Montag, 17. Oktober 2016

Die Forte di Valledrane (Idrosee)


 (Wiederhergestellter Post vom 17.10.2016 aus dem alten Tavannes-Blog)



Der Gardasee ist für Festungsfreunde ein interessantes Terrain, aber auch der benachbarte Idrosee hat einiges Fortifikatorisches zu bieten, beispielsweise die Forte di Valledrane:


Wir waren im Frühsommer (Anm.: Mai 2016) dort und fanden die Festung offen zugänglich vor; da wir die einzigen Besucher waren, konnten wir sie ausführlich erkunden. 

Die Forte di Valledrane liegt oberhalb des Ortes Vantone am Südostufer des oberitalienischen Idro-Sees in 831 Metern Höhe. Da der Weg nur unzureichend beschildert ist, ist sie etwas schwer zu finden, wenngleich auch bequem zu erreichen. Sie ist für Besucher hergerichtet und kann völlig frei besichtigt werden; zum Zeitpunkt unseres Besuchs waren wir völlig alleine.

Gesamtansicht der Anlage.

Die Festung wurde in den Jahren 1906 bis 1912 als Bestandteil des italienischen Verteidigungssystems „Sbarramento Giudicarie“ errichtet; sie sollte das Eindringen feindlicher Truppen aus dem Vestino-Tal (damals zu Österreich-Ungarn gehörend) verhindern.

Zu Beginn des ersten Weltkriegs verschob sich jedoch die Front nach Norden bis zur Lardaro-Sperre, wodurch die Forte di Valledrane nutzlos wurde. Sie wurde daher desarmiert; Ende 1915 war sie nur noch mit 30 Soldaten belegt und verfügte als Bewaffnung über einige veraltete Maschinengewehre und ein Geschütz in offener Bettung.

1918 versetzte man sie wieder in verteidigungsfähigen Zustand, als Gerüchte kursierten, der Feind plane eine Offensive – die allerdings nie kam.

Nach Ende des Krieges wurde das Fort erneut desarmiert, und seine südlich gelegenen Strukturen wurden als „Frommes Kindersanatorium von Valledrane“ einer neuen Nutzung zugeführt.

Im zweiten Weltkrieg nutzte die Organisation Todt die Festung als Lager; es kam dort zu einigen Zusammenstößen zwischen Partisanen und deutschen Soldaten.

Die Forte di Valledrane ist mit einer Fläche von 126 x 22 Metern und 9 Metern Höhe eine relativ große Anlage. Sie wurde dem Geländeverlauf angepasst und terrassiert angelegt; das Bodenniveau der einzelnen Terrassen steigt von Ost nach West an:

Der Plan zeigt die Batterieblöcke, von denen jeder zwei Geschützbrunnen für je ein 149mm Armstrong Geschütz enthielt, die mit 140mm dicken Panzerkuppeln überdeckt waren. Ihr Drehradius betrug volle 360 Grad, die Geschützreichweite zwischen 12 und 24 Kilometern. Die Festung konnte damit das gegenüber liegende Ufer des Idro-Sees wirksam abdecken.

Batterieblock von außen.

Batterieblock von innen; auf der rechten Seite die Aufgänge zu den Geschützkuppeln. 
Die Treppen sind leider nicht mehr vorhanden.

Weitere Verteidigungselemente waren zwei Flugabwehrstellungen (eine davon ist am östlichen Ende noch erkennbar) sowie eine Batterie für vier 75mm Geschütze im Osten und eine für zwei 149mm Geschütze im Süden.

Flugabwehrstellung, heute als Grillstelle genutzt.

Nachfolgend einige Impressionen der Festung:

Nahverteidigung am östlichen Ende.

Im Inneren der Kaserne ( = östlicher Block)

Die ehemalige Küche.

Der Generatorenraum.

Im Inneren einer der Kaponnièren; leider auch hier die üblichen Schmierereien.

In der Pulverkammer im westlichen Teil der Festung.

Sonntag, 17. Juli 2016

Die Forte Ardietti bei Peschiera


 (Wiederhergestellter Post vom 17.07.2016 aus dem alten Tavannes-Blog)



Im ersten italienischen Unabhängigkeitskrieg (1848/49) spielte das Festungsviereck Mantua-Peschiera del Garda-Verona-Legnano eine wichtige Rolle, Österreich die Kontrolle über Norditalien zu gewährleisten. Es zeigte sich allerdings, dass eine bessere Verteidigung dieser Städte möglich gewesen wäre, hätte man sie rechtzeitig zu verschanzten Lagern ausgebaut; so wurde Peschiera im Mai 1848 von piemontesischen Truppen eingenommen, konnte jedoch im August von Österreich zurückerobert werden.

Aus dieser Erfahrung heraus hatte Feldmarschall Radetzky schon im Mai 1848 den Auftrag gegeben, ein neues System für die Verteidigung von Peschiera auszuarbeiten. Zunächst wurde nur ein Entwurf für die Befestigungsanlagen am rechten Mincio-Ufer beauftragt, die aus Zeitgründen nur als Erdwerke errichtet werden sollten. Kaiser Franz Joseph billigte den Bau am 10. Januar 1849, bestand jedoch auf einem Plan für das gesamte verschanzte Lager, um die Gesamtkosten beurteilen zu können. Diesen Plan genehmigte er am 14. Februar 1849.

Aus Kostengründen beschränkten sich die Bauarbeiten zunächst nur auf das rechte Mincio-Ufer. Unter diesen Befestigungsanlagen befand sich auch das Lagerwerk Nr. VIITI, östlich von Dolci bzw. nordöstlich von Ponti sul Mincio gelegen.

1851 ordnete die General Genie Direction in Wien eine Überarbeitung des Plans für das verschanzte Lager Peschiera an; das Lagerwerk Nr. VIII, das bis dahin aus Erdwällen und nur wenigen Mauerwerkselementen bestand, sollte abgerissen und durch einen neuen Entwurf ersetzt werden. Diese Arbeiten begannen 1853.

Da das Lagerwerk Nr. VIII das verschanzte Lager nach Süden abschloss, wo das Minciotal die Verteidigungslinie durchbrach, hatte es für Peschiera eine besondere Bedeutung und wurde als relativ große Anlage konzipiert. Es wurde als polygonale Festung neudeutscher Schule mit unvollständigem achteckigen Grundriss errichtet.

2 Seiten des Polygons fehlen; an dieser Stelle bildet ein einspringender Winkel eine Kehle. Aus dem beinahe runden zweistöckigen Kernwerk mit rundem Innenhof ragt ein Teil in die Kehle hinein und dient dort als Kaponnière. Für den Fall, dass Feind in die Festung eindrang, versah man es rundum mit Gewehrscharten. Im Inneren befanden sich Unterkünfte, Küchen, ein Lazarett , Latrinen und Lager für Lebensmittel, Munition und Pulver. Das Hauptpulvermagazin wurde unter dem Erdwall neben der Poterne, die zur zentrealen Kaponnière führt, angelegt. Die Wasserversorgung des Werks erfolgte über Zisternen im Innenhof des Kernwerks.

Der trockene Graben mit davor liegendem Glacis verfügt über keine Kontereskarpenmauer. Die Eskarpenmauer steht frei (a la Carnot) und weist drei Kaponnièren für leichte Geschütze auf. Zusätzlich konnte der Graben durch zahlreiche Gewehrscharten in der Eskarpenmavuer bzw. auf der rechten Kehlseite durch Zinnen verteidigt werden. Als Besonderheit wurde auf der linken Kehlseite eine unterirdische kasemattierte Batterie eingerichtet, von der aus das Minciotal beschossen werden konnte. Alle anderen Geschütze zur Außenverteidigung waren auf den Erdwällen, geschützt durch Erdtraversen, unter freiem Himmel positioniert.

Das Lagerwerk Nr. VIII, mittlerweile umnummeriert in Lagerwerk Nr. VI, wurde 1861 fertig gestellt.

Blick auf die zentrale Poterne (Aufnahmedatum unbekannt):

Mit dem Ende des dritten italienischen Unabhängigkeitskriegs fielen die Lombardei und Venetien endgültig an Italien und mit ihnen auch die Festung Peschiera und das Lagerwerk Nr. VI, italienisch "Forte Ardietti" genannt.

Der nachfolgende Plan der Festung stammt aus dem Befestigungsatlas des technischen und administrativen Militär-Comites von 1880; er zeigt den Zustand von 1866:

Legende:

  1. Kernwerk
  2. Kaponnieren
  3. Kasemattierte Batterie

Der Graben ist braun eingezeichnet.

Die Forte Ardietti hatte zu diesem Zeitpunkt 680 Mann Besatzung, von denen 430 bzw. notfalls auch 612 Mann bombensicher untergebracht werden konnten. Sie verfügte über insgesamt 25 Geschütze, davon

  • 4 Hinterladerkanonen 12cm
  • 7 glatte Kanonen
  • 12 glatte Haubitzen
  • 2 glatte Mörser

Ansicht der Kehlseite (Foto von 1866):

Seit dem ersten Weltkrieg diente die Festung bis in die 1990er Jahre als Munitionslager, zumal sie militärtechnisch völlig veraltet war. Die Gemeinde Ponti sul Mincio erwarb sie 2014 und hat sie für Besucher hergerichtet. Da sie so lange vom Militär genutzt wurde und nie in Kämpfe verwickelt war, ist sie perfekt erhalten und ein Musterbeispiel für habsburgische Festungsbaukunst der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Öffnungszeiten (Anm.: Stand vom 17.07.2016):

  • Vom 26.03. bis 29.05. samstags und sonntags von 10:00 - 12:00 und von 15:00 - 19.00
  • Vom 29.05. bis 25.09. täglich von 10:00 - 12:00 und von 15:00 - 19.00

Nachfolgend einige Eindrücke von außen; zunächst das Kernwerk, von der zentralen Poterne aus gesehen:

Der Innenhof des Kernwerks:

Eskarpenmauer und östliche Kaponniere:

Latrine gegenüber der östlichen Kaponnière:

Kaponnièrentor:

Eingang in die Festung, früher mit Zugbrücke:

Innenaufnahme des Kernwerks; zunächst der umlaufende Gang:

Gang zur Kehlkaponnière:

Erdgeschoss der Kehlcaponnière:

Treppenabgang in das Untergeschoss der Kehlcaponnière:

Einige Exponate im Kernwerk:




Aufnahmen aus der zentralen Kaponnière:


Im Teaser (Anm.: Nicht rekonstruiert) hatte ich eine herausragende Besonderheit angekündigt: Bei meinem Besuch im Mai 2016 hatte ich das Glück, die kasemattierte Batterie ausführlich erkunden zu können, da das Außentor nicht abgeschlossen war. Hier zunächst ein Innenfoto der Geschützkasematte:

Was diesen Ort zu einem ganz besonderen macht, sind unzählige Bleistift-Wandinschriften italienischer Soldaten, hauptsächlich aus den 80er und 90er Jahren des 19. Jahrhunderts:







Die gesamte Wand, an der sich das letzte Bild befindet, sieht so aus:

(Der Dienst muss ziemlich trostlos gewesen sein ...)

Es wäre zu wünschen, dass jemand die Bedeutung dieser Wandinschriften erkennt und sie konserviert bzw. schützt. Wenngleich der Erhaltungszustand der Festung an sich schon begeisterungswürdig ist, so sind diese Inschriften das eigentliche Highlight.







Montag, 27. Juni 2016

Die Feste Freiherr von der Goltz bei Metz


 (Wiederhergestellter Post vom 27.06.2016 aus dem alten Tavannes-Blog)



Nach der Annexion Elsass-Lothringens 1871 begann man schnell, die Befestigung der Stadt Metz auszubauen. Zum einen wurden die von Frankreich begonnenen Anlagen fertiggestellt, zum anderen neue Forts errichtet.

Die Brisanzmunitionskrise machte jedoch ein neues Konzept notwendig; die Funktionseinheiten, die bis dahin in einer Anlage zentral vorgehalten worden waren, wurden nun dezentralisiert: Batterien, Kasernen und Elemente der Nahverteidigung lagen auf einer Fläche von mehreren hundert Hektar verstreut und waren durch unterirdische Galerien miteinander verbunden. Anlagen dieser Art nannte man „Festen“.

Das Prinzip unterirdisch miteinander verbundener Festungselemente wurde typisch für Festungsanlagen des 20. Jahrhunderts; man findet es beispielsweise in der Maginot-Linie, dem Westwall und dem Ostwall.

Die Feste Freiher von der Goltz stellt den modernsten Festungstyp um Metz dar; ihr Bau wurde 1907 begonnen. Sie war für 800 Mann Besatzung ausgelegt und bestand aus drei durch Galerien miteinander verbundenen eigenständigen Gruppen: Ars-Laquenexy, Mercy und Jury.

Ars-Laquenexy bestand aus folgenden Funktionseinheiten:

  • ein Infanteriewerk
  • die Panzerbatterie Ost mit 3 Geschütztürmen Modell 08 für kurzläufige 105mm Geschütze
  • die Panzerbatterie West mit 3 Geschütztürmen Modell 08 für langläufige 105mm Geschütze
  • drei gepanzerte Artilleriebeobachter Modell 05
  • Eine (unvollendete) betonierte Kaserne

Mercy war das größte Infanteriewerk der Feste; es war ungefähr doppelt so groß wie das von Ars-Laquenexy und besaß außer einer doppelstöckigen Kaserne ein Lazarett, Lagerräume, Küche, Backofen und Zisternen.

Zwischen Ars-Laquenexy und Mercy befand sich die zweistöckige Kraftstation der Feste:
Das Untergeschoss diente als Kühlwasserbehälter für die Generatoren; das Obergeschoss bestand aus 8 Räumen, von denen 3 als Generatorenräume verwendet wurden, die anderen als Treibstofflager (Kapazität: 2560 Hektoliter Öl) und Werkstätten. Insgesamt 10 Generatoren mit je 35 PS, gekoppelt an 26-KW-Dynamos, versorgten die Feste mit Strom.

Auch Jury ist ein Infanteriewerk mit doppelstöckiger Kaserne; zwei geplante Panzerbatterien, zwei Panzerbeobachter und eine betonierte Kaserne zwischen Mercy und Jury wurden nicht mehr gebaut.

Zu Beginn des ersten Weltkriegs war die Feste von der Goltz noch nicht fertiggestellt. Während des Krieges war sie nicht in Kampfhandlungen involviert, und der Kriegsverlauf hatte zur Folge, dass die Bauarbeiten 1916 endgültig eingestellt wurden.

Im zweiten Weltkrieg nutzen die Deutschen die Feste zur Munitionslagerung. Im September 1944 beschoss ein amerikanischer Jagdbomber einige LKWs im Werkshof von Mercy, die Torpedosprengköpfe geladen hatten; die resultierende Explosion erfasste auch das Werksinnere und brachte 1500 weitere Sprengköpfe zur Explosion, die dort im Untergeschoss gelagert waren. Mercy wurde dadurch völlig zerstört.

Im Rahmen der diesjährigen Frühjahrsexkursion nach Metz (Anmerkung: Die Exkursion fand 2016 statt) konnten wir einen Teil der Feste von der Goltz besuchen. Auch wenn die Ausmaße des Vandalismus im Inneren bedrückend sind, ist ein solcher Besuch ein grandioses Erlebnis. Alleine die Kraftstation ist einzigartig, vor allem wenn man sie mit ihrer restaurierten „Schwester“ in der Feste Kaiser Wilhelm in Mutzig vergleicht (siehe Fotos).

Dass wir nur einen Teil der Anlage begehen konnten, war zum einen dem Umstand geschuldet, dass wir sehr viel Zeit in der Kraftstation verbrachten, zum anderen der Tatsache, dass das Vorwärtskommen in den unterirdischen Galerien sehr beschwerlich ist: Um an das Kupfer der links und rechts der Gänge verlaufenden Kabel zu kommen, haben Rohstoffplünderer die Kabel herausgerissen, die Stahlummantelung entfernt und letztere einfach in den Gängen liegen gelassen, wo sie teilweise sehr voluminöse Haufen bilden, die aufgrund ihrer spiralfederähnlichen Konsistenz äußerst schwierig zu überwinden sind. Unter Idealbedingungen würde man einen Kilometer Galerie in ca. 15 Minuten zurücklegen; hier muss man durchaus mindestens die doppelte Zeit einplanen.

Die Feste von der Goltz (oder seit 1919 Groupe fortifié de la Marne) ist heute immer noch in Militärbesitz, was sie bisher leider nicht vor Vandalismus und Zerstörung geschützt hat.

Als eine der modernsten Festungsanlagen ihrer Zeit hätte sie es verdient, bewahrt, restauriert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden.

Plan der Feste:

A Stützpunkt Ars-Laquenexy
B Stützpunkt Mercy
C Stützpunkt Jury
1 105mm Panzerbatterien
2 Kraftstation
3 Beobachtungsglocken
4 Artilleriebeobachter

Panzertür in einer der Galerien:

In der Galerie; man beachte die fehlenden Kabel links und rechts und die Ummantelungsreste auf dem Boden:

Artilleriebeobachter:

In einer der Panzerbatterien:

Schalttafel in der Kraftstation, zerstört und geplündert:

Hier im Vergleich dazu die Feste Kaiser Wilhelm:

Eine der Generatorenhallen:

Und wieder zum Vergleich die Feste Kaiser Wilhelm:

Steckdose mit Schraubkappe:

Waschbecken in der Kraftstation:

Auch hierfür habe ich ein Pendant aus der Feste Kaiser Wilhelm in meinem Foto-Fundus:

Was mich bei der Kraftstelle der Feste von der Goltz besonders begeistert hat, ist folgendes Detail:

Man findet diese königsblaue Kachelreihe überall, auch bei den Sockeln der Generatoren:

Öltank in der Kraftstation:

Infanteriestellung des Stützpunkts Ars-Laquenexy:

Abschließend sei noch auf den mehrseitigen Bericht über die Feste von der Goltz von Jean-Paul Delacruz auf seiner (französischen) Derelicta-Website hingewiesen. Die begleitenden Fotos sind sensationell und vermitteln einen erheblich besseren Eindruck der Anlage als es meine je könnten.