Der Teaser in meinem letzten Beitrag bezog sich auf meinen diesjährigen Sommerurlaub.
Urlaubsreisen bereite ich gerne sehr detailliert vor. Dieses
Jahr sollte es im Frühsommer mal wieder nach Schottland gehen, und eins der Reiseziele
sollte Wester Ross an der Nordwestküste sein, genauer Loch Ewe, wovon wir uns
Ruhe und Abgeschiedenheit erhofften.
Nun, Loch Ewe ist in der Tat eine ruhige und abgeschiedene
Ecke, ein breiter Meeresarm mit einer großen Insel, umgeben von einer majestätischen
Bergwelt. Schottland wie aus dem Bilderbuch!
So einsam und abgeschieden war es dort allerdings nicht
immer. Bei meinen Reisevorbereitungen stieß ich schnell darauf, dass in der
Gegend vor ungefähr 80 Jahren jede Menge los war und es dort viel mehr Menschen
gab als heute … Richtig, es geht um den zweiten Weltkrieg. Ist zwar eigentlich
(mal wieder) nicht der Scope dieses Blogs, aber dennoch höchst berichtenswert.
Zunächst ein paar Worte zum militärhistorischen Hintergrund.
Kurz nach Beginn des 2. Weltkriegs befürchtete die britische
Admiralität deutsche Bomberangriffe auf den damaligen Flottenhafen Scapa Flow
und ordnete an, Loch Ewe an der schottischen Nordwestküste als temporären
Flottenstützpunkt einzurichten. Bereits 2 Monate später wurde dieser Plan
allerdings wieder verworfen, weil die vorhandenen U-Boot-Abwehr-Vorrichtungen
von Loch Ewe als zu wenig wirkungsvoll beurteilt wurden. Ein paar Tage später
wurde ein britisches Schiff, die HMS Nelson, bei der Einfahrt in das Loch Ewe
durch eine von einem deutschen U-Boot gelegte Magnetmine schwer beschädigt, was diese
Entscheidung bestätigte.
Loch Ewe diente danach zunächst nur als Ausweichhafen,
später als Auftankbasis für Convoys, wodurch es mehr und mehr Bedeutung
erlangte. Im Juni 1941 wurde das Dorf Aultbea an der Ostseite des Lochs unter
dem Namen „HMS Helicon“ zur Operationszentrale; ab 1942 diente Loch Ewe dann
als Sammel- und Ausgangspunkt für die „Arctic Convoys“, die Russland über Murmansk
und Archangelsk versorgten. Bis Kriegsende wurden auf diesem Weg mehr als 4
Millionen Tonnen Versorgungsgüter nach Russland geliefert, darunter Flugzeuge,
Panzer, LKWs, Nahrungsmittel, Treibstoff,
Munition, Telefonkabel und vieles mehr.
Die Convoyrouten waren dabei sehr gefährlich: Außer Minen
und Angriffen durch deutsche U-Boote und Flugzeuge setzten auch die extremen
Witterungsbedingungen (Kälte, Eis & Schnee, Stürme, Seegang) den Convoys
zu. Bis Kriegsende gingen 85 Handelsschiffe und 16 britische Kriegsschiffe
verloren; insgesamt 3.000 alliierte Seeleute verloren ihr Leben.
Wie eingangs angedeutet war auch Loch Ewe selbst gefährdet;
das Eindringen des deutschen U-Boots U-31 in das Loch am 27. Oktober 1939 sowie
4 deutsche Luftangriffe 1941 zeugen davon.
Ab Ende 1939 wurden die ersten Flugabwehrstellungen am Loch
Ewe etabliert. Die Landspitze Rubha nan Sasan am linken Loch-Ufer erhielt eine
Küstenbatterie, die Einfahrt zum Loch wurde mit Anti-U-Boot Netzen, Detektorenschleifen
und fernzündbaren Minengürteln gegen U-Boote abgesichert. Auf die einzelnen
Verteidigungseinrichtungen gehe ich später ein.
Ab dem Jahreswechsel 1944/45 wurde Loch Ewe als
Convoy-Sammelpunkt zugunsten des Clydes wieder aufgegeben; am 6. August 1945
stellte HMS Helicon den Betrieb ein.
(Aultbea, mit der Dashcam aufgenommen)
Wie fängt man nun am besten an, wenn man beschreiben will,
was es am Loch Ewe alles zu sehen gibt? Am besten, indem man einen großen Kreis
mit 88km Radius um Poolewe im Süden von Loch Ewe zieht. Der militärische
Sicherheitsbereich begann im Krieg nämlich bereits am Bahnhof Inverness; alle
Zugreisenden in Richtung Achnasheen wurden bereits dort ausführlich überprüft.
Eine weitere Kontrollstation gab es in Achnasheen, 37 km südöstlich von Poolewe, die nächste war in Gairloch. Ein Kontrollpunkt in Laide sicherte die nordöstliche Zufahrt zum Loch Ewe.
Diese Checkpoints sind auch heute noch erhalten, wenngleich
sie auch mittlerweile völlig anderen, nichtmilitärischen Zwecken dienen: Das
Gebäude in Achnasheen bei der Telefonzelle wurde renoviert und dient offenbar
als Wohnhaus (die Kennzeichnung „Old Checkpoint“ weist auf die Verwendung im
Krieg hin). Der Checkpoint in Laide ist heute ein General Store mit Tankstelle
und Postbüro, und der Kontrollpunkt in Gairloch beherbegt einen Supermarkt:
(Ehemaliger Checkpoint in Gairloch, mit der Dashcam aufgenommen)
Die Straße zwischen Inverness und Laide scheint auch fortifikatorisch abgesichert gewesen zu sein. An der Landstraße A35 befindet sich bei den Koordinaten 57.595083, -4.663889 ein Bunker mit Schießscharte. Zum Anhalten zwecks näherer Untersuchung gibt es dort leider keine Gelegenheit; soweit ich herausfinden konnte, steht der Bunker im Inneren trotz Hanglage unter Wasser.
Unsere Anreise zum Loch Ewe führte uns von Achnasheen aus
über Kinlochewe am Loch Mairie entlang nach Gairloch.
Gairloch war, obwohl es nicht am Loch Ewe liegt, im Krieg
geprägt von militärischer Präsenz. Das Gelände des heutigen Golfclubs, das man
von Süden kommend zuerst passiert, diente der Home Guard als Schießanlage; die
Kugelfänge im Green sind auch heute noch gut erkennbar. Das Clubhaus war damals eine Militärkantine, in der Nähe befanden sich Einrichtungen des Royal Army
Service Corps. Fährt man weiter, kommt man am Gairloch Hotel vorbei, das im
Krieg als Lazarett fungierte. Wer mit einer Übernachtung dort liebäugelt, sollte
bei der Zimmerwahl beachten, dass Zimmer Nr. 5 die Leichenhalle war!
Nach dem Hotel folgt der bereits erwähnte Kontrollpunkt, der heute einen Supermarkt beherbergt, und schon geht es wieder hinaus aus Gairloch, den Berg hoch und hinein in eine atemberaubende, karge und majestätische Landschaft. Hier gilt es aufzupassen: Am Loch Tollaidh zweigt bei 57.747300, -5.620222 ein Schotterweg von der Landstraße A832 ab. Folgt man diesem Weg, erreicht man nach 300 Metern eine Gruppe grasbewachsener Hügel; auf dem Weg dahin passiert man diverse Betonfundamente links und rechts des Weges. Des Rätsels Lösung: Bei den Hügeln handelt es sich um die zugeschüttete Flugabwehrbatterie „Loch Tollaidh“ (Synonyme: Blar na Cloiche, Loch Tollie). Sie bestand aus 4 betonierten Stellungen für 3,7-Zoll-Flugabwehrgeschütze und einem Leitstand. Bei den Betonfundamenten handelt es sich um die Reste der Unterkünfte. Es muss damals gut 40 Gebäude gegeben haben, vermutlich sogenannte Nissen Huts, also Gebäude mit halbrundem Profil aus Fertigbauteilen.
Die Batterie wurde nach dem Krieg zunächst als Mülldeponie
missbraucht (davon zeugen leider immer noch Spuren) und dann zugeschüttet.
Die nachfolgenden Fotos geben einige Impressionen.
Zufahrtsweg zur Batterie. Der linke Hügel war eine der Geschützstellungen, der sich am rechten Bildrand abzeichnende der Feuerleitstand:
Blick vom Batterieinneren in Richtung Süden. Links der ehemalige Feuerleitstand, rechts eine Geschützstellung, links im Vordergrund der Ansatz einer weiteren Geschützstellung:
Weiter geht es nach Poolewe, wo man Loch Ewe erreicht, doch dazu mehr im nächsten Blogbeitrag. Aufgrund der Menge an Material wird es noch mindestens 3 weitere Blogbeiträge geben.
Übersicht der siebenteiligen Berichtsreihe über Loch Ewe inklusive Teaser / Overview of the five-part series of reports on Loch Ewe including teaser:
Loch Ewe, erster Teil (Deutsch)
Loch Ewe, zweiter Teil: Das Ostufer (Deutsch)
Loch Ewe, Teil 3: Westufer und Gruinard Bay (Deutsch)
Loch Ewe in the Great War (English)
Teaser: News from Ru Con Battery (English)
Ergänzung zu den Loch Ewe Reiseberichten (Deutsch)
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