Montag, 8. Januar 2018

Die Etschklause (Chiusa Veneta)


 (Wiederhergestellter Post vom 09.01.2018 aus dem alten Tavannes-Blog)



Einleitung: Die Gruppo di Rivoli

1849 – 1852 wurden an der Etsch durch das Kaiserreich Österreich-Ungarn, zu dem das Königreich Lombardo-Venetien bis 1866 gehörte, 4 Festungen erbaut: Die Straßensperre Etschklause (in 115m Höhe am Etschufer) und die Werke Hlawaty (in 236m Höhe auf einem Bergrücken über der Etsch), Mollinary (auf dem Monte Pastello in 410m Höhe) und Wohlgemuth (auf dem Monte Castello in 227m Höhe).

Die Ausführung oblag dem kaiserlichen Befestigungsamt in Verona unter der Leitung von Geniemajor von Swiatkiewich.

Bei der Planung berücksichtigte man sowohl die topographische Situation und die Morphologie des Geländes als auch die Erfahrungen früherer Kämpfe:

Alle 4 Festungen wurden auf felsigem Gelände erbaut, bestehend aus oolitischem Dogger- und Liaskalk (Hlawaty und Wohlgemuth) bzw. aus rotem Knollenkalk („Veroneser Marmor“) aus dem Malm (Mollinary).

Die Anlagen wurden recht nah beieinander errichtet, um das Zwischenfeld artilleristisch komplett abdecken zu können. Entfernungen:

  • Wohlgemuth – Hlawaty: 860m Luftlinie
  • Hlawaty – Mollinary: 940m Luftlinie
  • Mollinary – Etschklause: 500m Luftlinie

Das Werk Wohlgemuth, von der Etschklause aus gesehen:

Und umgekehrt – die Etschklause (roter Pfeil) vom Werk Wohlgemuth aus gesehen:

Die 4 Festungen kontrollierten die Straße Verona – Trient samt Nebenstrecken (vor allem in Süd-West-Richtung) und außerdem die Furten von Ceraino und Canale.

Als das Veneto 1866 an Italien fiel, erhielt die Sperrgruppe aus den genannten 4 Werken den Namen „Gruppo di Rivoli“ und wurde 1884 um die Straßensperre von Canale (Tagliata d’Incanal) und 1888 um ein fünftes Fort (Forte San Marco) erweitert.

Die Etschklause (Chiusa Veneta)

Die Position der Straßensperre Etschklause am Etsch-Engpass war für die Kontrolle der Verbindung zwischen Verona und Trient prädestiniert, da die Felswand auf der Ostseite gerade genug Platz für eine Straße und später noch für eine Bahntrasse bot, während auf der Westseite ein Ausläufer des Monte Pipalo so steil unmittelbar über dem Fluß aufragt, dass dort keine Passage möglich war.

Vor dem Bau der Straßensperre gab es an gleicher Stelle bereits eine venezianische Zollstation, die den Güterverkehr zu Lande und zu Wasser überwachte:

Nach dem Ausbau der Brennerstraße 1772 wurde diese Stelle mehrfach heftig umkämpft, was letztlich dazu führte, dass auch hier im Zuge des Ausbaus des österreich-ungarischen Festungsvierecks Peschiera – Mantua – Verona – Legnano eine moderne Festung errichtet wurde.

Der neue Bau, der direkt an der östlichen Felswand begann, bestand ursprünglich aus einer zweigeschossigen Defensionskaserne mit einer mit Toren und Zugbrücken versehenen Durchfahrt für den Landverkehr sowie einer halbzylindrischen Caponnière, die den Fluss kontrollierte. Ab 1857 wurde auch eine Bahntrasse durch das Werk gelegt; Züge konnten mit Hilfe einer Zugbrücke, über die Schienen verliefen, gestoppt werden.

Hier ein Plan der Anlage:

Das Werk war für insgesamt 12 Geschütze ausgelegt, 4 in der unteren und 8 in der oberen Etage.

Vor der Werksfront verlief jeweils ein ca. 4 Meter breiter und bis zu 2,5 Meter tiefer Graben. Die Flankierung des Werks und die Nahverteidigung des Grabens erfolgte durch Kasemattenwerke in der Felswand mit Gewehrschießscharten; in der Felswand befand sich außerdem das Munitionsdepot (Raum a im Erdgeschoss des folgenden Plans).

Grundrisse aus dem obigen Plan im Detail:

Generell war die Etschklause als Nahverteidigungswerk in relativ hoher Bauweise ausgelegt, da infolge des Terrains nicht mit Artillerieangriffen zu rechnen war.

Die Wasserversorgung erfolgte über einen Brunnen im Erdgeschoss der Caponnière, der aus der Etsch gespeist wurde.

Nach 1866 blieb die Straßensperre aufgrund ihrer strategischen Lage in Betrieb, war aber nur noch mit 2 Geschützen bewaffnet.

Ursprüngliche Ansicht der Straßensperre aus nordwestlicher Richtung:

Als in jüngerer Vergangenheit die SS12 verbreitert werden musste, um den modernen Verkehrsanforderungen zu genügen, riss man einen großen Teil der Straßensperre ab. Die heute vorhandenen Reste der Defensionskaserne sind in Privatbesitz und können nicht besichtigt werden; über dem Fundament der Kaponniere wurde ein Wohnhaus errichtet. Die früher durch das Werk verlaufende Bahntrasse wurde verlegt.

Die heute verschwundenen Teile der Straßensperre im Plan dargestellt; ungefähr die Hälfte der Anlage wurde abgerissen:

Aktuelle Fotos von einem Besuch im Spätsommer 2017:

Ansicht von Norden

Ansicht von Süden. Die Kasematten in der Felswand sind durch die dichte Vegetation mehr zu erahnen als zu sehen.

Nähere Ansicht von Süden; durch die Aussparung oben rechts führte die Bahntrasse.

Der Graben; gut erkennbar die Schießscharten zur Nahverteidigung.

Die Straßenansicht. Der Gewölbeansatz der ehemaligen Straßendurchfahrt ist gut zu erkennen.