Donnerstag, 27. Oktober 2016

Die Forte di San Rocco, Marina di Grosseto


 (Wiederhergestellter Post vom 27.10.2016 aus dem alten Tavannes-Blog)



Der heutige Beitrag beschäftigt sich mit einer Festung, die nicht in den üblichen Scope dieser Seite (Festungsbau von 1850 bis 1918) fällt, nämlich der 1793 fertiggestellten Forte di San Rocco an der toskanischen Küste. Da sie bis 1872 militärisch genutzt wurde und außerdem eine interessante kleine Anlage ist, war sie mir eine Vorstellung wert. Die Fotos entstanden während eines Aufenthalts im Mai dieses Jahres.

Das Hinterland des heutigen Küstenabschnitts zwischen Castiglione della Pescaia und der Ombrone-Mündung war in der Antike ein See (Lacus Prelius), der mehr und mehr verlandete und schließlich zu einem malariaverseuchten Sumpf wurde, der nur spärlich besiedelt war. Auf dem Gebiet des heutigen Ortes Marina di Grosseto gab es eine kleine Anlage namens San Rocco (benannt nach dem Heiligen Rochus), die seit dem Auftreten der Pest in Marseille im Jahr 1720 einlaufende Schiffe überwachte, um die Einschleppung von Krankheiten zu verhindern.

Der habsburgische Großherzog Peter Leopold beschloss 1788, anstelle dieser Anlage ein Fort errichten zu lassen, das unter seinem Sohn Ferdinand IIL. 1793 fertiggestellt wurde.

Seit 1765 - zu Beginn unter Leitung von Leonardo Ximenes - wurde die Trockenlegung des Sumpfgebiets vorangetrieben; dem Fort kam außer seiner Überwachungsfunktion schnell auch die Aufgabe einer wichtigen Ausgangsbasis für die entsprechenden Arbeiten zu. Der neben der Festung verlaufende, nach 1828 angelegte Entwässerungskanal stammt noch aus dieser Phase; er ist nach der Festung benannt.

Alter Stich der Forte di San Rocco

Nach Vollendung der Trockenlegung wurde die Forte di San Rocco einer rein militärischen Nutzung zugeführt. 1872 wurde sie zum Sitz des Zollamts, und erst in relativ neuer Zeit wandelte man sie in eine Wohnanlage um.

Da das Fort im Meer stehen sollte, errichtete man es in Backsteinbauweise auf einer Konstruktion aus Kiefernholz, bestehend aus einer Plattform und in den Boden gerammten Stützpfeilern. Es besteht aus drei Hauptelementen:

Das Hauptgebäude stellt einen rechteckigen, dreigeschossigen Turm dar, der auf seiner Ostseite durch einen von Mauern umgebenen Innenhof flankiert ist und auf der Westseite durch eine Bastion geschützt wird.

Seitenansicht der Forte di San Rocco von Norden aus

Das Hauptgebäude war die Kommandozentrale und beherbergte die Besatzung, bestehend aus 10 bis 12 Soldaten, 2 bis 4 Kavalleristen, einem Korporal und dem Kommandanten.

Im Erdgeschoss befanden sich die Kapelle samt Sakristei, das Gefängnis und die Unterkunft der Kavalleristen.

In der ersten Etage waren die Unterkunft des Kommandanten sowie eine Schreibstube, die auch zur Lagerung von Kleinwaffen genutzt wurde.

Die Küche mit einem großen Kamin befand sich in der zweiten Etage, außerdem das Zimmer des Korporals und der Schlafsaal der Mannschaften mit 10-12 Betten.

Um den Innenhof herum waren der Stall, die Scheune, ein Holzlager, eine kleine Zisterne und die Unterkunft des Geistlichen gruppiert. An der Ostseite des Hofs befindet sich auch der Zugang zur Festung in Gestalt eines mit Travertin ausgekleideten Flachbogentors, gekrönt vom Wappen des Hauses Habsburg-Lothringen.

Hofseite mit Eingang

Wappen über dem Tor

Die Bastion auf der westlichen, dem Meer zugewandten Seite des Forts ist mit 10 Metern Höhe ein mächtiger und eindrucksvoller Bauteil, dessen abgeschrägte Basis eine Mauerstärke von 2,60 Meter aufweist.

Bastion; die Tür wurde nachträglich eingebaut

Das Erdgeschoss der Bastion beinhaltet eine Kasematte, einen Kellerraum und die Hauptzisterne. Auf der ersten Etage befanden sich die Bäckerei mit Nebenräumen, die Küche des Kommandanten, ein Holzlager und die Speisekammer. Die zweite Etage besteht aus einer Terrasse für die die schwere Artillerie, einem kleinen Pulvermagazin und einer Latrine. Man findet dort auch eine Glocke an einem Bügel, die das Gussdatum 1721 eingeprägt hat und für akustische Signale verwendet wurde.

Erdgeschossplan von 1793. Die heute sichtbare Tür fehlt noch

Heute liegt die Forte di San Rocco nicht mehr im oder am Meer, sondern in einem baumbestandenen Areal hinter dem Hafen von Marina di Grosseto. Da die Anlage, wie oben ausgeführt, mittlerweile bewohnt ist, lässt sie sich im Inneren leider nicht besichtigen.


Nachtrag vom 28.10.1916:

Einige Angaben des letzten Beitrags kann ich mittlerweile besser präzisieren:

  • Der Canale San Rocco neben der Festung wurde 1838 angelegt
  • Die Festung wurde vom Zoll bis 1982 genutzt

Außerdem gelang es mir, bei einer online Auktion eine Postkarte aus dem Jahr 1909 zu ersteigern, die die Forte di San Rocco zeigt:

Die Festung lag zu dieser Zeit offensichtlich schon ein Stück vom Meer entfernt, und die Tür in der Bastion ist deutlich sichtbar. Sie dürfte also irgendwann im 19. Jahrhundert angelegt worden sein.

Montag, 17. Oktober 2016

Die Forte di Valledrane (Idrosee)


 (Wiederhergestellter Post vom 17.10.2016 aus dem alten Tavannes-Blog)



Der Gardasee ist für Festungsfreunde ein interessantes Terrain, aber auch der benachbarte Idrosee hat einiges Fortifikatorisches zu bieten, beispielsweise die Forte di Valledrane:


Wir waren im Frühsommer (Anm.: Mai 2016) dort und fanden die Festung offen zugänglich vor; da wir die einzigen Besucher waren, konnten wir sie ausführlich erkunden. 

Die Forte di Valledrane liegt oberhalb des Ortes Vantone am Südostufer des oberitalienischen Idro-Sees in 831 Metern Höhe. Da der Weg nur unzureichend beschildert ist, ist sie etwas schwer zu finden, wenngleich auch bequem zu erreichen. Sie ist für Besucher hergerichtet und kann völlig frei besichtigt werden; zum Zeitpunkt unseres Besuchs waren wir völlig alleine.

Gesamtansicht der Anlage.

Die Festung wurde in den Jahren 1906 bis 1912 als Bestandteil des italienischen Verteidigungssystems „Sbarramento Giudicarie“ errichtet; sie sollte das Eindringen feindlicher Truppen aus dem Vestino-Tal (damals zu Österreich-Ungarn gehörend) verhindern.

Zu Beginn des ersten Weltkriegs verschob sich jedoch die Front nach Norden bis zur Lardaro-Sperre, wodurch die Forte di Valledrane nutzlos wurde. Sie wurde daher desarmiert; Ende 1915 war sie nur noch mit 30 Soldaten belegt und verfügte als Bewaffnung über einige veraltete Maschinengewehre und ein Geschütz in offener Bettung.

1918 versetzte man sie wieder in verteidigungsfähigen Zustand, als Gerüchte kursierten, der Feind plane eine Offensive – die allerdings nie kam.

Nach Ende des Krieges wurde das Fort erneut desarmiert, und seine südlich gelegenen Strukturen wurden als „Frommes Kindersanatorium von Valledrane“ einer neuen Nutzung zugeführt.

Im zweiten Weltkrieg nutzte die Organisation Todt die Festung als Lager; es kam dort zu einigen Zusammenstößen zwischen Partisanen und deutschen Soldaten.

Die Forte di Valledrane ist mit einer Fläche von 126 x 22 Metern und 9 Metern Höhe eine relativ große Anlage. Sie wurde dem Geländeverlauf angepasst und terrassiert angelegt; das Bodenniveau der einzelnen Terrassen steigt von Ost nach West an:

Der Plan zeigt die Batterieblöcke, von denen jeder zwei Geschützbrunnen für je ein 149mm Armstrong Geschütz enthielt, die mit 140mm dicken Panzerkuppeln überdeckt waren. Ihr Drehradius betrug volle 360 Grad, die Geschützreichweite zwischen 12 und 24 Kilometern. Die Festung konnte damit das gegenüber liegende Ufer des Idro-Sees wirksam abdecken.

Batterieblock von außen.

Batterieblock von innen; auf der rechten Seite die Aufgänge zu den Geschützkuppeln. 
Die Treppen sind leider nicht mehr vorhanden.

Weitere Verteidigungselemente waren zwei Flugabwehrstellungen (eine davon ist am östlichen Ende noch erkennbar) sowie eine Batterie für vier 75mm Geschütze im Osten und eine für zwei 149mm Geschütze im Süden.

Flugabwehrstellung, heute als Grillstelle genutzt.

Nachfolgend einige Impressionen der Festung:

Nahverteidigung am östlichen Ende.

Im Inneren der Kaserne ( = östlicher Block)

Die ehemalige Küche.

Der Generatorenraum.

Im Inneren einer der Kaponnièren; leider auch hier die üblichen Schmierereien.

In der Pulverkammer im westlichen Teil der Festung.

Sonntag, 17. Juli 2016

Die Forte Ardietti bei Peschiera


 (Wiederhergestellter Post vom 17.07.2016 aus dem alten Tavannes-Blog)



Im ersten italienischen Unabhängigkeitskrieg (1848/49) spielte das Festungsviereck Mantua-Peschiera del Garda-Verona-Legnano eine wichtige Rolle, Österreich die Kontrolle über Norditalien zu gewährleisten. Es zeigte sich allerdings, dass eine bessere Verteidigung dieser Städte möglich gewesen wäre, hätte man sie rechtzeitig zu verschanzten Lagern ausgebaut; so wurde Peschiera im Mai 1848 von piemontesischen Truppen eingenommen, konnte jedoch im August von Österreich zurückerobert werden.

Aus dieser Erfahrung heraus hatte Feldmarschall Radetzky schon im Mai 1848 den Auftrag gegeben, ein neues System für die Verteidigung von Peschiera auszuarbeiten. Zunächst wurde nur ein Entwurf für die Befestigungsanlagen am rechten Mincio-Ufer beauftragt, die aus Zeitgründen nur als Erdwerke errichtet werden sollten. Kaiser Franz Joseph billigte den Bau am 10. Januar 1849, bestand jedoch auf einem Plan für das gesamte verschanzte Lager, um die Gesamtkosten beurteilen zu können. Diesen Plan genehmigte er am 14. Februar 1849.

Aus Kostengründen beschränkten sich die Bauarbeiten zunächst nur auf das rechte Mincio-Ufer. Unter diesen Befestigungsanlagen befand sich auch das Lagerwerk Nr. VIITI, östlich von Dolci bzw. nordöstlich von Ponti sul Mincio gelegen.

1851 ordnete die General Genie Direction in Wien eine Überarbeitung des Plans für das verschanzte Lager Peschiera an; das Lagerwerk Nr. VIII, das bis dahin aus Erdwällen und nur wenigen Mauerwerkselementen bestand, sollte abgerissen und durch einen neuen Entwurf ersetzt werden. Diese Arbeiten begannen 1853.

Da das Lagerwerk Nr. VIII das verschanzte Lager nach Süden abschloss, wo das Minciotal die Verteidigungslinie durchbrach, hatte es für Peschiera eine besondere Bedeutung und wurde als relativ große Anlage konzipiert. Es wurde als polygonale Festung neudeutscher Schule mit unvollständigem achteckigen Grundriss errichtet.

2 Seiten des Polygons fehlen; an dieser Stelle bildet ein einspringender Winkel eine Kehle. Aus dem beinahe runden zweistöckigen Kernwerk mit rundem Innenhof ragt ein Teil in die Kehle hinein und dient dort als Kaponnière. Für den Fall, dass Feind in die Festung eindrang, versah man es rundum mit Gewehrscharten. Im Inneren befanden sich Unterkünfte, Küchen, ein Lazarett , Latrinen und Lager für Lebensmittel, Munition und Pulver. Das Hauptpulvermagazin wurde unter dem Erdwall neben der Poterne, die zur zentrealen Kaponnière führt, angelegt. Die Wasserversorgung des Werks erfolgte über Zisternen im Innenhof des Kernwerks.

Der trockene Graben mit davor liegendem Glacis verfügt über keine Kontereskarpenmauer. Die Eskarpenmauer steht frei (a la Carnot) und weist drei Kaponnièren für leichte Geschütze auf. Zusätzlich konnte der Graben durch zahlreiche Gewehrscharten in der Eskarpenmavuer bzw. auf der rechten Kehlseite durch Zinnen verteidigt werden. Als Besonderheit wurde auf der linken Kehlseite eine unterirdische kasemattierte Batterie eingerichtet, von der aus das Minciotal beschossen werden konnte. Alle anderen Geschütze zur Außenverteidigung waren auf den Erdwällen, geschützt durch Erdtraversen, unter freiem Himmel positioniert.

Das Lagerwerk Nr. VIII, mittlerweile umnummeriert in Lagerwerk Nr. VI, wurde 1861 fertig gestellt.

Blick auf die zentrale Poterne (Aufnahmedatum unbekannt):

Mit dem Ende des dritten italienischen Unabhängigkeitskriegs fielen die Lombardei und Venetien endgültig an Italien und mit ihnen auch die Festung Peschiera und das Lagerwerk Nr. VI, italienisch "Forte Ardietti" genannt.

Der nachfolgende Plan der Festung stammt aus dem Befestigungsatlas des technischen und administrativen Militär-Comites von 1880; er zeigt den Zustand von 1866:

Legende:

  1. Kernwerk
  2. Kaponnieren
  3. Kasemattierte Batterie

Der Graben ist braun eingezeichnet.

Die Forte Ardietti hatte zu diesem Zeitpunkt 680 Mann Besatzung, von denen 430 bzw. notfalls auch 612 Mann bombensicher untergebracht werden konnten. Sie verfügte über insgesamt 25 Geschütze, davon

  • 4 Hinterladerkanonen 12cm
  • 7 glatte Kanonen
  • 12 glatte Haubitzen
  • 2 glatte Mörser

Ansicht der Kehlseite (Foto von 1866):

Seit dem ersten Weltkrieg diente die Festung bis in die 1990er Jahre als Munitionslager, zumal sie militärtechnisch völlig veraltet war. Die Gemeinde Ponti sul Mincio erwarb sie 2014 und hat sie für Besucher hergerichtet. Da sie so lange vom Militär genutzt wurde und nie in Kämpfe verwickelt war, ist sie perfekt erhalten und ein Musterbeispiel für habsburgische Festungsbaukunst der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Öffnungszeiten (Anm.: Stand vom 17.07.2016):

  • Vom 26.03. bis 29.05. samstags und sonntags von 10:00 - 12:00 und von 15:00 - 19.00
  • Vom 29.05. bis 25.09. täglich von 10:00 - 12:00 und von 15:00 - 19.00

Nachfolgend einige Eindrücke von außen; zunächst das Kernwerk, von der zentralen Poterne aus gesehen:

Der Innenhof des Kernwerks:

Eskarpenmauer und östliche Kaponniere:

Latrine gegenüber der östlichen Kaponnière:

Kaponnièrentor:

Eingang in die Festung, früher mit Zugbrücke:

Innenaufnahme des Kernwerks; zunächst der umlaufende Gang:

Gang zur Kehlkaponnière:

Erdgeschoss der Kehlcaponnière:

Treppenabgang in das Untergeschoss der Kehlcaponnière:

Einige Exponate im Kernwerk:




Aufnahmen aus der zentralen Kaponnière:


Im Teaser (Anm.: Nicht rekonstruiert) hatte ich eine herausragende Besonderheit angekündigt: Bei meinem Besuch im Mai 2016 hatte ich das Glück, die kasemattierte Batterie ausführlich erkunden zu können, da das Außentor nicht abgeschlossen war. Hier zunächst ein Innenfoto der Geschützkasematte:

Was diesen Ort zu einem ganz besonderen macht, sind unzählige Bleistift-Wandinschriften italienischer Soldaten, hauptsächlich aus den 80er und 90er Jahren des 19. Jahrhunderts:







Die gesamte Wand, an der sich das letzte Bild befindet, sieht so aus:

(Der Dienst muss ziemlich trostlos gewesen sein ...)

Es wäre zu wünschen, dass jemand die Bedeutung dieser Wandinschriften erkennt und sie konserviert bzw. schützt. Wenngleich der Erhaltungszustand der Festung an sich schon begeisterungswürdig ist, so sind diese Inschriften das eigentliche Highlight.