Ein Hinweis vorab: Gruinard Bay hätte eigentlich zum Beitrag über das Ostufer von Loch Ewe gehört. Da wir dort keine Anlagen des 2. Weltkriegs besucht haben, wollte ich die Gegend zuerst nicht beschreiben. Spätestens Gruinard Island sollte aber nicht unerwähnt bleiben, wenn es um die Geschehnisse rund um Loch Ewe im 2. Weltkrieg geht.
Doch zunächst wieder die obligatorische Karte der heutigen Ziele:
Legende:
2 – Stauwehr mit Pumpstation
3 – Schwere Flugabwehrbatterie Inverasdale
4 – Schwere Flugabwehrbatterie & Boom Depot Firemore
5 – Küstenbatterie (Cove Battery) auf Rubha nan Sasan
6 – Checkpoint Laide
7 – Beobachtungsstation Meall nam Meallan
8 – Beobachtungsstation Opinan Beach
9 – Gruinard Island
Startpunkt ist auch diesmal wieder Poolewe im Süden von Loch Ewe. Verlässt man am Dorfladen die A832 und biegt, von Gairloch kommen, links auf die B8057 ab, passiert man nach ca. 200 Metern das Poolewe Hotel, in dem im Krieg eine Einheit des Armee-Nachrichtendienstes untergebracht war. Hat man den Ort Boor hinter sich gelassen, fällt rechterhand ein Betonblock auf: Das ist eine leichte Flugabwehrstellung für ein 40mm Bofors Geschütz. Diese Blöcke findet man häufig rund um Loch Ewe, aber dieser hier ist besonders einfach zu erreichen. Der Block ist etwas über mannshoch und von oben gesehen mehreckig; sein Spitzname „Threepenny Bit“ rührt von der Ähnlichkeit dieser Form mit der alten britischen Münze gleichen Namens her. Es handelt sich nicht um einen Bunker, sondern nur um eine künstliche Erhöhung, auf der sich das Geschütz befand. Neben dem Betonblock erkennt man ein Betonfundament, auf dem vermutlich ursprünglich ein Unterkunftsgebäude stand.
Gesamtensemble:
Nahaufnahme des Threepenny Bits:
Oberseite des Threepenny Bits:
Betonfundament:
Weiter geht es durch den Ort Naast hindurch. Am Ende des Ortes führt die Straße über einen kleinen Bach, den Allt Donn. Links neben der Straße fällt ein kleines Stauwehr im Bachlauf auf, rechts der Straße zwei Ziegelsteingebäude. Es handelt sich um eine Pumpstation, mit der die ankernden Schiffe mit Wasser versorgt wurden. Irgendwo im Wäldchen auf der rechten Straßenseite soll es angeblich noch die Reste eines Tanks geben, wir haben aber nicht danach gesucht.
Stauwehr:
Auch die schwere Flugabwehrbatterie von Inverasdale haben wir ausgelassen.
Wir haben uns stattdessen die schwere Flugabwehrbatterie auf der Landzunge, die den Firemore Beach im Südosten abgrenzt, angesehen. Sie hat eine architektonische Besonderheit: Beim Bau der Betonelemente wurde eine Technik eingesetzt, die im Englischen „wet cement bag method“ heißt: Ungeöffnete feuchte Zementsäcke wurden gestapelt und dann trocknen gelassen, wodurch charakteristische Abdrücke in der Außenwand entstanden. Wo nötig, wurden Betonverschalungen verwendet. Angeblich befand sich ca. 100 Meter östlich ein Feuerleitradar (GL MK IA Radar), dessen Plattform noch sichtbar ist. Da die Batterie aber augenscheinlich in Privatbesitz ist und als Lager für alles Mögliche verwendet wird, nahm ich von detaillierteren Erkundungen Abstand.
Feuerleitstand:
Geschützstellung (nach der "wet cement bag method" erbaut):
Detail des Zementsackmusters in der Außenwand:
Eine andere Geschützstellung:
Würde man der Straße zur Batterie weiter folgen, käme man zu den Resten des Firemore Boom Depots, wo analog dem in Mellon Charles Anti-U-Boot-Netze und Zubehör gelagert wurden. Die Luftbilder ließen allerdings darauf schließen, dass dort keine nennenswerten Strukturen mehr erhalten sind, die einen Besuch lohnen würden.
Hauptziel unserer Westufer-Exkursion war das Kap Rubha nan Sasan, wo sich die einzige Küstenbatterie von Loch Ewe befindet.
Sie wurde 1941 eingerichtet; ihre Hauptbewaffnung bestand aus zwei 6-inch Mk VII Schiffsgeschützen, die von der HMS Iron Duke geborgen worden waren, die 1939 bei Scapa Flow bombardiert und dadurch schwer beschädigt wurde. Die Elemente der Batterie sind großräumig über das Kap verteilt, das durch den schmalen Meeresarm Geodh‘ Mòr in ein höhergelegenes nördliches Plateau und einen tieferliegenden südlichen Teil geteilt wird.
Auf dem Plateau liegen die Geschützbunker (1) mit Beobachter (2), Generatorengebäuden (4), Magazinen (5) und dem nördlichen Suchscheinwerfergebäude (3). Mitten in diesem Ensemble hat man den Convoybesatzungen, die damals ihr Leben ließen, einen Gedenkstein gesetzt.
Südlicher Geschützbunker:
Nördlicher Geschützbunker:
Das nördliche Plateau, vom südlichen Teil der Batterie aus gesehen:
Südlicher Geschützbunker und Beobachter:
Nochmal der Beobachter. Die Substanz ist offenbar so geschwächt, dass Abstützmaßnahmen getroffen wurden:
Gedenkstein für die Convoybesatzungen:
Beobachter und Magazinbunker, vom südlichen Teil der Batterie aus gesehen:
Auf dem südlichen Teil befinden sich zwei Generatorengebäude (4) und das südliche Suchscheinwerfergebäude (3).
Generatorengebäude von außen und innen:
Suchscheinwerfergebäude von außen und innen:
Das gesamte Batteriegelände ist außerdem durchsetzt mit Betonfundamenten, deren ursprünglicher Zweck heute kaum noch nachvollziehbar ist:
Die noch vorhandenen Gebäude des südlichen Teils der Batterie sind zwar alle mit „Betreten verboten“ Schildern gekennzeichnet, das Gelände kann aber durch ein Viehgatter betreten werden. Reste technischer Einrichtungen gibt es in den Gebäuden nicht; ein Besuch lohnt sich entsprechend nicht wirklich.
Anders auf dem nördlichen Plateau. Zusätzlich zu den „Betreten verboten“ Schildern ist der Zugang zu den Gebäuden auch durch Stacheldraht versperrt. Schade, ich hätte mir gerne die Geschützbunker näher angesehen.
Nun zur Gruinard Bucht. Um sie zu erreichen, fährt man am Ostufer des Loch Ewe von Aultbea aus auf der A832 in Richtung Laide. Dass der heutige Dorfladen von Laide mit Post- und Tankstelle im 2. Weltkrieg ein Checkpoint war, hatte ich schon erwähnt. An dieser Stelle gabelt sich die Straße. Folgt man der nach links führenden Abzweigung, erreicht man nach ungefähr 5 Kilometern den Weiler Mellon Udrigle. Auf der östlich gelegenen Anhöhe Meall nam Meallan, der höchsten Erhebung der Halbinsel, befand sich im Krieg ein Beobachtungsposten. Man hatte von dort aus den Einlass von Loch Ewe im Blick und hielt Ausschau nach feindlichen Flugzeugen, Schiffen oder U-Booten. Der Posten bestand aus einem hölzernen Gebäude auf einem Betonfundament, das mit starken Seilen gesichert wurde, damit es die starken Winde nicht zerstören konnten. Es bestand eine Telefonverbindung nach Mellon Charles, wo alle Sichtungen der Beobachtungsposten zentral gesammelt und ausgewertet wurden.
Biegt man in Mellon Udrigle in Richtung Opinan ab, erreicht man einen zweiten Beobachtungsposten, der ähnlich konstruiert gewesen sein muss. Auf der Seite von J.M. Briscoe gibt es eine Reihe von Fotos, die den heutigen Zustand zeigen.
Zurück nach Laide. Folgt man der A832 weiter in östlicher Richtung, bieten sich herrliche Ausblicke auf die Gruinard Bay; man erkennt mitten in der Bucht eine größere Insel. Das ist Gruinard Island, der im 2. Weltkrieg eine traurige Rolle zukam.
Gruinard Island (gelber Pfeil), von Gruinard Beach aus gesehen:
1942 beschloss das britische Verteidigungsministerium, auf dieser abgelegenen und unbewohnten Insel Tierversuche mit Milzbranderregern (Anthrax) durchzuführen. Man erstand die Insel für gerade einmal 500 Pfund.
Es sollte untersucht werden, ob Anthrax-Sporen, durch eine Explosion ausgebracht, als biologische Waffe geeignet wären. Zu diesem Zweck wurden Schafe auf die Insel gebracht; an einem Tag, als der Wind günstig stand (also von Land blies), zündete man eine Ladung von 30 Pfund Sprengstoff, wodurch die Sporen verteilt wurden. Binnen Tagen waren fast alle Schafe gestorben; die Kadaver wurden verbrannt. Die wenigen überlebenden Schafe wurden ebenfalls getötet und eine Klippe hinuntergeworfen, die anschließend gesprengt wurde, wodurch die Kadaver unter Tonnen von Gestein begraben wurden. Die Bevölkerung auf dem Festland wurde über die Vorgänge auf der Insel völlig im Unklaren gelassen. Man erzählt allerdings, ein totes Schaf sei bei Mellon Udrigle angeschwemmt worden und habe einige Schafe, Kühe und zwei Pferde angesteckt, die alle starben. Angeblich hat man das Schaf am Strand vergraben; wenn das stimmt, liegen seine Reste heute immer noch dort.
Ein zweiter Versuch bestand darin, dass ein Wellington Bomber eine Anthrax-Bombe über Gruinard Island abwarf.
Im Anschluss stellte das Verteidigungsministerium die Anthrax-Tests auf Gruinard Island wieder ein, weil die Insel zu klein und nicht abgelegen genug war. Die Ergebnisse der Tests waren äußerst schockierend; sie zeigten, dass eine bakteriologische Waffe erheblich tödlicher war als jede chemische oder konventionelle Waffe. Nach dem Krieg blieb Gruinard Island viele Jahre gesperrt; regelmäßig setzten Wissenschaftler in Schutzanzügen über, um die Anthrax-Belastung zu bestimmen. 1971 war der Boden bis in 15 Zentimeter Tiefe mit Sporen kontaminiert!
Erst 1987 investierte das Verteidigungsministerium eine halbe Million Pfund, um die Insel zu dekontaminieren. Zuerst wurde mit einem Herbizid die gesamte Vegetation abgetötet und anschließend verbrannt. Der Erdboden um die Explosionsstellen wurde abgetragen, die gesamte Insel wurde mit einer Mischung aus 280 Tonnen Formaldehyd und 2000 Tonnen Meerwasser getränkt. Auf jedem Quadratmeter der Insel wurden 50 Liter dieser Lösung ausgebracht! In den darauffolgenden Jahren untersuchte man den Boden regelmäßig, und 1990 wurde die Insel endlich wieder freigegeben. Mittlerweile gibt es dort nicht nur wieder Schafe - auch die Kaninchen vermehren sich rasant.
Wen die Geschichte von Loch Ewe im 2. Weltkrieg interessiert, dem empfehle ich außer den beschriebenen Zielen unbedingt den Besuch der beiden ansässigen Museen:
1) Das Gairloch Museum. Der heutige Museumsbau ist ein ehemaliger atombombensicherer Bunker aus dem kalten Krieg, der als „Anti-Aircraft Operations Room (AAOR)“ diente, also zur Koordination der Luftabwehr im Verteidigungsabschnitt Loch Ewe.
Modell des AAOR im Gairloch Museum:
Das Museum hat eine beeindruckende Sammlung von Exponaten aus allen Phasen der Geschichte der Region; ein Teil der Ausstellung widmet sich natürlich auch der jüngeren Militärgeschichte. Erwähnt werden muss außerdem das im Museum befindliche Café „Am Bàrd“, das einen sensationell guten Cappuccino und leckere Backwaren zu bieten hat.
Internet-Auftritt des Museums: https://www.gairlochmuseum.org
2) Das Russian Arctic Convoy Museum in Aultbea. Wie es der Name schon andeutet, befasst sich dieses Museum ausschließlich mit der Rolle von Loch Ewe als Stützpunkt für die Arctic Convoys im 2. Weltkrieg. Die Sammlung besticht vor allem durch die Vielzahl von Zeitzeugendokumenten und gibt dadurch Einblicke in den damaligen Alltag von Bevölkerung und Militär.
Internet-Auftritt des Museums: https://racmp.co.uk
Hier nun wie angekündigt eine kleine Aufstellung von GPS-Daten der wichtigsten Objekte rund um Loch Ewe:
Ort |
GPS-Koordinaten |
Objekt |
Aultbea
|
57°50'17.8"N
5°35'37.1"W |
Pier
(HMS Helicon) |
57°50'29.3"N
5°35'48.7"W |
Kino
(heute Village Hall) |
|
57°50'33.6"N
5°35'59.7"W |
Schwere
Flugabwehrstellung |
|
Firemore |
57°49'42.0''N
5°40'26.6''W |
Schwere
Flugabwehrbatterie |
Gairloch |
57°43'00.9"N
5°41'04.4"W |
Kantine
(heute Golfclub) |
57°43'20.6"N
5°41'12.8"W |
Hospital
(heute Gairloch Hotel) |
|
57°43'40.2"N
5°41'25.1"W |
Security Gate (heute ein Supermarkt) |
|
Gruinard
Bay |
57°53'24.9"N
5°28'16.5"W |
Gruinard
Island |
Inverasdale |
57°48'45.0''N
5°40'29.2''W |
Schwere
Flugabwehrbatterie |
Laide |
57°51'54.7"N
5°32'30.3"W |
Security Gate (heute Laide Stores) |
Leacan
Donna |
57°51'59.8"N
5°38'44.9"W |
Signal
Station Control |
Mellon
Charles |
57°51'23.3"N
5°38'27.5"W |
Schwere
Flugabwerbatterie Rubh a Choin |
57°51'27.0"N
5°38'03.4"W |
Boom
Depot |
|
Mellon
Udrigle |
57°53'39.5"N
5°33'29.2"W |
Meall nam Meallan (Lookout Station) |
Naast |
57°47'14.7"N
5°39'24.6"W |
Stauwehr
(Wasserversorgung) |
Opinan |
57°54'48.4"N
5°34'56.3"W |
RAF
Lookout Station |
Rubha
nan Sasan |
57°51'53.9"N
5°41'07.6"W |
Cove
Battery |
Tournaig |
57°47'35.7"N
5°34'34.8"W |
Schwere
Flugabwehrbatterie |
57°47'40.6"N
5°34'42.6"W |
Barrage Balloon Base (Tournaig Farm) |
|
Zwischen
Boor und Naast |
57°46'40.0"N
5°38'15.0"W |
Leichte
Flugabwehrstellung ("Three Penny Bit ")
|
Der 4. und möglicherweise sogar auch noch ein 5. Teil der Blog-Serie über Loch Ewe wird sich wie angekündigt mit den dortigen Einrichtungen des 1. Weltkriegs befassen. Hier ist allerdings noch ein wenig Archivarbeit notwendig – es kann also dauern, und ich bitte um Geduld.
Übersicht der siebenteiligen Berichtsreihe über Loch Ewe inklusive Teaser / Overview of the five-part series of reports on Loch Ewe including teaser:
Loch Ewe, erster Teil (Deutsch)
Loch Ewe, zweiter Teil: Das Ostufer (Deutsch)
Loch Ewe, Teil 3: Westufer und Gruinard Bay (Deutsch)
Loch Ewe in the Great War (English)
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