Montag, 9. Dezember 2019

Ein Besuch in Germersheim


Als jungem Bundeswehrsoldaten ermöglichte mir die ehemals königlich-bayerische Festung Germersheim Ende der 70er Jahre erste Einblicke in den Festungsbau des 19. Jahrhunderts. Die zweischenklige Grabenwehr, die heute u.a. durch ein Jugendzentrum und die städtische Musikschule belegt ist, war damals mehr oder weniger eine Ruine; das rechte Ausfalltor wies einen Spalt auf, der groß genug war, meinen Kameraden und mir eine ausführliche Erkundung des Gebäudes zu ermöglichen.

Die Grabenwehr der Fronte Beckers heute

Das rechte Ausfalltor heute

In Januar 2019 kehrte ich an den Ort meiner ersten Festungsbegehung zurück, widmete mich diesmal aber schwerpunktmäßig den Außenwerken.

Doch zunächst ein paar Fakten zur Festung selbst:
Die Bundesversammlung des Deutschen Bundes beschloss 1832, Germersheim zu befestigen; Planung und Bauleitung wurde dem damaligen Major Friedrich Schmauß (später Oberst Friedrich von Schmauß) übertragen. Grundsteinlegung war am 18. Oktober 1834, bauliche Fertigstellung 1855. Die Fertigstellung der Minengänge dauerte bis 1861.

Das Ergebnis war eine polygonale Festung mit sechs Fronten (eine davon die oben genannte Fronte Beckers) und 10 vorgelagerten Verteidigungselementen (3 große Vorfesten, 6 kleinere Vorwerke und ein Flügelwerk).

Nach dem 1. Weltkrieg musste die Festung nach den Vorgaben des Versailler Vertrags geschleift werden, eine Entscheidung, die heute noch verwundert, da die Festung schon damals hoffnungslos veraltet war und sich seit 1913 sowieso schon in Auflassung befand.

Ab Herbst 1920 wurden unter anderem die Vorfesten und Vorwerke abgetragen; die Schleifungsarbeiten dauerten insgesamt bis in den Winter 1921/22.

Da die noch erhaltenen Festungselemente des Hauptwerks heute denkmalgeschützt sind und den verschiedensten Nutzungen zugeführt wurden, haben mich die Vorfesten und Vorwerke bei der Vorbereitung meines Besuchs deutlich mehr interessiert. Erster Schritt der Selektion möglicher Exkursionsziele war eine einfache Analyse per Google Maps, wodurch ich die 3 Vorfesten sofort ausschließen konnte – die Areale sind heute überbaut. Bei den Vorwerken konnte ich auf diesem Weg nur die rechtsrheinischen Anlagen Treuberg, Seydewitz und Brückenkopf anhand ihrer Umrisse im Gelände verifizieren. Für die weitere Selektion machte ich mir den Umstand zu Nutze, dass zumindest die beiden Vorwerke Treuberg und Seydewitz in Baden-Württemberg liegen: Das Geoportal Baden-Württemberg liefert erheblich mehr Informationen über ein Gelände als Google Maps, z.B. in Gestalt von Reliefkarten.
Im Relief sah das Vorwerk Treuberg am erfolgversprechendsten aus; es sind deutlich Strukturen bzw. Erhebungen erkennbar:

Reliefkarte des Vorwerks Treuberg
(Datenquelle: Geoportal Baden-Württemberg, www.geoportal-bw.de / LGL, www.lgl-bw.de)

An dieser Stelle macht es Sinn, auf ein paar historische Bilder zum Vorwerk Treuberg einzugehen:


Diese Abbildung stammt aus einer Karte, die um 1850 herum gezeichnet wurde. Man erkennt deutlich ein dreiflügliges Gebäude in der Kehle; der Rest des Vorwerks scheint aus Erdwällen bestanden zu haben. Die gesamte Anlage war von einem Graben umgeben.
Das nachfolgende Schwarzweißfoto zeigt das Gebäude; die Beschriftung „Vorwerk Treuberg“ in der linken Bildhälfte ist deutlich zu erkennen:


Die Reliefkarte machte Hoffnung, wenigstens noch ein paar Reste des Werks zu finden; leider wurde aber beim Sprengen und Abtragen der Anlage wirklich ganze Arbeit geleistet. Die nachfolgenden Fotos zeigen, was heute noch vom Vorwerk Treuberg übrig ist:

Der Originalbelag der Werkszufahrt

Blick in das Werk vom Zufahrtsdamm aus

Die im Reliefbild sichtbaren Strukturen sind entweder Reste der Erdwälle oder Trümmerhaufen:

Anhäufung in der westlichen Ecke

Anhäufung in der südöstlichen Werksecke

Die einzigen Relikte des steinernen Gebäudes, die ich finden konnte, waren Trümmer von ehemals behauenen gelben Sandsteinblöcken:


Aus einigen dieser charakteristisch gelben Sandsteinblöcke errichtete die Gemeinde Rheinsheim auf dem Vorplatz ihrer Kirche ein Denkmal für ihre im 1. Weltkrieg gefallenen Soldaten.

Das Vorwerk lässt sich mit dem Auto übrigens sehr einfach erreichen: Von Germersheim aus auf der B35 kommend überquert man den Rhein und biegt danach auf die L555 in Richtung Rheinsheim ab. Kurz bevor man den Ort erreicht, zweigt nach links eine schmale Straße namens „Gießgraben“ ab; man folgt ihr bis zum Ende und stellt dort am Damm sein Auto ab. Man überquert den Damm zu Fuß, und bis zum Vorwerk Treuberg sind es von dort aus nur noch wenige Schritte.

Hier eine Projektion des Werksplans auf ein Luftbild von Google Maps:


Das orangefarbene Symbol rechts unterhalb des Werks kennzeichnet die Kfz-Abstellmöglichkeit.


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