Schluss noch ein Blick aus der Ferne auf die Lunette de Tousey:

Weitere Bilder gibt es auf der Seite von Andreas Liebold, der 2012 ebenfalls dabei war.