Nach dem Krieg von 1870/71 wurde die Festung Straßburg in etlichen Schritten bis in den ersten Weltkrieg hinein ausgebaut:
1872 begann man mit dem Bau von insgesamt 14 Forts in 5 – 7km Entfernung zur Stadtumwallung; diese Arbeiten zogen sich bis 1882 hin. Die Brisanzmunitionskrise ließ diese gerade erst fertiggestellten Festungen quasi über Nacht unmodern werden, was ab 1887 zu weiteren Ausbauschritten führte; so wurden die Forts verstärkt und teilweise mit gepanzerten Artilleriebeobachtern ausgerüstet. Bis 1892 errichtete man fünf Zwischenwerke zur Überbrückung der Abstände zwischen einigen Forts. Zwischen den Festungen wurden als Zwischenfeldbauten bombensichere Infanterie-, Artillerie- und Munitionsräume angelegt. Die aus den Festungen ausgelagerte Artillerie wurde zunächst in offenen Artilleriepositionen untergebracht; erst zwischen 1887 und 1892 errichtete man vier 10cm Schirmlafettenbatterien.
Die bereits beschriebene Kirschbaumbatterie als einzige
Panzerkuppelbatterie Straßburgs kam 1901/02 dazu, siehe meine Blogbeiträge dazu
hier und hier.
Ab 1903 wurden die Höhenzüge westlich von Straßburg mit
einer vorgeschobenen Armierungsstellung befestigt, um ihren strategischen
Vorteil nutzen zu können. Ab 1904 entstand dort auch die sogenannte Rebberg-Stellung
zur artilleristischen Beobachtung der Nordwestfront.
Die I-Räume der Rebbergstellung wurden 1911 begonnen und
1912 zunächst provisorisch fertiggestellt; es ist davon auszugehen, dass ein
weiterer Ausbau in den ersten Kriegsjahren stattfand.
Für meinen jüngsten Besuch in Straßburg hatte ich mir eine
Erkundung dieser Rebbergstellung auf die Agenda geschrieben. Sie befindet sich ca.
1,5km nordwestlich des Zwischenwerks Baden-Bismarck (Ouvrage Frère-Kleber) bei
Oberhausbergen:
Legende:
2 = Zwischenwerk Baden-Bismarck
3 = Stadtumwallung (Enceinte)
Die folgende Karte zeigt den Standort rot umrandet:
(Wichtiger Hinweis: Diese Karte genau wie alle folgenden Luftbilder entstammen der OpenStreetMap-Seite und sind unter der Open-Database-Lizenz verfügbar.)
Viele Informationen waren es ansonsten nicht, die ich bei
meiner Vorbereitung nutzen konnte. Am meisten half mir eine Kartendarstellung,
die ich im Internet fand, und aus der ich den Stellungsverlauf extrahiert habe:
Man erkennt 4 größere Bunker (die Infanterieräume I 57 und I 58 sowie die beiden Infanteriewerke J I und J III) und ein Grabensystem mit diversen betonierten Schutzräumen („S“) und zwei Bunkern („B“). Vor Ort waren diese Elemente problemlos zu finden:
Die Gräben sind natürlich heutzutage zugeschüttet und im Gelände nicht mehr erkennbar. Sie dürften zumindest in der vorderen Linie ursprünglich einen solchen Verlauf gehabt haben (nicht maßstabsgetreue Prinzipskizze):
Bei archäologischen Ausgrabungen zwischen Enzheim und Geispolsheim (südwestlich von Straßburg) im Jahre 2008 konnte dieser Grabentyp nachgewiesen werden.
Der Grabenverlauf der vordersten Linie lässt sich anhand der
ehemaligen betonierten Schutzräume wenigstens grob rekonstruieren. Die
nachfolgenden Fotos zeigen diese Schutzräume von Ost nach West:
Alle Schutzräume sind verschüttet; man erkennt allenfalls noch den oberen Teil der 88cm breiten Eingänge:
Wie diese Schutzräume zumindest von außen aussahen, zeigt beispielsweise ein Schutzraum bei Reichstett, der heute komplett oberirdisch liegt; GPS-Daten 48°38'21.3"N 7°45'42.7"E (48.639238, 7.761870). Leider sind die Eingänge verschlossen; aufgrund der Form und der Dimensionen gehe ich von folgendem inneren Aufbau aus (nicht maßstabsgetreue Prinzipskizze):
Von den beiden I-Räumen der Rebbergstellung ist I 57 komplett verschüttet; es liegt nur ein kleines Stück der südlichen Wand frei:
I 58 ist zwar zugänglich, aber augenscheinlich in
Privatbesitz. Im Inneren findet sich eine neue Stahltür mit Sicherheitsschloss,
weswegen ich von einer näheren Erkundung abgesehen habe:
Die Treppe in den Bunker hinein sowie ihre Blechverkleidung sind mit einiger Sicherheit in neuerer Zeit angebracht worden:
Nun zu den Infanteriewerken. J I ist ebenfalls in Privatbesitz. Der Eingang ist durch einen verschlossenen Schuppen verdeckt; überhaupt sieht man von diesem Bunker kaum etwas:
Im Gegensatz dazu ist J III gut zugänglich. Das Werk verläuft in dem Wäldchen, in dem es liegt, von Nordosten nach Südwesten. Der nordöstliche Zugang ist zwar vom Weg aus schneller erreichbar, aber durch allerlei davor abgelagerten Müll nicht wirklich gut nutzbar:
Der Südwesteingang ist erheblich besser begehbar:
Bevor ich mit Fotos weitermache, ein paar Worte zur Gesamtanlage.
J III mit seinen benachbarten Funktionselementen stellt
einen eigenen Infanteriestützpunkt dar. Infanteriestützpunkte dieser Art gab es
beispielsweise auch in Köln. Die Seite „Kölner Festungsbauten“ zeigt einige Beispiele; insbesondere der Plan des Infanteriestützpunkts Hermannshof und ein altes Foto des Infanteriestützpunkts Schönrath zeigen deutliche Parallelen zu J III, wobei anzumerken ist, dass der zentrale
Bunker von J III keine freiliegende Front hat, sondern mit Ausnahme der beiden
Eingangsbereiche komplett unterirdisch ist.
Zu dem Infanteriestützpunkt J III gehören neben den Gräben
samt Schutzräumen auch zwei Wachträume, im eingangs gezeigten Plan mit „B“
markiert, hier im Luftbild gekennzeichnet:
Der zentrale Bunker der Anlage dürfte für ca. 120 Mann Besatzung plus Offiziere vorgesehen gewesen sein, ausgehend von einer Belegung von 40 Mann pro Mannschaftskasematte. Er stellt ein für seine Zeit hochmodernes Schutzbauwerk dar mit Unterkunfts- und Lagerräumen, einer Küche, einer Latrine mit großer Abwassergrube und sogar einem Lazarett, alles eingeschossig angelegt. Die Räume wurden über ein Ventilationssystem mit Außenluft versorgt. Über die elektrische Ausstattung kann ich leider keine Aussage machen; einen Generatorenraum konnte ich nicht identifizieren. Eine zentrale Heizung scheint es nicht gegeben zu haben.
An jedem Ende des Bunkers befinden sich zwei über Eck liegende Eingänge
mit einer dazwischen positionierten Nahverteidigungsscharte. Die Lochplatten
über und neben den Eingängen verbergen die Luftein- und -auslässe für das Lüftungssystem.
Die Nische neben dem rechten Südwesteingang (siehe Bild oben) ermöglicht den
Zugang zur Abwassergrube.
Nun die Fotos aus dem Inneren, als erstes ein Blick vom
Eingangsbereich aus in den zentralen Gang:
Hier die Innenseite des Eingangsbereichs mit zentraler Scharte:
Der erste Raum auf der rechten Seite ist die Latrine mit insgesamt 7 Toilettenschüsseln, was eher für eine Feste dimensioniert zu sein scheint:
Einen guten Eindruck, wie die Latrine ursprünglich ausgesehen haben muss, vermittelt die Latrine der Feste Kaiser Wilhelm II in Mutzig:
Mit Schieber verschließbare Abluftöffnung:
Ein vergleichbares Element aus der Feste Kaiser Wilhelm II …
… und aus der Feste Freiherr von der Goltz (Metz):
Das nächste Foto zeigt einige markante Elemente:
Die Nische zuoberst mit den beiden herausragenden Eisenträgern beherbergte vermutlich einen Lüftungsventilator. Diese Ventilatoren waren an ein offen verlaufendes Rohrsystem angeschlossen und wurden von Hand betrieben; hier ein Beispiel aus der Feste Kaiser Wilhelm II (der rote Pfeil weist auf den Ventilator):
Die Nische unterhalb der Ventilatornische auf dem J III Foto dürfte im Zusammenhang mit dem manuellen Ventilatorantrieb stehen, darunter ist eine verschließbare Zuluftöffnung zu sehen. Hier ein vergleichbares Beispiel aus der Feste Kaiser Wilhelm II:
Blick zurück zum Eingangsbereich:
Der nächste Raum hinter der Latrine ist eine Mannschaftsunterkunft. An der Rückwand erkennt man auch hier die beiden charakteristischen Nischen:
Gegenüber dieses Raums zweigt ein Gang vom Hauptgang ab, der allerdings blind an einer Ziegelmauer endet:
Ein hochinteressanter Raum ist die Küche:
Im hinteren Teil sind zwei kleine Räume abgeteilt. Der linke enthält einen großen Wassertank:
Der rechte Raum dürfte zur Lagerung von Lebensmitteln gedient haben.
Zum Hauptgang hin verfügt die Küche über ein Ausgabefenster:
Was diese Küche aber so bemerkenswert macht, ist die Dimension, in der hier gekocht werden konnte. Die Kochkessel sind zwar demontiert, aber ihre Fundamentreste lassen sich im Schutt auf dem Boden noch gut erkennen:
Insgesamt gab es drei Kochkessel, was der Ausstattung der Festen entsprach, hier am Beispiel Feste Kaiser Wilhelm II in Mutzig und Feste Prinzregent Luitpold in Metz:
Zurück im Hauptgang befindet sich gegenüber der Küche eine Nische, die wohl ein Spülbecken zum Reinigen der Essnäpfe beherbergt hat:
Hier eine vergleichbare Einrichtung aus der Feste Kaiser Wilhelm II:
Die nächsten beiden Räume nach der Küche sind Mannschaftsunterkünfte. Sehr schön zu sehen: Die beiden Nischen für die Lüftung und zwei Zuluftöffnungen in Bodennähe:
Eine weitere Besonderheit der Unterkünfte: Die Soldaten schliefen in Hängematten. Die Haken dienten zur Befestigung dieser Hängematten, auf die darüber herausragenden Metallträger waren Bretter zur Ablage der Ausrüstung montiert:
Wie das in natura vermutlich ausgesehen hat, zeigt eine Unterkunftskasematte der Feste Obergentringen (Thionville).
Blick in Richtung Hauptgang:
Gegenüber der Unterkunftsräume zweigt erneut ein blind endender Gang vom Hauptgang ab, der allerdings deutlich kürzer ist als der andere:
Der letzte Raum hinter den Unterkunftsräumen ist das Lazarett. Genau wie die Latrine am anderen Ende des Bunkers weist auch dieser Raum eine schräge Wand auf:
Eine Erklärung für diese schrägen Wände habe ich leider nicht. Auf der Außenseite verlaufen die Bunkerwände rechtwinklig:
Weitere Impressionen des Lazarettraums:
Nahaufnahme der Abluftöffnung zum Hauptgang hin:
Das Lazarett hat auch eine Schießscharte. Des Rätsels Lösung: Nahverteidigung des Eingangsbereichs!
Dem gleichen Zweck diente auch an diesem Bunkerende eine zentrale Schießscharte zwischen beiden Eingängen:
Abschließend ein Blick zurück in den Hauptgang:
Aus der Erinnerung heraus, unterstützt durch die Fotos, habe ich folgende nicht maßstabsgerechte Prinzipskizze erstellt, die sicher in vielen Aspekten verbesserungsbedürftig ist:
1 Nordosteingang
S Schießscharte
2 Lazarett
3 Wachpostenraum? (*)
4 Stichgang
5 Mannschaftsunterkunft
6 Mannschaftsunterkunft
7 Küche
8 Nebenraum mit Wassertank
9 Lagerraum für Lebensmittel
10 Offiziersunterkunft mit Telegrafenstation (*)
11 Mannschaftsunterkunft
12 Stichgang
13 Wachpostenraum? (*)
14 Latrine
15 Südwesteingang
Gegenstand eines weiteren Besuchs sein.
Neben den beiden asymmetrischen Räumen an den Bunkerenden bereiten
mir auch die vom Hauptgang abzweigenden Stichgänge Interpretationsprobleme:
Durch ihre unterschiedliche Länge ergibt sich theoretisch eine Asymmetrie des
gesamten Bunkers. Das scheint mir unplausibel, von außen verifizieren konnte
ich es leider nicht.
Es ist zu vermuten, dass beide Gänge dazu dienten, das Werk
zu erweitern, was dann im Verlauf des Krieges nicht mehr realisiert wurde.
Dafür würde auch die Überdimensionierung von Küche und Latrine sprechen. Bei
meinem nächsten Besuch werde ich nach weiteren Hinweisen suchen, die diese
Hypothese belegen – oder aber widerlegen.
Abschließend vollständigkeitshalber noch einige Fotos der
beiden Wachträume, beginnend mit dem nördlich gelegenen, leider komplett
verschüttet:
Auch der südliche Wachtraum ist verschüttet:
Von Nahem erkennt man zumindest die Oberkante des Eingangs:
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen